Der Messe-Mayer Leipziger Sonntag

Liebe Freunde,

das war die Leipziger Buchmesse 2009. Es war viel los. Für Leipzig schon, doch. In vier Tagen waren hier 147.000 Menschen, also etwas mehr als Heidelberg und etwas weniger als Potsdam, aber insgesamt eine höhere Zuschauerdichte pro Quadratmeter als die Frankfurter Buchmesse. Und natürlich wieder: Besucherrekord. Egal ob Krise oder Kriese.

Die am häufigsten verneinte Frage bei uns am BuchMarkt-Stand:
„Ist Herr von Zittwitz gerade da?“

Wahrscheinlich ist die Verneinung dieser Frage ein fester Bestandteil von Frau Straters Stellenbeschreibung.

Und ganz im Ernst wurde Frau Strater, als sie sich an unserer Standtheke die Hände eincremte, von einer Passantin gefragt, ob es hier auch Pröbchen von dieser Creme gebe.

(Also gleich fürs nächste mal auf die Liste setzen.)

Der Kontakt mit den Endkunden tut den Verlagen einmal im Jahr ganz gut, behaupte ich, damit alle mal vier Tage lang schmecken können, was die Sortimenter tagtäglich durchmachen da draußen an der Front.

Die Picknickhalle

Allerdings war Samstag der vollste Tag, während der heutige Sonntag sich wieder stark lichtete (mehr gefühlte als gegoogelte Angaben). Man kam jedenfalls wieder leichter vorwärts, und das Standpersonal machte sich überall verdächtig dünn, nachdem der Tag seinen Mittag erst mal überschritten hatte. Die Garderoben quollen über vor zwischengelagertem Abreisegepäck.

Café Europa am Sonntag: nicht mehr viel los

Dennoch gab es einiges zu sehen.

Unser Nachbarstand von der Frankfurter Rundschau hatte beispielsweise einen Hund beherbergt. Draußen, auf der Straße, interessieren uns die Hunde anderer Menschen nicht über Gebühr. Aber ein Hund auf einer Messe, das ist natürlich etwas ganz, ganz besonderes, den müssen wir alle angucken und streicheln und es den anderen Ausstellern weitersagen:
In Halle Drei gibt es einen echten Hund.

So eine süße Banane

Oh, Pardon, sagte ich „Frankfurter Rundschau“?

Auch bei uns war schon keiner mehr da. Aber das wiederum in seiner charmantesten Form: Nadine Lettke und Michaela Strater sind und bleiben vor Ort, bis der letzte hier das Licht ausmacht.

and the Band plays on

Frau Strater war es auch, die mich nicht auf das Thai-Restaurant in Halle Fünf hinwies. Ich sagte zu ihr:

„Wusstest Du, dass er hier auch ein Thai-Restaurant gibt?“

Und sie sagt:

„Ja, in Halle Fünf. Das war letztes Jahr auch da.“

Danke, dass ich das so früh erfahre.

Auch das für nächstes Jahr merken

Um 13.31 Uhr gab es einen Feueralarm in Halle Drei. Das war ein Fehlalarm, und nach ein paar Minuten wurde er wieder ausgeschaltet. Aber es war hochinteressant zu sehen, wie eine ganze Halle bei Feueralarm reagiert: Nämlich überhaupt nicht. Es interessiert keine Sau, und hoffentlich macht bald mal einer den Lärm aus.

Ebenfalls ein Anzeichen des Sonntagsschwundes ist die fotografische Erreichbarkeit der Prominenten. Die paar Zuschauer, die sich nun noch um ein Kulturzeitsofa gruppieren, habe ich rasch erklommen und durchquert, um Messepreisträger Herfried Münkler zu fotografieren.

Auch ein Mythos der Deutschen: Das Sofa.

Sein Sachbuch „Die Mythen der Deutschen“ liegt bereits auf meinem Nachttisch.

Nein, eigentlich ist das einer dieser typischen, hohlen Journalistensätze. Genaugenommen, Rowohlt, liegt sein Sachbuch überhaupt noch gar nicht auf meinem Nachttisch.

Da liegt noch immer „Dianetik“ von L. Ron Hubbard. Du siehst also den extremen Handlungsbedarf, Rowohlt.

Ein Zeichen des nahenden Messe-Endes ist, wenn mir Hallenarchitektur plötzlich ein paar Fotos wert ist, damit ich mich von meinem Heimweh ablenke und diese Seite schön voll kriege.

Am Ende dieser Röhre liegt Westen

Und schauen Sie nur die Messetreppe an, die erst in der Draufsicht ihr Logo preisgibt!

Das ist doch interessanter
als ein Messepreisträger!

Bei der Zunahme von Signierstunden versus richtigen Veranstaltungen kann man ebenfalls von einem Sonntagssymptom sprechen. Man sitzt nur noch da und schreibt seinen Namen.

Die Noll…

(Ingrid)

…der Joscha…

(Sauer)

…und der Ensikat:

(Peter.)

Doch ich meine das nicht tadelnd. Beim BuchMarkt geht uns das nämlich nicht anders. Außer dass wir keine Autogramme geben. (Und auch das wäre uns schon zu viel.)

Peter Ensikat signierte bei be.bra / Edition Q sein Buch der populären DDR-Irrtümer.
Verleger Ulrich Hopp lässt Herrn Faure recht herzlich grüßen und versucht mich in Fangfragen darüber zu verwickeln, ob Herr von Zittwitz ein strenger Chef sei. Egbert Pietsch vom Leipziger Kreuzer-Magazin haut in die gleiche Kerbe.

Hopp will mich reinreiten, Herr Pietsch bleibt sitzen

Ich werde mich hier nicht um Kopf und Kragen reden, lieber Herr Hopp. Ich bin höchstens gerne zur Stelle, wenn andere das tun. Und über Herrn von Zittwitz kann ich gottlob nicht viel sagen. Was immer ich erfahre, versuche ich schnell wieder zu vergessen.

Er spielt gerne mit Quietsche-Entchen.

Natürlich ist immerhin der Mangabereich nach wie vor auch Sonntags vollverkleidet. So konnte ich noch Herrn Wolverine treffen und ihm Buchempfehlungen aussprechen, zum Beispiel die Lurchi-Neuauflage bei Esslinger.

Nächstes mal als Unkerich, bitte

…vielleicht können wir dann schon nächstes Jahr die ersten Lurchi- und Unkerich-Kostüme hier sehen.

Ob dieser Herr zum Messepersonal gehört, ist zwar fraglich, aber von allen Kostümen heute könnte das hier am ehesten auch keines sein.

Betreutes Umblättern

Bisher waren mir ja immer wieder Termine dazwischen gekommen, die auf der Prioritätenliste leider weiter oben standen; aber ich hoffe sehr, dass es mir im Herbst in Frankfurt gelingen wird, endlich die CosPlay-Meisterschaft zu besuchen. Und bis zum Frühjahr 2010, also für die nächste Leipzig-Messe, möchte ich Euch Freaks ja gerne eine Anregung geben:

Vor der Messehalle stehen doch diese bunten Leipziger Löwen. DAS wäre doch mal eine Verkleidung wert! Baut und näht und bastelt das nach, und dann stellt ihr Euch zu den Plastiklöwen vor die Messehalle und erschreckt Besucher.

Wer das macht, wird hier fett erwähnt!

Aber auch andere Leute haben sehr gute Ideen zum Thema Manga: Jonathan Clark von KNV schlug vor, dass ich meinen Messebericht auch als Manga bringen soll, und dann wäre ich automatisch schon richtig verkleidet.

Wohlfromm and Clark

Und dann könne ich einen feinen Insiderbericht bringen: „Wie ich das CosPlay gewann.“ Und was noch viel cooler wäre: Andere Leute müssten sich dann auch als mich verkleiden. Oder sagt man da: als ich verkleiden? Egal, das wäre jedenfalls so ungrammatisch wie fahrlässig. Ich verbreite ohnehin schon Misstrauen und Unbehagen, wo ich unangemeldet auftauche; und dann stünden am Manga-Wochenende plötzlich an jeder Ecke Messe-Mayer herum, gut gescheitelt und schlecht rasiert, mit abgetragenem Smoking, Köfferchen und miserabler Kamera.

…hihihi.

Aber kommen wir lieber zu einem ernsten Thema: Diebstahl. Nicht alle Verlage haben wie Droemer Knaur die technischen, finanziellen und personellen Möglichkeiten, einen handgeschmierten „Nicht mitnehmen!“-Zettel aufzuhängen, so dass tatsächlich Beobachtungsposten aufgestellt werden. Ich hatte heute das spannende Vergnügen, mit Esther Hoffmann am Stand von Random House auf Streife zu gehen.

Zugriff!

Und es taten sich mir Abgründe auf. Im Minutentakt erwischte Frau Hoffmann dreiste Diebe. Sie beobachtet sie aus sicherer Entfernung, und wenn sich der Dieb dann vom Stand entfernt, nimmt sie die Verfolgung auf.

Wenn Frau Hoffmann gut gelaunt ist, belässt sie es bei der Beschämung der Erwischten; und wenn der Erwischte auch noch die Chuzpe hat, patzig zu werden, dann darf er gerade eben noch wählen zwischen Zwangskauf und Anzeige.

Und Frau Hoffmann hat echt ein geschultes Auge. Ich hab da geguckt und gestarrt und keinen was klauen sehen. Esther Hoffmann erkennt die Diebe sogar schon, bevor sie zuschlagen: Da, der da steckt das Buch gleich in seine Zeitung. Obacht, dieser Schmöker wird gleich in die Einkaufstüte wandern und der da in die Jacke.

Alte Mütterchen mit geblümten Rock trippeln mit einem Stapel Hardcover davon.

Und ich sage Ihnen: Das hat vielleicht Spaß gemacht!

Nächstes mal schiebe ich jedem dritten Kokain unter und hetze dann den Hund von der Rundschau los.

Ich denke, nach dieser Aufregung kann ich auch meinen Heimweg antreten. Vom Börsenvereinsverbandsversicherungskooperationspartner Georg Hoffmann lasse ich mir noch die alkoholverursachte Blutgefäßosmose im Hirnhautbereich erklären, obwohl man Herrn Hoffmann dieses immense Detailwissen wirklich nicht ansieht. Also, auf mich wirkt er jedenfalls clean.

Bis auf den Limobecher Sekt natürlich.

Das waren vier kurzweilige und interessante Tage.
Den besten Espresso seit langem gab es bei Umbreit. Nein, der war wirklich exzellent.

Was ich versäumt habe, war der BuchMarkt Award, der Leipziger Messepreis, das Thai-Restaurant in Halle Fünf und alles, was außerhalb der Messe stattfand. Außer vielleicht die Moritzbastei, aber da fand ich nicht statt.

Vielen Dank fürs Anklicken, seien Sie gut nach Hause gekommen.

Mit einem Schnappschuss verabschiede ich mich von dieser Rekordmesse. Die Kollegen vom mdr haben nämlich eine Messebesuchergalerie online gestellt, in der ich mich verheddert habe:

Im Gegenzuge durfte ich mit der Kamerafrau ein Shoot-Out veranstalten wie im Wilden Westen, und dieses mediendoppelbödige, selbstreferenzielle, intertextuelle, hochsymbolische und diastolische Foto fasst durchaus zusammen, worum es auch in dieser Messe ging:

Sehen und gesehen werden.

Wir sehen uns im Oktober.

Vielen Dank fürs Anklicken.

Ihr Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com

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