Mit der Bild/Weltbild-Bestsellerbibliothek wird der Weltbildkonzern nun wirklich zu dem Discounter der Buchbranche

Die immens erfolgreiche SZ-Bibliothek – bei einer durchschnittlichen Verkaufsauflage von etwa 150.000 Exemplaren – mit ihren schön gestalteten und produzierten Hardcover-Bänden zu je 4,90 Euro läuft übers Jahresende hinaus, nun kommt also im Oktober auch noch die „Bild/Weltbild-Bestseller-Bibliothek“ mit ihren gebundenen Billigpreis-Romanen zu je 4,90 Euro hinzu. Wird das alles dem stationären Buchhandel – und vielleicht auch Amazon – das Weihnachtsgeschäft mit normalpreisigen Hardcovern und Taschenbüchern total verhageln? Diese Sorge treibt jedenfalls schon manchen Sortimenter um.

Gewiss mit Recht. Zumal ihm die neue Aktion – nennen wir sie hier kurz BWBB – kaum so günstige, fast normale Konditionen einräumen dürfte wie die SZ-Bibliothek (Die Buchhändler sollten es den lizenzgebenden Verlagen danken, die ihren regulären Vertrieb auch über den Buchhandel zur Bedingung machten.) Denn es soll angeblich zwar so sein, dass der Buchhandel am Verkauf der BWBB-Titel beteiligt wird. Doch diese Angabe ist mit Vorsicht zu genießen. Denn erstens verfügt der Weltbild-Konzern ja bekanntlich über keinen eigenen Arm zur Belieferung des Buchhandels. Zweitens bietet der extrem niedrige Preis mit 4,90 Euro wohl kaum den zur Berücksichtigung der üblichen Buchhandelsspannen nötigen Spielraum (die folglich, wenn es denn zum Angebot dieser Titel an den Buchhandel kommen sollte, wohl eher prohibitiv niedrig ausfallen dürften). Und drittens hat dieser Konzern, wie Weltbild-Geschäftsführer Werner Ortner in einem Gespräch während des Frühjahrs erklärte, eigentlich wenig Interesse, mit seinen Programmen für das Geschäft des Buchhandels aktiv zu werden; sie sind vornehmlich zur Versorgung seiner eigenen Handelsschienen intendiert.

Damit tritt der entscheidende Punkt der BWBB hervor. Sie markiert den ersten, den ersten massiven Schritt einer totalen Verkehrung der Buchbranche, wie wir sie in Deutschland bisher kennen. Bisher hatten Verlage die Buchprogramme gemacht und mit ihren Titeln prinzipiell alle verschiedenen, von ihnen unabhängigen existierenden Vertriebskanäle bedient. Das gilt auch noch für die SZ-Bibliothek, die von der Feuilleton-Redaktion der Süddeutschen Zeitung nach deren eigenen ästhetischen Kriterien zusammengestellt wurde; sie war inhaltlich, alles in allem, kulturell ausgerichtet und erschloss, alles in allem, über sämtliche Vertriebsschienen bedeutenden Autoren und Büchern, die irgendwo in der Backlist der Verlage schlummerten, neue Interessenten, Käufer und Leser. Bei der BWBB ist das – jedenfalls weitestgehend – anders.

Sicher, das Konzept haben die Bildzeitung und Weltbild gemeinsam erdacht. Ebenso klar: Promotion, Publicity und Werbung läuft über die Bildzeitung (die im Gegenzug auch wahrscheinlich am Gewinn beteiligt sein dürfte); dazu gehört vermutlich auch die Promi-Jury – Hellmuth Karasek, Nina Ruge und Brigitte Blobel – eventuell als Vorzeige-Herausgeber. Anzunehmen, dass der rundum eminent erfahrene, gestandene Programm-Macher Lothar Menne (früher Heyne, Hoffmann & Campe, Ullstein) solche Herausgeber bräuchte, um so eine Bibliothek zusammenzustellen, käme fast einer ehrenrührigen Beleidigung für ihn gleich. Und Lothar Menne steht hier in Weltbild-Diensten. Summa summarum muss man bei der BWBB also doch wohl von einem Weltbild-Programm ausgehen. Und es ist ein durch und durch kommerzielles Programm mit bekannten Namen und Titeln (für deren Lizenzen den Verlagen dem Vernehmen nach zwischen 20.000 und 50.000 Euro als Vorschussgarantie geboten werden): hauptsächlich mehr oder weniger gehobene Unterhaltung, die im Buchhandel, als Hardcover-Original wie als Taschenbuch, schon Bestseller gewesen sind: Es handelt sich um eine mit riesigem PR-Aufwand betriebene nochmalige Vermarktung von Mainstream-Literatur.

Das Revolutionäre an der ganzen Sache: Es ist – zumindest in Deutschland – das erste Mal, dass ein Handelsunternehmen, das in direkter Konkurrenz zum Buchhandel steht, aus seinen expandierenden Handelsbedürfnissen heraus ein eigenes Programm für seine ureigene Handelsschiene produziert – und das, noch dazu, im Verbund mit einem mächtigen Massenmedium wie der Bildzeitung.

Mit der BWBB kommt in Deutschland, kommt in der deutschen Buchwelt erstmals – statt der „Marken“-Hersteller, den Verlagen – eine „Handelsmarke“ ins Spiel. So etwas kennt man aus anderen Konsumgütersektoren: Was das für Markenhersteller heißt, hat dieser Woche erst der Vorsitzende von Nestlé im Wirtschaftsteil der Zeitung „Die Welt“ deutlich gemacht. Die Konsequenzen, die es für den Facheinzelhandel birgt, sind aus anderen Konsumbranchen ebenfalls sattsam bekannt. Verdrängung und nochmals: Verdrängung.

Den Sortimentern und Verlagen mag die Sorge um das Weihnachtsgeschäft schlaflose Nächte bereiten. Die wahre Bedeutung dieser neuen Entwicklung geht weit übers Weihnachtsgeschäft hinaus. Sie ist grundsätzlicher Natur: Die Verlags- und Buchhandelswelt ist schlagartig in eine neue Ära katapultiert wurden. Über Folgen und Nebenwirkungen wird nachzudenken sein: Der Apotheker allein kann da nicht mehr helfen und lindern.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht‘s.

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