Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Schluss mit lustig? Satire vor Gericht

Die Meldungen häufen sich: Immer wieder gehen Betroffene gegen vermeintlich witzig-satirische Veröffentlichungen vor. Mal erfolgreich, mal nicht so erfolgreich.

Während der WM wurde bekannt, dass eine Comedy-Show beim WDR-Jugendradiosender „EinsLive“ Nationalstürmer Lukas Podolski auf den Arm nimmt. Der deutsche Stürmerstar Podolski fühlte sich durch Rundfunkbeiträge eines Podolski-Stimmenimitators verunglimpft und diffamiert, der unter dem Titel „Lukas‘ Tagebuch“ dümmlich lachend angebliche Kommentare Podolskis zu aktuellen Geschehnissen spricht.

Podolskis Management kündigte mit Unterstützung des DFB rechtliche Schritte an. Bis die Streitigkeiten zwischen ihm und der ARD geklärt sind, wollte der Fußballer dem öffentlich-rechtlichen Sender kein Interview mehr geben. Der WDR hingegen fand nicht, dass die Satire zu weit geht. Trotz Unterlassungsandrohung wurde die Serie fortgesetzt: Die „karikierende und humoristische Ansprache Prominenter aus Sport und Politik“ finde eine „hohe positive Resonanz“ beim Jugendsender „EinsLive“, entgegneten die WDR-Juristen.

Keine wirklich positive Resonanz fand das Unterlassungsbegehren Podolskis allerdings beim Landgericht München. Laut einer Pressemitteilung des Gerichts wurde der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen WDR betreffend der von dem Sender als Satire ausgestrahlten, vermeintlichen Tagebucheinträge von Lukas Podolski sang- und klanglos durch Beschluss abgelehnt. Mit seinem Antrag hatte der deutschen Nationalspieler ein umfassendes Verbot dieser Art von Hörfunkspots über seine Person gefordert. Die für Pressestreitigkeiten zuständige 9. Zivilkammer sah den Antrag angesichts seiner weiten Fassung einerseits als zu unbestimmt an. Zur Begründung ihrer Ablehnung schrieb die Kammer andererseits weiter:

„Selbst bei einer präziseren Antragsformulierung könnte die „Comedy“-Serie der Antragsgegnerin nur dann verboten werden, wenn die Abwägung zwischen der Pressefreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers andererseits zu dessen Gunsten ausfallen würde. Dies ist hier nicht der Fall. Die … Beiträge … sind handwerklich so schlecht gemacht, inhaltlich so dumm dreist, dass sie auf die Antragsgegnerin selbst zurückfallen. Weder wird sie der Hörer dem Antragsteller selbst zuschreiben, noch wird er denken, dass der Antragsteller auch nur entfernt so geistesschwach sein könnte, wie er dargestellt wird.“

Eine Beschwerde wurde gegen diesen Beschluss, der die Spots vom 2. bis 22. Juni 2006 betraf, nicht eingelegt. Der Beschluss ist damit rechtskräftig. Ein neuer Antrag aufgrund neuerlicher Sendungen wäre dadurch aber nicht ausgeschlossen.

Einstweilen erfolgreicher war da schon das Vorgehen des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck gegen das Satiremagazin Titanic. Vor dem Landgericht Hamburg hat der Politiker eine einstweilige Verfügung erwirkt. Grund des Streites war das Titelbild einer Ausgabe der Titanic. Die Redaktion untertitelte zu Zeiten der mittlerweile längst abgeschlossenen Jagd auf den Bären Bruno ein Foto des SPD-Chefs mit der Zeile: „Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab!“

Beck war laut RP-Online der Ansicht, dass es wenig mit Humor zu tun habe, wenn ein Mensch als Bestie bezeichnet wird, die abgeschossen werden soll. „Titanic“ wiederum reagierte mit Unverständnis auf die Befürchtungen von Beck. „Wir wollten die bärenverachtende Grausamkeit der bayerischen Bärenkiller geißeln“. Dafür habe man „einen Bären gesucht, der Lebensfreude ausstrahlt.“ Und bei dieser Suche sei man auf ein Foto von Beck gestoßen. Das Humor- und Satireverständnis der Redaktion fand offenbar wenig Gnade vor den Augen des Gerichts. Die Anwälte von Kurt Beck erwirkten eine Unterlassungsverfügung gegen den Titanic-Verlag, wonach es diesem untersagt wurde, das Heft mit dem Cover weiter zu vertreiben.

Sowohl der WDR als auch Titanic rechtfertigten ihre persönlichkeitsrechtlich brisanten, vermeintlich humoristischen Beiträge unter Bezugnahme auf Satire. Diese nämlich unterliegt als besondere Ausprägung der Meinungs- und Kunstfreiheit dem Schutz des Grundgesetzes, hat aber auch Grenzen: Zu unterlassen sind demnach satirisch gemeinte Aussagen dann, wenn sie nicht als fiktive oder karikaturhafte Darstellung erkennbar sind. Dann besteht die Gefahr, dass sie Beleidigungen (die Kundgabe von Missachtung) oder eine sog. Schmähkritik darstellen oder die Würde des Geschilderten im Kernbereich verletzen. Letzteres liegt dann vor, wenn es nicht mehr um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern allein die persönliche Diffamierung bzw. Herabsetzung im Vordergrund steht. Wann das der Fall ist, entscheiden die Gerichte aber, die geschilderten Fälle zeigen dies, durchaus differenziert, wobei es beim Satireverständnis offensichtlich ein Nord-Südgefälle zu geben scheint. Man könnte also das Zitat von Tucholsky „Was darf Satire? Alles!“ nach Lektüre der Münchner Gedankenführung ergänzen: „sie muss nur schlecht genug gemacht sein“.

Aus Gründen rechtlicher Vorsicht distanzieren sich sowohl Kolumnist als auch BuchMarkt-Redaktion hiermit aufs Schärfste von den Urhebern und sonstigen Verantwortlichen der vorstehend nur aus Gründen des Informationsinteresses unserer Leser überhaupt geschilderten Beispielsfälle. Deren Inhalte geben, wie der vergangene Bundestrainer sagen würde, in keinster Weise das Humor- oder sonstige Verständnis von Kolumnist und BuchMarkt wieder, sondern dienen nur als Anknüpfungspunkte, um den Begriff der Satire aus rechtlicher Sicht kurz zu erörtern.

Rainer Dresen arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: mail(Dresen-Kolumne@freenet.de

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert