Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen über die neue Tendenz im Medienrecht: Zuviel PR ist ungesund

Letzte Woche verhandelte das Landgericht Berlin über eine Millionenklage von Thomas Anders gegen Dieter Bohlen. Anders sah durch Passagen in Bohlens Buch «Hinter den Kulissen» seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Der 51-jährige Pop-Produzent hatte in seinem Bestseller behauptet, sein früherer Modern-Talking-Kollege habe Gelder einer gemeinsamen Tournee im Jahr 2002 in die eigene Tasche gewirtschaftet. Das Berliner Landgericht hatte Bohlen und dem Verlag bereits 2003 untersagt, die Äußerungen zu wiederholen oder zu verbreiten. Daraufhin wurde die zweite Auflage geändert. Nun ging es zusätzlich zur Unterlassung um Schmerzensgeld wegen angeblich gravierender Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
Dieter Bohlen befürchtete offensichtlich, auch in der Schmerzensgeldklage von Thomas Anders zu unterliegen. So zumindest deuten Experten der Bohlen-Forschung seine just am Morgen der Gerichtsverhandlung über das offizielle Bohlen-Presseorgan BILD verkündete Mitteilung, er habe beim Vater seiner Freundin Estefania via Handy um deren Hand angehalten. Zum Äußersten, also zu Hochzeitsplänen, pflegt Bohlen nur dann zu greifen, wenn er dringend positive PR über sich lesen will.
Bohlens Befürchtung, erneut vor Gericht zu verlieren, war durchaus realistisch, fand doch der Schmerzensgeldprozess vor eben jenem Richter statt, der im lange andauernden Streit um Passagen des Buchs „Hinter den Kulissen“ zwischen den ehemaligen Sangeskollegen von „Modern Talking“ stets Thomas Anders Recht gegeben und diverse Wortbeiträge verboten hatte.
Dieses Mal kam aber alles anders und Bohlens Eheversprechen wäre zumindest PR-technisch nicht erforderlich gewesen: Bohlens früherer Musikpartner ist mit seiner Klage auf eine Million Euro Schmerzensgeld spektakulär gescheitert. Das Berliner Landgericht wies die bisher bei weitem höchste Schmerzensgeldforderung in der deutschen Rechtsgeschichte zur offenkundigen Überraschung von Anders und seinen Anwälten vollständig ab. «Anders geht es nicht ernsthaft um Genugtuung, sondern um Aufmerksamkeit in dem Streit unter Künstlern», sagte Richter Michael Mauck. Das zeige schon die Höhe der verlangten Summe von exakt einer Million Euro.
Der höchste Schmerzensgeldbetrag, der bis dato von einem deutschen Gericht im Zuge von Presseveröffentlichungen übrigens auch durch Richter Mauck zugesprochen worden war, belief sich auf 78.000 Euro. Empfängerin war Prinzessin Caroline von Monaco. Richter Mauck kam deshalb vorliegend zur Überzeugung, dass Anders mit der Klage lediglich einen PR-Gag gestartet hatte. Seine Klage habe der Sänger via FOCUS-Bericht und dpa-Meldung just an dem Tag angekündigt, als er seine neue Single mit dem im nachhinein doppeldeutigen Titel „Just Dream“ vorstellte.
Zum persönlichen Showdown der Kontrahenten kam es beim Gerichtstermin zwar nicht. Die Anwälte aber legten sich laut Pressebeobachtern ordentlich ins Zeug. Das Buch sei geschrieben, „um damit Kasse zu machen“, schimpfte Anders-Anwalt Christoph Meyer-Bohl. Es sei ein Millionengewinn gemacht worden. Die „diffamierenden Krawallgeschichten“ seien quasi eine verkaufsfördernde Maßnahme gewesen. „Das Buch steht bei 200 000 Leuten im Regal, wird immer wieder gelesen.“ Aus der Ecke von Bohlen und seinem Verlag Random House gab es dafür schallendes Gelächter. „Das ist ja gerade der Witz bei diesen Büchern, dass man sie nicht noch einmal liest.“ Anders habe den Streit mit Bohlen berechnend als Werbemaßnahme genutzt. Nicht zufällig habe er seine Millionenforderung just an dem Tag angekündigt, als seine letzte Single auf den Markt kam.
Anders-Anwalt Meyer-Bohl sprach nach Abweisung der Millionenklage von einer für ihn unverständlichen Entscheidung und will die Chancen einer Berufung prüfen. «Bisher hat noch kein deutsches Gericht die Auffassung vertreten, dass der Betroffene einer Berichterstattung seinen Anspruch auf Geldentschädigung verliert, wenn er sich selbst in den Medien zur Wehr setzt.» Managerin Gaby Allendorf sorgte sich indes mehr um die emotionalen Auswirkungen des Prozessausgangs auf den sensiblen Sänger und wies darauf hin, Anders als Sänger und Familienvater habe Schaden genommen. «Es kratzt an der Seele, es schmerzt», kommentierte die Managerin den Ausgang des Prozesses.

Rainer Dresen, 40, arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert