Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen mit Anmerkungen zu Unterlassungsverfügungen

Nicht nur Verlagsjuristen werden sich an den „Herbst der verbotenen Bücher“ des letzten Jahres erinnern und die damalige Flut von gerichtlichen Entscheidungen gegen eine Vielzahl von Büchern. Die Unterlassungsverfügungen gegen „Esra“ von Maxim Biller und die Grönemeyer Biographie von Ulrich Hoffmann beherrschten schon vor der Messe 2003 die Schlagzeilen, Dieter Bohlens „Hinter den Kulissen“ verschwand mit Messebeginn kurzzeitig unter einer Flut von Verfügungen, um sogleich in geschwärzter Fassung und hinter Panzerglas auf dem Messestand wieder aufzutauchen, „Naddel“ und Bohlen wurden auf der Messe vor laufenden Kameras durch eigens beauftragte Gerichtsvollzieher Unterlassungsverfügungen ausgehändigt.

Dieses Jahr gab es deutlich weniger öffentlichkeitswirksame Verfahren um Sachbücher oder Biographien. Selbst in den bekannt gewordenen Streitigkeiten um Titel wie „Die Fürstin“ von Gloria von Thurn und Taxis oder „Stasiland“ von Anna Funder ergingen zwar Unterlassungsverfügungen, diese bezogen sich jedoch nicht auf die bereits gedruckten und ausgelieferten Bücher, so dass die vorhandene Auflage jeweils unbehindert ausgeliefert und abverkauft werden konnte.

Woran lag das? Haben die Verlage besonders riskante Titel gar nicht erst eingekauft oder hinreichend entschärft? Wurden die Gerichte nicht, wie ein Verlagsjustitiar noch 2003 vermutete, „immer dümmer“ sondern immer schlauer, sprich abwägender ? Waren die Medienanwälte diesen Herbst ganz im Bann des „Caroline-Urteils“ und sind seitdem auf die Yellow Press fixiert? Oder hatten die Verlage und ihre Justitiare einfach mehr Glück als letztes Jahr ?

Nun aber kehrt passend zum Messebeginn 2004 wieder ein wenig juristische Normalität ein: Es droht eine Einstweilige Verfügung gegen einen Bestseller. Nachdem schon unmittelbar vor der Veröffentlichung des gegenwärtig auf Platz vier der Sachbuchliste im SPIEGEL befindlichen Buchs „Bedingt dienstbereit“ des ehemaligen BND-Mitarbeiters Norbert Juretzko die Verlagsräumlichkeiten von Unbekannten durchsucht wurden, vermeldet der Verlag nun erneut Bemerkenswertes: Ein ehemaliger Kanzleramtsminister lässt den Verlag anwaltlich auffordern, bestimmte Passagen ab sofort nicht mehr zu verbreiten, weil angeblich unzutreffende Schilderungen seine Persönlichkeitsrechte verletzen. Da Verlag und Autor keine Veranlassung sehen, die beanstandeten Passagen zurück zu nehmen und die Bücher bereits ausgeliefert sind, dürfte für juristischen Gesprächsstoff über die Messe hinweg gesorgt sein. Mit all den bekannten Risiken und Nebenwirkungen.

Rainer Dresen, Dresen-Kolumne@freenet.de, 40, arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustiziar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts.

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