Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Preisbindung für E-Books

Alles deutet darauf hin, dass das Thema E-Books ein wichtiges Messethema sein wird. Dies nicht so sehr wegen der aktuellen wirtschaftlichen Bedeutung für die Verlagsbranche, sondern vor allem wegen der zukünftigen Entwicklungschancen.

Interessant dazu ist der aktuelle Kultur SPIEGEL. Nicht weniger als vier Seiten widmet er dem Thema E-Book. Neben dem profilierten und regelmäßigen Mahner vor der Unterschätzung digitaler Herausforderungen in der Medienindustrie, Tim Renner, ehemals Chef einer Plattenfirma („Die Kraft des Haptischen, ha ha … Davon war die Musikindustrie auch überzeugt.“), kommen auch ausgewiesene Verlagsexperten wie Helge Malchow und Matthias Ulmer zu Wort. Malchow sieht die Verlagsbranche „als Teil einer Revolution, wie sie vergleichbar vor 500 Jahre stattgefunden hat.“ und vermutet künftig „ganz neue Strukturen“, sagt aber realistisch: „Wie die aussehen, kann in Wahrheit noch niemand sagen.“ Matthias Ulmer warnt vor Entwicklungen wie in den USA, wo Amazon den Markt für E-Books bestimme und Texte für sein Lesegerät Kindle derzeit unter Einkaufspreis verkaufe.

Daraus zieht Matthias Ulmer den Schluss, dass der gesamte deutsche Markt mit der Preisbindung für E-Books stehe und falle. Zurecht fügt Matthias Ulmer jedoch an dass die Buchpreisbindung rechtlich noch nicht eindeutig für E-Books formuliert sei, er selbst aber davon ausgehe, dass das Gesetz auch für E-Books gelte. Diese Aussage Ulmers, immerhin Vorstandsmitglied im Verlegerausschuss des Börsenvereins, wird flankiert von einer aktuell abgegebenen, vieldiskutierten Stellungnahme des Börsenvereins selbst zur Preisbindung von E-Books. Der Börsenverein spricht sich nunmehr „angesichts der inzwischen deutlicher gewordenen Marktverhältnisse“ erstmals für eine klare Preisbindungspflicht für E-Books aus. Er teilt aber gleichzeitig offen mit, dass der Börsenverein selbst noch „vor einigen Jahren“ zu der „vorläufigen“ Einschätzung gelangt sei, dass E-Books preisbindungsrechtlich gleich zu behandeln seien wie Hörbücher, also allenfalls empfohlene Ladenpreise, jedoch keine gebundenen Preise gelten.

Explizit vertritt der Börsenverein also nun das Gegenteil dessen, was bis vor kurzem noch seine Auffassung war. Diese Meinungsänderung verdient es, näher betrachtet zu werden:

Die bisherige Stellungnahme, „vor einigen Jahren“ abgegeben, ist gerade mal drei Jahre alt, sie wurde im Oktober 2005 von der Rechtsabteilung des Börsenvereins vorbereitet. Schon allein die damalige Schwerpunktsetzung aufs Juristische zeigt, dass E-Books vor drei Jahren noch keine wirkliche Bedeutung beigemessen wurde. Das ist nun ganz anders. Die aktuelle Börsenvereins-Haltung zur Preisbindung von E-Books ist deshalb auch nicht mehr juristisch ausgerichtet, sondern wirtschaftlich und branchenpolitisch motiviert. Sie ist wohl vor allem vor dem Hintergrund der erwarteten Amazon-E-Book-Offensive zu verstehen. Zweifelsohne ist sie auch verbandspolitisch sinnvoll und ökonomisch wünschenswert.

Im Rahmen einer Rechte-Kolumne interessiert aber vor allem die Frage, ob die rechtlichen Hintergründe aus dem Jahr 2005 auch heute noch gelten und mit der nunmehrigen Börsenvereins-Haltung in Einklang stehen. Hier gilt folgendes:

Preisgebunden sind nur Bücher, ihre Reproduktionen oder Substitute. Darunter sind Produkte zu verstehen, die dazu bestimmt sind, herkömmliche, gedruckte Verlagserzeugnisse zu ersetzen, also die auf gedruckte Bücher gerichtete Nachfrage ganz oder teilweises zu befriedigen. Auf den ersten Blick haben E-Books diese Substitutionsfunktion: Wer einen Titel als E-Book liest, kauft das gedruckte Buch dazu vermutlich nicht mehr. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Substitutsfunktion ausdrücklich bisher für körperlich vorliegende CD-ROMs bejaht. Es liegt deshalb nahe, dass der Börsenverein sich in seiner aktuellen Stellungnahme pro-E-Book-Preisbindung explizit auf dieses Urteil beruft.

Die Ausarbeitung der Rechtsabteilung des Börsenvereins aus dem Jahr 2005 selbst aber warnte gerade vor einer vereinfachenden Übertragung der CD-ROM-Entscheidung des BGH auf E-Books und damit vor einer vorschnellen Annahme des Substitutscharakters von E-Books. Als Argument verwies der Börsenverein darauf, dass zum einen E-Books im Vergleich zu CD-ROMs nicht physisch vorlägen und über zahlreiche multimediale Zusatzfunktionen verfügten. Zum anderen seien CD-ROMs traditionell wie gedruckte Bücher über den stationären Buchhandel vertrieben worden, während E-Books übers Internet vertrieben werden. Weiteres Argument für die ablehnende Stellugnahme des Börsenvereins war, dass es bei der BGH-Entscheidung um eine Preisbindungsfähigkeit und nicht -pflicht gegangen sei. Deshalb bedürfe die Annahme einer Preisbindungspflicht einer besonderen Rechtfertigung, die nur aus den besonderen, mit der Preisbindung verfolgten kulturpolitischen Zielen heraus zu rechtfertigen sei.

Dieser schützenswerte, rechtfertigende kulturpolitische Zweck könne nur die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit dem Kulturgut Buch sein. Da E-Books aber nicht in Buchhandlungen angeboten würden, habe der preisbindungsrechtliche Schutz von E-Books, so noch 2005 der Börsenverein, keine positive Auswirkung auf Buchläden, sondern nur auf die E-Book-Anbieter, deren Schutz aber wohl nicht kulturpolitisch gewünscht sei.

Hier verkannte der Börsenverein vielleicht, dass die Preisbindung von E-Books nicht so sehr – direkt – deren Anbieter schützten würde, sondern indirekt eben doch die traditionellen Buchhandlungen, da sie indirekt in Konkurrenz mit den E-Book-Anbietern treten und bei Geltung einer Preisbindung für E-Books auch künftig einem Preiswettbewerb standhalten könnten. Es ist anzunehmen, dass sich der Börsenverein aktuell anders zur Frage der kulturpolitischen Rechtfertigung äußern würde.

Interessant aber ist das letzte Argument des Börsenvereins contra Preisbindung: Aufgrund der Internationalität des E-Book-Marktes könne eine Preisbindung faktisch nicht gewährleistet werden, weil es keinen geschlossenen deutschen Markt gebe. Die Preisbindung aber sei nach § 4 des Buchpreisbindungsgesetzes für grenzüberschreitende Verkaufsvorgänge innerhalb der EU ausgenommen. Ausländische Anbieter könnten deshalb ohne großen finanziellen, technischen oder organisatorischen Aufwand E-Books preisbindungsfrei auch an Kunden in Deutschland verkaufen.

Damals hatte der Börsenverein noch den E-Book-Großhändler Mobipocket im Blick, der seinen Sitz in Frankreich hat. Laut Wikipedia ist Mobipocket übrigens eine Tochterfirma von Amazon.Com, die den viel beschriebenen Kindle bald auch in Europa einführen werden. Amazon.Coms „deutscher“ Ableger Amazon.de ist laut seinem Impressum der Handelsname für Amazon EU S.a.r.l. und Amazon Services Europe S.a.r.l und wird von der Amazon EU S.a.r.l., 5, Rue Plaetis – 2338 Luxemburg betrieben. Luxemburg ist Gründungsmitglied der EU.

Vor dem damaligen Mobipocket-Hintergrund sah der Börsenverein bereits das Problem, dass eine Ausdehnung der Preisbindung auf E-Books angesichts der bisherigen Erfahrungen mit der EU-Kommission (Stichworte: Streit um die Preisbindung auf Grundlage des Sammelrevers; Libro-Verfahren) dazu führen könnte, die deutsche Preisbindung insgesamt in Frage zu stellen. Angesichts der damals noch rudimentären Bedeutung des E-Book-Marktes kam der Börsenverein deshalb vor drei Jahren zum Schluss, das Risiko „eines neuerlichen Kampfes um die Preisbindung für gedruckte Bücher“ nicht einzugehen. Nunmehr ist die Bedeutung des E-Books sicher eine ganz andere als noch vor drei Jahren, was den stärkeren Handlungsdruck erklären mag; an dem vom Börsenverein damals geschilderten EU-rechtlichen Risikoszenario aber hat sich nichts geändert.

Es könnte also nach den damaligen Befürchtungen des Börsenvereins, die nichts an Aktualität verloren haben, drohen, dass rein faktisch wegen der Internationalität des E-Book-Marktes die Preisbindung nicht umgesetzt werden kann, aber allein der Versuch die ohnehin latent preisbindungskritische, weil stets preiswettbewerbsfreundliche EU-Kommission auf den Plan riefe.

{Rainer Dresen arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de

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