Der Messe-Mayer Leipziger Freitag

Liebe Freunde,

mein Freitag begann damit, dass ich meinen Chefredakteur traf. Das bringt ja jede Messe so mit sich, und da muss ich dann eben durch.

Ich wollte gerade inständig zu Gott beten – und der befindet sich ja, glaube ich, rein thematisch ebenfalls in Halle Drei – dass Herr von Zittwitz sich wenigstens auf dieser Messe mal wie ein Erwachsener benimmt, da zeigt er mir auch schon sein I-Phone-Quietsche-Entchen.

Man drückt drauf, und es quakt.

Das ist alles.

Es quakt, und dann freut sich der Chef.

Ich versuche eigentlich gerade, mir eines dieser magischen E-Books am Nachbarstand erklären zu lassen, und dauert quakt es hinter mir.

Und schauen Sie, wie glücklich er damit ist.

und ich erst hinter dieser Kamera.

Und nicht nur das, er nötigt auch Umstehende zum Mitquaken:

KNV-Prokurist Markus Fels muss die Ente drücken

Gut. Genug von Christian von Zittwitz, zurück zum E-Book: Noch vor einem halben Jahr habe ich hartnäckig versucht, dieses Thema zu ignorieren, aber inzwischen ist ein Markt für diese kleinen Dinger entstanden. Die drei großen Großhandlungen KNV, Libri und Umbreit führen mir jeweils ihre Hardware und ihre Portale vor. Und da muss jeder Buchhändler durch! Ich jedenfalls hatte nämlich von vornherein keine Lust darauf, mich schlau zu machen. Die Neuigkeiten und Entwicklungen und Erschließungen; die tagtägliche Flut von Meldungen, neuen Newsletters und Berichten über Vergleiche zwischen den Angeboten hat mich von der ersten Sekunde an überfordert.

Aber selbst bei mir auf dem Dorf wird eines Tages der erste Kunde nach einem e-Book fragen und nicht umsonst erwarten, dass ein Buchhändler der richtige Ansprechpartner für diese Frage ist.

Technisch sind diese Dinger gar nicht schwer zu handhaben. Libri hat sich mit Thalia und Sony schon recht früh und recht flott ein eigenes Platzhirschsüppchen gekocht, während KNV und Umbreit anstelle eines Einzelgerätes eine Palette von etwa fünf verschiedenen Typen für den unterschiedlichen User anbieten, die aber auch im freien Handel außerhalb des Buchhandels erhältlich sind.

Umbreit bietet die umfangreichste Betreuung und den besten Rabatt. (Und der ist trotzdem noch zum Gotterbarmen.) KNV hat tatsächlich die allerschönste Umblättertaste.

Tatsächlich entzückend

Aber Umbreit bietet eine Gulaschsuppe und einen ganz außergewöhnlich guten Espresso. Da können die Mitbewerber dann leider nicht mithalten. Der Espresso war so gut, dass ich bezweifle, in den nächsten beiden Tagen noch einen besseren zu finden.

Beste Beratung auf den Punkt gebracht:
Michael Reutter
…jawohl, und den besten Espresso
UND die schönste E-Mona Lisa.

Nun fühle ich mich jedenfalls informiert, zumindest für den Anfang. Es war gar nicht so schlimm. Jetzt, wo ich es hinter mich gebracht habe, erkenne ich auch, warum ich eigentlich und in Wahrheit so ein großes Unbehagen vor diesen Geräten hatte: Weil ich ganz, ganz, tief in mir drinnen schon immer ahnte, was ich nun weiß:

Dass ich so ein E-Book total GEIL finde. Ich würde mich zwar immer noch schämen, es in der Öffentlichkeit zu lesen, aber wie alle Geräte mit Knöpfen, Displays und Zaubertricks spricht es meine tiefsten, niedersten Instinkte an.

Schon allein die technische Grundlage, die dem Magna Doodle viel näher ist als dem herkömmlichen Monitor, fasziniert mich. Sie fasziniert mich so sehr wie das Magna Doodle selbst. Die Magnetpartikelmethode des E-Books ist tatsächlich auf diesem Effekt aufgebaut! Sozusagen Fisher Price goes Nanotechnik.

Hatten Sie auch so eines?

primitiver Ur-E-Book-Vorläufer,
nur noch eine Evolutionsstufe entfernt

Anscheinend haben Denis Scheck und ich ähnliche Tagesabläufe, denn jedes mal, wenn ich Vormittags beim ARD-Forum vorbeigehe, hat Denis Scheck gerade Dienst. Im Moment plauderte er mit dem sagenhaften T.C. Boyle; und die beiden hatten sich in eine amüsante, süffisante, spöttische Plauderrunde hineingeschaukelt, der man noch stundenlang hätte zuhören mögen.

Ach ja, und so sieht das von hinten aus:

Am Redaktionsstand hatte ich das seltene Glück, die Kollegen Koeffler und Tergast vor eine Linse zu kriegen. Beide sind erfolgreichere Autoren als ich, und beide sind bessere Journalisten als ich.
Na gut, dafür haben die aber keine Superkräfte, und ich bin schöner.

Zwei meiner ärgsten Todfeinde

Apropos Prävention: Bei Droemer Knaur habe ich eine gewagte Lösung gegen Bücherdiebstahl beobachten können:

Einen Zettel.

Und andere Verlage zermarten sich den Kopf.

Und apropos gewagt: Unterwegs begegnet mir die „kleinste Reisebuchhandlung der Welt“: Joachim van der Linde, Journalist und Weltreisender, hat von einer dreijährigen Eisenbahnreise zu berichten, die er bei BOD verlegt hat; und im Gegensatz zu vielen anderen BOD-Autoren hat er sich mit diesem Auftritt immerhin etwas zum Thema Marketing einfallen lassen.

Die kleinste Reisebuch-
handlung der Welt

Ich schlendere ein wenig durch Halle Zwei. Die Leipziger Buchmesse hat mehr Schwerpunkte, als sie Hallen hat, und Comics ist einer davon. Der Comicbereich ist in Leipzig mehr ausgebaut als in Frankfurt. Glaube ich. Zumindest gefühlt: Es gibt mehr Flächen für Betätigungen, von Konsolenspielen und Kinoleinwänden über Zeichentische bis zur Rollenspielarena ist hier alles etwas mangaesker.

Da bin ich richtig froh, als ich mal ein Kostüm sehe, dass ich auch trotz meines unmangoiden Alters einordnen kann. Das ist Johnny Depp in einer seiner größten Rollen:

Edward mit den Scherenhändlern

Genug des Zeitvertreibs. Ich bin eigentlich in der Comic-, Manga- und Fantasyhalle, um hier einen deutschen Bestsellerautoren der Fantasy zu treffen: Ich soll Bernhard Hennen erst hier treffen und ihn dann zum Random House-Mutterstand in Halle Drei bringen. Warum weiß ich auch nicht, aber dann muss ich wenigstens nicht zum BuchMarkt-Award.

Jedenfalls führen wir unser Interview unterwegs, beim Fußweg von Halle Zwei zu Halle Drei. Ich kam mir ja fast vor wie Denis Scheck, der führt seine Interviews auch immer an den unmöglichsten Orten. Allerdings mit Absicht.
(Nur mit welcher?)

Ich frage ihn, ob er schnell merkt, wie gut ein Journalist vorbereitet ist, aber er beruhigt mich; er wisse, dass seine Bücher sehr dick sind, und er sei selber auch mal Journalist gewesen. Solange er sich über halbwegs abkzeptable Fragen freuen kann, ist er zufrieden.

Ich spreche ihn auf die Austauschbarkeit im Fantasy-Segment an, aber er verteidigt generell die Genre-Literatur: Man muss den Verlagen zugestehen, dass sie wissen, was funktioniert, und dass er sich nicht über ein Segment beklagen möchte, in dem auch seine Bücher ihren Platz finden.

Ist Hennen eher ein Erneuerer oder ein Klassizist? Er sieht sich als Erneuerer und nicht als jemand, der eine Nachfolge antritt. Er sieht sich auch selbst niemals in der Tolkienschen Schülerschaft, die sich auf seinen Klappentexten immer so gut macht.

Tolkien steht so weit außerhalb der Schriftstellerwirklichkeit, dass man sich schwerlich mit ihm messen könne, aber ignorieren könne man ihn andererseits auch wieder nicht.

Ich frage nach den Vor- und den Nachteilen von Genreliteratur, und die kennt Hennen beidermaßen: Einmal dort angekommen, findet man ein treues und verlässliches Publikum vor. Aber man kommt aus solchen Schubladen nur schwer wieder heraus, und experimentellen Spielraum hat man kaum.

Das hat Hennen an seinem neuesten Band „Elfenlied“ erfahren, wo er statt bewährter Fantasy plötzlich Elfenlyrik erdichtete. Seine Fans zerrissen es in Grund und Boden; denn dank Amazon hat der Lesefan nun plötzlich eine Stimme, die auch Autoren und Verlagen zur Marktbeobachtung dient. Und Amazonkritiken sind nicht, wie ein Feuilleton, nach einer Woche wieder vergessen, sondern Amazon-Kundenkritiken bleiben für eine Million Jahre untrennbar mit dem Buch des Autors verknüpft.

Ich frage, ob das Einfluss auf sein Schaffen haben darf. Er sagt, die Entscheidung zwischen einem hermetischen Künstlerleben im Elfenbeinturm und einem Bestseller am Geschmack der Leser entlang trifft er ja selbst.

Und Ihr, Ihr Fans, könnt jetzt wieder auf den Teppich kommen. Elfenlyrik wird Herr Hennen nur noch unter der Dusche von sich geben; und im nächsten Band „Elfenkönigin“ lässt er’s wieder ordentlich krachen.

Mit Wolfgang Hohlbein geht er immer wieder mal ins Kino, wenn gute Action läuft. Da haben sich ja die zwei richtigen getroffen. Da würde ich gerne mal mitgehen. Mit Wolle Hohlbein und Bernie Hennen in „Stirb langsam.“

Hennen schmunzelt. Auch (und gerade) Hollywoodschund sei ein großartiges Terrain für Erzähltechnik und Spannungsaufbau.

Ob ich ihn denn nun ungelesen als sauberen Handwerker mit Blick auf den eigenen Stilwillen bezeichnen dürfe? Und Hennen sagt, darin fände er sich sehr gut wieder.

Nun würde ich gerne, völlig außer Atem, ein schönes Foto vor einer Wand von Hennen-Titeln machen, aber die steht ja in Halle Zwei, von wo wir gerade herkommen.

Aber Hennen hat genug Humor, mit einem Stieg Larsson zu posieren. Ich finde das sehr fotografierenswert; ich denke mal, dem Verlag gefällt es so oder so.

Hauptsache, gute Genreliteratur

Nach diesem Interview habe ich endlich auch mal Dienst am Stand. Wahrscheinlich beneidet mich Frau Strater um meine Freilaufendheit und um meine interessanten Abenteuer (zB. Zettel zu fotografieren bei Droemer), aber ich fand es umgekehrt mal ganz schön, als professionelles Messestandpersonal eingesetzt zu werden.

Meine erste Amtshandlung bestand darin, dass ich Gäste, die Lust auf einen Kaffee hatten, zu Umbreit schicken wollte. Man hielt das für einen Scherz, schmunzelte höflich und bat um Milch und Tasse.
Ich wies darauf hin, dass wir weder mahlen noch frisch brühen, sondern die stundenlange Einsäuerung auf der heißen Platte bevorzugen. Aber vielleicht waren die Gäste GABAL-Kaffee gewöhnt, so dass sie unseren problemlos hinunterbekamen.

Noch lächelt Anja Kirijenko.

Ich wollte noch ein Erinnerungsfoto von mir am Stand haben, und als Frau Strater auslöste, misslang es auf doppelt doofe Weise: Nicht nur, dass ein Trampel just dann vor die Kamera lief, nein, die Schnalle seines Rucksackes schleuderte auch fast das ganze Blitzlicht, das eigentlich für mein Gesicht gedacht war, zurück in die Linse. Von mir sieht man gerade noch, dass ich missliebig gucke.

So ein Ungünstling

Also alles in allem ein Meisterwerk, wie es nur der Zufall gebiert.

Und hier das Foto, das es eigentlich hätte werden sollen:

…aber der hier ist irgendwie auch nicht besser

Man sieht gleich, welches das Meisterwerk ist und welches nicht.
(Die mangelnden Qualitäten der Kamera und des ursprünglichen Motivs sind auch durch eine auslösende Frau Strater nicht wettzumachen.)

Nach getaner Arbeit will ich einem Messemythos nachgehen: Angeblich seien Teile von Halle Fünf nicht genutzt, aber irgendwie stehen die Türen trotzdem offen, so dass diejenigen, die sie betreten, das größte leere Raucherzimmer vorfinden, in dem ein messemüder Mensch Ruhe, Einsamkeit und Toiletten ganz für sich hat.

Und tatsächlich:

Es gibt dieses Wunderland wirklich.

Zumindest bis alle an dieser Stelle darüber lesen.

Aber ich hatte in Halle Fünf auch noch einen Auftrag zu erfüllen: Buchhändler Carsten Vogt aus dem Allgäu, der mich merkwürdigerweise immer einmal je Leipzigmesse per Mail belästigt, lässt mich auf die Jubiläumsausgabe der „Leipziger Lerche“ hinweisen, der Studentenzeitung der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur.

„Na und“, denke ich, „mir doch egal.“ Da erwähnt Herr Vogt, dass die Leipziger Lerche auch ein süßes Gebäck sei, dass ich gewiss am Stand kosten dürfe.

Nun, es ist ja kein großes Geheimnis, dass ich seit jeher ein Verfechter der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur war, und so ist mir diese kleine Erwähnung natürlich eine große Freude.

Und jetzt her mit der Süßspeis:

komplett gefüllt!
Wenn ich´s Ihnen doch sage!

Es handelt sich also um ein Mürbteigpastetchen, dass randvoll gefüllt ist mit Marzipan.

( * sabber * )

Ich kann die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur gar nicht hoch genug loben. Danke, Carsten Vogt, Buchhändler aus dem Allgäu, für diesen Tipp.

Und das war mein Freitag. Bevor es in die Moritzbastei geht, beende ich den zweiten von vier Tagen beim amerikanischen Generalkonsulat, das sich eine eigene amerikanische Minibuchmesse eingerichtet hat und zum Posieren mit einem Pappbarack einlädt.

Can we, yes?

Und Geertje hat jetzt einen gut bei Dir, Herr Ermer.

Yes she does.

Zum Abschluss habe ich noch einen Tipp für Sie, und zwar einen literarischen! Sofern der überhaupt noch nötig ist. Das findige Verlagshaus Esslinger hat es nämlich geschafft, die Rechte an den Lurchi-Geschichten zu erwerben! Und jetzt gibt es wieder Lurchi-Bücher! Bzw. eines gibt es erst, das nächste folgt zur Herbstmesse in Frankfurt.
Von diesem Buch wurden inzwischen dreimal soviel gedruckt wie von meinem schon nicht verkauft wurden; und daran sieht man: Eine ganze Generation hat auf die Rückkehr der auf hohem Niveau gereimten Schuhwerbung gewartet!

Lurchi ist zurück!
Hier neben Annika Stein

Und das könnte sich in etwa so anhören:

Sharky, Lilli – alles durch!
Uns verlang es nach dem Lurch!
Welcher von den Buchverlagen
wird es wohl als erster wagen,
Lurchis Werbe-Schuh-Geschichten,
die als Kinder wir mitnichten
missen mochten, vorzuführen
und dabei mein Herz zu rühren?

Esslinger im Schwabenlande
druckt die ganze Lurchibande
in guter alter Schönschreibung
und mit altbewährtem Schwung.
Zaubern, helfen, all das kann der
schlaue Schuhwerksalamander.
Lang schallt’s auf der Messe noch:
Salamander lebe hoch!

Das sei ein gutes Schlusswort für diesen Messearbeitstag, bevor ich in der Moritzbastei noch ein paar kalte Getränke namens Bier zu mir nehme, um die laute Musik plötzlich gut zu finden. Allerdings war der Abend moderat, weil Beltz angeblich irgendwo eine Gegenparty lancierte, die noch viel toller gewesen sei.

Ein Blick aufs Gewölbe
Zwei Blicke auf die Band

Ich habe mich jedenfalls bestens amüsiert, nur nette Leute um mich gehabt, wenn man Herrn Faure mal abzieht, und vor allem köstlich gegessen.

Und hier, zum Beweis, dass ich wirklich da war:

Ich habe erst 0,1 Bodo im Blut.

Einen schönen Samstag wünscht Ihr

Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com

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