Irgendwie ist er uns beim Aufbau des Messestandes aus dem Verschlag entwischt: Unser Messe-Mayer ist auch dieses Jahr wieder freilaufend. Bitte halten Sie ihn fest, wenn er an Ihren Stand kommt, und alarmieren Sie die Redaktion.
Liebe Freunde,
so viel zu sehen und zu staunen gab es am ersten Tage der 67. Buchmesse in Frankfurt. Nachdem am gestrigen Dienstag alles für die Fachbesucher fein gemacht und die Pressemeute an- und abgefüttert worden war, durften heute endlich die Gäste rein.
Wen ich alles traf, wo ich überall war, was ich alles sah und wie man auch und vor allem als unbekannter Kleinverlag einen begehrten Auftritt im Messe-Mayer bekommt, erfahren Sie hier.
WEN ICH ALLES TRAF
Ich traf meinen früheren Sach- und Krachbearbeiter Carsten Tergast. So oft ich ihn treffe, so oft sind wir beide immer auf dem Sprung! Und Gottlob will keiner einen Termin vom anderen.
Ich traf endlich einmal wieder die liebenswürdige und begeisterungsmitreißende Traditionsbuchhändlerin Anne von Bestenbostel!
Ich lernte bei Random House endlich Stefan Breuer kennen. Er sagte, er sei in der Firma der unwichtigste Mensch am Ende aller Hierarchien. Ach, genau wie ich in der Redaktion!
Und siehe da, Lebemann, lebende Kiepenheuer-Legende und kölsches Original, sozusagen der romanophile Millowitsch unter den ehemaligen Vertriebsbossen, der nach seiner Pensionierung nie wieder auf die Messe kommen wollte: Reinhold Joppich!
Und am Eifler Krimiregionskobold Ralf Kramp und seinem allerfeinsten KBV-Verlagkommt man ja auch nicht vorbei.
Herr Kramp lädt herzlich zur Donnerstags-Happy-Hour so gegen halb sechs ein. Es wird eine Abscheulichkeit serviert, die wie Pudding schmeckt, aber auf jeden Fall Alkohol enthält.
ULTRAMAR
Der Fall Kramp ist natürlich pathologisch; so jemanden muss ich schon aus purer Unfassbarkeit immer wieder besuchen, ablichten und quälen. Aber wie gelangt man als kleiner Newcomer in der Verlagslandschaft in dieses Mahlwerk von Messeblog? Denn das kann wirklich leider nur der Zufall richten.
Frau Birge Tetzner hat ihren kleinen Ultramar-Verlag ganz ins Zeichen einer schönen Hörspielreihe für Kinder und Jugendliche gestellt. Und jawohl, Birge ist ein echter Name. Weil irgendeine Nenntante was weiß ich. Und Frau Tetzner hat sich getraut, mich einfach anzuschreiben. Tja. Genau so geht das. Ich habe ihr sofort damit gedroht, Ihr den Stand zusammenzutreten, wenn Sie das nochmal tut.
Ja, und „Fred“ jedenfalls ist der Held dieser Hörgeschichten, die per Zeitreise in lehrreiche, aber gefährliche Epochen gehen. Zuhör-Alter: Genau nach dem magischen Baumhaus.
Und zwar hier.
So, das hat doch gar nicht wehgetan, Frau Tetzner. (Außer als ich Sie gehauen habe.)
DORA HELDT
Den Vorwurfe, ich berichte ohnehin immer nur über die gleichen Leute, kann ich nur empört zurückweisen! (Erinnern Sie sich beispielsweise nur mal an die arme Birge Tetzner.)
Oder schauen Sie hier, auf dem Foto neben einer Dora Heldt, der ich zum ersten Mal begegne:
Auch dieser wildfremde Mann neben ihr ist mir total unbekannt. Es handelt sich um Dora Heldts Bruder, Herrn Rainer Schmidt vom Medienverlag Mixtvision. Der übrigens selber hier auf der Messe einen Stand hat.
Sehen Sie? Wieder jemand neues kennengelernt.
BAYERISCHER LANDWIRTSCHAFTSVERLAG
Hä? Wer? Ach so, BLV! Der BLV-Verlag entwuchs einer tief verwurzelten, schollen- und furchenverbundenen Tradition und wird aber inzwischen von total entwurzelten, aber extrem hingegebenen Damen sowas von frech, frisch, lecker und modern geführt, dass es ohnehin eine Freude ist, dieses verrückte Haus auf der Messe zu besuchen.
Karin Furka hatte als Oktobergeborene die Freude, ihren Geburtstag heute hier zu feiern. Mal wieder. Damit es ihr den Tag zusätzlich verhagelt, zwang man sie auch noch, eine bajuwarische Bonsaitracht zu zeitigen.
Die Küche bei BLV hat sich diesmal nämlich ganz auf Knödel eingelassen. Aber BLV wäre nicht BLV, wenn das gewöhnliche Knödel wären:
Danke, Murat Salzer, Sie großer kulinarischer Meister.
Und Danke, Du neues Knödelkochbuch von BLV, das Murat Salzer benutzen durfte.
Und BLV wäre nicht BLV, wenn der Bericht da enden würde, wo er fertig ist. Nein, nein, da wird immer weitergespachtelt und weitergeschenkt.
Aber in einem unwachsamen Moment in diesem Gelage kann ich den Tisch umstülpen und davonstürzen. So schnell das eben geht, sattgefressen und mit Geschenken beladen.
DAVID HOCKNEY BEI TASCHEN
Was, schon wieder David Hockney? Ganz im Ernst, ich treibe auf dieser ganzen Messe keinen einzigen Niederländer auf. Aber David Hockney hatte ich doch erst am Dienstag, wollen Sie sagen. Das war aber etwas anderes. Am Dienstag hat David Hockney die Messe eröffnet, indem er sein Buch vorgestellt hat. Am Mittwoch hingegen hat er sein Buch vorgestellt, indem er sein Buch vorgestellt hat.
Nein, ich will das nochmal anders formulieren. Der Auftritt am Dienstag war als Gast der Messe, und der Auftritt am Mittwoch war als Gast des Benedikt-Taschen-Verlages.
Der Künstler kommentierte seine Werke in der ihm gewohnten ultratrockenen Sachlichkeit, die man erlebt haben muss. Das Bild „A bigger Splash“ heiße so, weil es ein klein wenig größer sei als „A Splash“.
Aber weil ich Christine Westermann in „Zimmer frei“ immer so toll fand, würdige ich sie noch mit einem ordentlichen Bild.
AGORA
Nach einem solchen Vormittag voller Knödel und berühmter Maler außerhalb der Niederlande (und Flandern) brauche ich erst einmal ein wenig frische Luft. Und die Agora steckt voller niederländischer (und flämischer) Attraktionen:
Zum Beispiel der abschreckende, angstmachende Container namens Kinky & Cosy. Sie alle fragen sich die ganze Zeit, was da drin ist, aber Sie wollen es nicht herausfinden. Haha! Aber ich war drin.
Kinky & Cosy ist eine belgische Reihe von Trickfilmen und Comics mit sehr schrägem Humor. Aber wenn Sie Kamagurka gewohnt sind, können Sie auch das verdauen.
Kinky & Cosy, nun leider auch in Deutschland! Also ich bin als Zielgruppe schon mal genau getroffen.
Und was müssen Sie beim Buchdoktor befürchten?
Der Buchdoktor fragt Sie, wo denn ihr verdammtes Problem sei, und dann verschreibt er Ihnen ein Buch. Sie bekommen nicht wirklich ein Buch. Aber sie bekommen ein unleserliches Rezept und hatten ein nettes Gespräch.
Und hier stellt der bekannte niederländische Moderator Rudi von Carrellhausen das Luther-Musical vor.
Oh, und stellen Sie sich vor: Flandern hat tatsächlich einen eigenen Pavillon!
GLÜCKWÜNSCHE
Zum Dekadenjubiläum spendiert die Frankfurter Buchmesse dem Aussteller eine grandiose, saftige Sachertorte! Heute hat es unter anderem den Fink-Verlag und die Frankfurter Allgemeine Zeitung getroffen:
Ich gratuliere recht artig! Aber das will nichts heißen, denn für Kuchen tue ich alles.
UND WAS ICH SONST NOCH ALLES SAH
Bei Dorling Kindersley finde ich einen Musicalprachtband, wie es ihn noch nicht gab:
Und ich habe endlich meinen Lieblingsverlag gefunden:
Halle 3.1, K 116: Luftgetrocknete französische Spezialitäten.
Diese elektronische Verarbeitungsinstallation (zu finden in 3.0 zwischen Lübbe und BLV) versieht mein Gesicht in Echtzeit mit Sprech- und Denkblasen.
Bei Bannerwerbung sollte man vielleicht darauf achten, dass die beiden Zugwörter des formulierten Spruches sich nicht gerade gegenseitig aushebeln.
ABSCHLUSS
Und das war mein Mittwoch. Möge die Macht mit TipToi sein, aber sonst habe ich nichts auszusetzen.
Auf dem Rausweg hatte ich noch die Freude, zur Veröffentlichung von Jarett Kobeks „Ich hasse dieses Internet“ Rot zu sehen. Jemand dachte, eine geschlossene Front aus roten T-Shirts sei eine gute Werbung.
Ich wünsche Ihnen einen guten und fleißigen Donnerstag! Morgen gibt’s das erste Interview!
Ihr
Matthias Mayer
Abgelehnte Covervorschläge berühmter Maler aus den Niederlanden (und Flandern), Teil 2 von 6: Vincent van Gogh
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