Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Rechtliche Aspekte des Heidenreich-Rauswurfs

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.
(Bertolt Brecht, Der gute Mensch von Sezuan)

Was beiden im jahrzehntelangen Bemühen um die Verbesserung der Lesekultur nicht gelang, schaffen sie nun mit ihrer Kritik am Fernsehen, nämlich als Aufmachermeldung die Seite 1 der BILD Zeitung zu zieren. Kaum hat sich die Verwunderung gelöst, Marcel Reich-Ranickis Fernsehschelte über Tage hinweg an allen Kiosken der Republik als scheinbar wichtigstes Thema zu begegnen, kann man davon ausgehen, von morgen an in BILD und überall sonst alles über Elke Heidenreichs ZDF-Rauswurf lesen können. Im Rahmen dieser Kolumne sollen deren rechtliche Aspekte kurz aufgezeigt werden.

Bekanntlich hatte Elke Heidenreich, im Saale anwesend und somit in der Lage, kompetent darüber zu urteilen, über die Verleihung des Fernsehpreises an Marcel Reich-Ranicki via FAZ u.a. geschrieben:

„Ich dachte, was für eine Zumutung diese armselige, grottendumme Veranstaltung für ihn sein müsse.“ Die nominierten Filme und Serien seien in der Mehrzahl „jämmerlich“. „Wie jämmerlich unser Fernsehen ist, wie arm, wie verblödet, wie kulturlos, wie lächerlich“. Und weiter: „Man schämt sich, in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten. Von mir aus schmeißt mich jetzt raus, ich bin des Kampfes eh müde.“

Daraufhin warf ihr der ZDF-Intendant Markus Schächter in einem vom ZDF (warum eigentlich?) veröffentlichten Brief Aggressivität vor und legte ihr nahe, die Zusammenarbeit mit dem ZDF zu überdenken. Ihr Vertrag mit dem ZDF über die Sendung „Lesen“ lief zu diesem Zeitpunkt noch bis Jahresende 2008 und umfasste zwei weitere, bis dahin noch zu produzierende Sendungen.

Diese wollte Elke Heidenreich „auf jeden Fall“ noch abliefern und dann über die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem ZDF reden, so ihre Worte in einem nachfolgenden, juristisch sehr klugen Beitrag für die FAS. Dort schrieb sie nämlich versöhnlich über ihre vorherige scharfe Kritik am Fernsehen und am ZDF im speziellen: „Ich gebe zu, das war scharf, aber es war auch nötig, denn wo keine Funken fliegen, brennt nichts. Jetzt brennt es.“

Dieser Brand war nun offensichtlich auch in einem sich anschließenden Briefwechsel zwischen ZDF-Programmchef Thomas Bellut und Elke Heidenreich nicht mehr zu löschen. Das ZDF kündigte heute den Vertrag mit Elke Heidenreich mit der zweifellos einem ZDF-Juristen aus der Feder geflossenen Begründung, mit ihren beiden Äußerungen in der FAZ bzw. FAS habe Frau Heidenreich die Ebene einer sachlichen Auseinandersetzung verlassen und das ZDF sowie einzelne seiner Mitarbeiter persönlich in nicht mehr hinzunehmender Weise öffentlich herabgesetzt. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem ZDF und Heidenreich sei dadurch so nachhaltig zerstört, dass eine gedeihliche und sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei.

Scheinbar vorbildlich zitiert das ZDF hier die Anforderungen des Bundesarbeitsgerichts an fristlose Kündigungen, was aber nicht bedeuten muss, dass diese auch erfüllt sind. Eine Kündigung kann, nicht nur bei Arbeitsverträgen sondern auch bei Dienstverträgen, dann ausgesprochen werden, wenn dem Kündigenden aufgrund Fehlverhaltens des zu Kündigenden das Festhalten am Vertrag bis zu dessen vereinbartem Auslaufen nicht mehr zugemutet werden kann. Hierbei sind umfassend alle Ursachen für das zur Kündigung Anlass gebende Verhalten zu werten und abzuwägen, ob demgegenüber das Vertrauen des Kündigenden in eine ordnungsgemäße, restliche Vertragserfüllung erschüttert oder gar verloren gegangen ist, insbesondere, ob bei notwendig persönlichem Kontakt noch eine gedeihliche Zusammenarbeit zu erwarten ist.

Nun kann man vielleicht der Ansicht sein, dass die erste Wortmeldung von Elke Heidenreich in der FAZ etwas harsch war und eine darauf gestützte Kündigung nicht völlig aussichtslos gewesen wäre. Elke Heidenreich aber hat sich dann aber via FAS ein zweites Mal und dann viel ausgewogener zu Wort gemeldet und ausdrücklich selbst die ordnungsgemäße Erstellung der beiden ausstehenden Sendungen zugesichert. Konnte deshalb tatsächlich das Vertrauensverhältnis in einem zur Kündigung Anlass gebenden Umfang erschüttert sein? Welche Art von Zusammenarbeit war hier gefährdet?

Und worin eigentlich lag die angebliche Herabsetzung der „einzelnen Mitarbeiter“ des ZDF? In den ja ausdrücklich und ausschließlich als Kündigungsgrund genannten FAZ/FAS-Texten liest man dazu: So zB, dass „weder Schächter noch Bellut noch Gottschalk dieses bitterböse Buch, nämlich Martin Walsers höchst umstrittene, von Gottschalk, kaum verließ Reich-Ranicki die Bühne, als ‚gutes Buch‘ bezeichnete, wenig verhüllte Reich-Ranicki-Karikatur Tod eines Kritikers, wirklich kennen …“. Hier vermischt sich alles, Unkenntnis, Unsensibilität, Oberflächlichkeit und bürokratisches Unvermögen“. Weiter liest man die deshalb erfolgte Bezeichnung der „Programmdirektoren und Intendanten“ als „verknöcherte Bürokarrieristen, die das Spontane längst verlernt haben, das Menschliche auch, Kultur sowieso“.

Liegt darin eine unzumutbare Herabsetzung der Herren? Oder müssen die aufgrund ihrer herausgehobenen Funktion im Unterhaltungsfernsehen eine derartige, zwar scharfe aber doch anlassbezogene Kritik vielleicht aushalten können?

Vor diesem Hintergrund wird interessant sein, zu verfolgen, ob es hier zum Rechtsstreit um die Kündigung kommen wird.

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