Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Steilvorlage ins Abseits. Über das Dilemma der Übersetzervergütung

„Die Mehrzahl der Gesetzgeber waren Menschen, welche der Zufall an die Spitze der anderen stellte und welche fast nichts anderes zu Rate gezogen haben als ihre Vorurteile und ihre Narrheiten.“

Dieser etwas pointierte, mehr als zweihundert Jahre alte Ausspruch des französischen Philosophen Montesquieu kam einem mitunter in den Sinn, wenn man sich über die Qualität einiger legislativen Bemühungen der letzten Legislaturperioden Gedanken machte.

Nachfolgend soll es nicht um bekannte Kuriositäten wie etwa die Subventionierung von Windkrafträdern oder den Feldzug gegen Getränkedosen gehen, sondern um die vor nunmehr drei Jahren von einer machtvollen Allianz von Juristen, Verbandsfunktionären und Politikern initiierte Reform des Urhebervertragsrechts.

Seit der Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2002 können Autoren und Übersetzer auch nach Vertragsschluss von ihrem Verlag eine Erhöhung der einvernehmlich vereinbarten Vergütung verlangen, wenn diese nicht „angemessen“ ist. Angemessen, so der Gesetzgeber, sei die bisher schon in der Branche übliche und redliche Honorierung.

Die Verleger sind, anders als übrigens z.B. Politiker, nach allen einschlägigen Umfragen eine der angesehensten Berufsgruppen überhaupt und standen bis zu jenem Gesetz nicht im Verdacht, unredlich mit ihren Autoren und Übersetzern umzugehen. Deshalb hätte man das Gesetz eigentlich mit großer Gelassenheit behandeln können, hätten die Väter und die Mutter des Gesetzes hinsichtlich der Übersetzer nicht eine eigentlich unerhörte Unterstellung in die Gesetzesbegründung geschrieben:

Übersetzer seien bislang, so der Unrechtsvorwurf, von den Verlegern geradezu unredlich niedrig vergütet worden. Deshalb sei deren bisherige Übersetzervergütung nicht angemessen. Wie hoch eine demgegenüber angemessene und gleichzeitig die Zukunft der Verlage nicht gefährdende Vergütung aussehen soll, hat der Gesetzgeber nicht verlautbart, sondern späteren Verbandsgesprächen und Gerichtsverfahren überlassen.

Kein Wunder, dass die Übersetzer bzw. ihr Verband diese erstaunliche gesetzgeberische Steilvorlage in den freien Raum, man könnte auch sagen: ins Abseits, mit Begeisterung aufgenommen haben und fortan nicht müde werden, eine „reale Verdreifachung“ der Übersetzervergütung zu verlangen.

Ebenso wenig verwundert allerdings auch, dass die Verleger bislang wenig Bereitschaft erkennen ließen, sich auf die Verdreifachung der Übersetzerhonorare und damit auf unübersehbare Kostensteigerungen in wirtschaftlich ohnehin dramatischen Zeiten einzulassen.

Gespräche auf Verbandsebene zur Honorierung der Übersetzer scheiterten deshalb. Vermittlungsbemühungen auf Ministeriumsebene wurden von den dortigen Verantwortlichen wegen überzogener Forderungen der Übersetzer eingestellt.

Weitaus erfolgreicher verliefen übrigens die Gespräche über die deutschsprachige belletristische Autorenvergütung, wohl auch, weil hier die Gesetzesformulierung mangels Unterstellung bisheriger Unredlichkeit erst gar keine unrealistischen Forderungen der Autoren aufkommen ließ. Deshalb konnten die schon bisher üblichen und redlichen Standards als weiterhin angemessen festgeschrieben werden.

Auf dem Gebiet der Übersetzervergütung haben als Reaktion auf die festgefahrenen Verbandsgespräche mittlerweile, tatkräftig unterstützt von Gewerkschaftsseite, mehre Übersetzer Gerichtsverfahren gegen Verlage angestrengt mit dem Wunsch, die Verbandsforderung nach der „realen Verdreifachung“ durch Urteilsspruch umzusetzen.

Die üblicherweise sehr unterschiedlich urteilenden Gerichte in Hamburg und München haben nunmehr erste mündliche Verhandlungen durchgeführt. Dabei haben sie mit erstaunlicher Übereinstimmung zu erkennen gegeben, wie wenig nachvollziehbar für sie die gesetzgeberische Unterstellung ist, dass von allen Kreativen, die vom Wortlaut her unter die gesetzgeberische Forderung nach angemessener Vergütung fallen, ausgerechnet die Übersetzer den stärksten gesetzlichen Schutz genießen sollen.

So äußerten sich die Hamburger Richter zum Übersetzerwunsch auf Verdreifachung der Vergütung wie folgt:

„Kürzlich stand in der Zeitung, dass von den sämtlich hoch qualifizierten Absolventen der Hamburger Hochschule der Künste voraussichtlich lediglich 3% von ihrer Kunst werden leben können. Das ist eben die selbst gewählte Lebensführung. Wie soll man das ausgerechnet für die Übersetzer anders lösen?“

Das Münchner Gericht kommentierte einige Wochen später in einem anderen Prozess die Übersetzerforderung auf Verdreifachung der Vergütung wie folgt:

„Nachdem sich die Verbände nicht einigen konnten, liegt der Schwarze Peter nun also bei den Gerichten.“ … „Wir wissen auch nicht, was Angemessene Vergütung sein soll.“ … „Der Gesetzgeber sah sich, warum auch immer, zu Änderungen veranlasst, die für die Praxis weitgehend unbrauchbar sind, ein kryptisches Gesetz.“ … „Es gibt dazu keinerlei brauchbare Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren. Der bloße Hinweis auf die besondere Situation der Übersetzer hilft hier nicht weiter.“

Es bleibt abzuwarten, ob den klaren Worten der Gerichte in Hamburg und München entsprechende Urteile folgen werden. Die Hoffnung auf eine Gesetzesänderung ist gering: Die amtierende Bundesjustizministerin jedenfalls zeigte sich von den bisher bekannt gewordenen Kommentierungen des Gesetzes durch die Gerichte wenig beeindruckt. Sie meinte gegenüber einem sie darauf aufmerksam machenden Verlagsmitarbeiter kürzlich nur: „Das hat nichts zu bedeuten, das sind doch nur die Meinungen einzelner Gerichte.“ Das mag schon sein, aber immerhin sind es die Gerichte zweier bedeutender Verlagsstandorte.

Auch die Hoffnung, dass vielleicht in Zukunft einmal eine andere Regierungsmehrheit die Reform des Urhebervertragsrecht reformiert, ist sehr gering. Denn die Erfahrung zeigt leider: Die Regierungen mögen mitunter wechseln, die Gesetze aber bleiben.

Rainer Dresen, 40, arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de

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