Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Was tun bei Zugverspätung durch Streik? Oder: Wer zu spät kommt, den entschädigt – vielleicht – die Bahn

Wer eine Zugfahrkarte kauft, schließt zwar einen Bahnbeförderungsvertrag, der nach den Regeln des BGB eigentlich als Werkvertrag gilt. Gleichwohl hat ein verärgerter Fahrgast, der eine Verspätung hinnehmen muss, keinerlei Regressmöglichkeiten nach dem allgemeinen Zivilrecht.

Möglich macht diese rechtliche Ausnahmestellung der Bahn die sogenannte Eisenbahnverkehrsordnung (EVO). Dort sind exklusiv Fragen der Haftung für Verspätung und Ausfall von Zügen geregelt.

Die Bahn haftet dem Reisenden nach EVO nur für den Schaden, der dadurch entsteht, dass die Reise (das sind nur Fahrten über 50 km bzw. über einer Stunde Fahrt) wegen Ausfall, Verspätung oder Versäumnis des Anschlusses nicht am selben Tag fortgesetzt werden kann oder dass unter den gegebenen Umständen eine Fortsetzung am selben Tag nicht zumutbar ist. Der Schadenersatz umfasst die dem Reisenden im Zusammenhang mit der Übernachtung und mit der Benachrichtigung der ihn erwartenden Personen entstandenen angemessenen Kosten.

Die Bahn ist von dieser Haftung befreit, wenn der Ausfall, die Verspätung oder das Anschlussversäumnis zurückzuführen ist auf außerhalb des Eisenbahnbetriebes liegende Umstände, die der Beförderer trotz Anwendung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte, oder auf Verschulden des Reisenden oder auf ein Verhalten eines Dritten, das der Beförderer trotz Anwendung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen er nicht abwenden konnte.

Da diese Haftungsbeschränkungen als zunehmend kundenfeindlich angesehen wurden, hat die Bahn in ihren allgemeinen Beförderungsbedingungen eine Verbesserung der Rechte bei Ausfall und Verspätungen zugestanden.

Folgende Rechte bestehen demnach im Nahverkehr:

Verpasst ein Reisender den Anschluss an einen anderen Zug oder an die letzte Verbindung im öffentlichen Nahverkehr oder der Zug fällt gar ganz aus, so kann er auf die Weiterfahrt verzichten und bekommt den Fahrpreis für die Strecke, die er nicht gefahren ist, wieder zurück. Er kann aber auch auf die Weiterfahrt verzichten und mit dem nächsten geeigneten Zug zum Ausgangsbahnhof zurückfahren, plus den Fahrpreis erstattet bekommen, oder er kann die Reise ohne zusätzliches Entgelt mit einem anderen Zug fortsetzen. Wenn ein Reisender aufgrund einer Verspätung oder Ausfall eines Zuges seinen Anschlusszug oder seinen Anschluss an den Öffentlichen Personennahverkehr verpasst und deshalb sein Ziel nicht bis 24:00 Uhr erreichen kann, hat er Anspruch auf Erstattung der Taxi- bzw. Hotelkosten in angemessenem Umfang.

Folgende Rechte bestehen im Fernverkehr:

Bei einer Verspätung von Zügen wie des ICE/ IC/ EC um mehr als 60 Minuten erhält der Reisende einen Entschädigungsgutschein in Höhe von 20 % des Fahrkartenwertes für die einfache Fahrt. Die Höhe der Entschädigung beträgt mindestens 5 EUR. Die Verspätung muss am jeweiligen Endbahnhof vorliegen.

Es besteht aber kein Anspruch auf Entschädigung, wenn der Ausfall, Verspätung oder Anschlussversäumung darauf beruht, dass ein Ereignis eintrat, welches außerhalb des Eisenbahnbetriebes liegt und welches das Unternehmen auch bei gebotener Sorgfalt nicht hätte verhindern können (z.B. Spontaner Wintereinbruch). Zudem wird die Bahn von der Haftung entbunden, wenn Ausfall, Verspätung oder Anschlussversäumung auf dem Verhalten Dritter beruhen (z.B. Betonblöcke auf den Schienen).

Den Gutschein kann man innerhalb eines Jahres beim Kauf einer Fahrkarte oder BahnCard einlösen. Der Betrag wird nicht bar ausgezahlt.

Weil die Bahn Streik aber als höhere Gewalt einstuft, haben Kunden laut einem Bahnsprecher im Falle von streikbedingten Verspätungen keinen Anspruch auf die soeben beschriebenen Leistungen.

Das sieht die „Schlichtungsstelle Mobilität“, die Reisenden bei der Durchsetzung ihrer Rechte behilflich ist, ganz anders: Schließlich habe die Bahn Einfluss auf den Gang der Tarifverhandlungen und könne den Streik verhindern, erklärte eine Sprecherin der Schlichtungsstelle. Sie rät Kunden, in jedem Fall eine Entschädigung zu verlangen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Angesichts dieser Rechtslage nur ein schwacher Trost:

Bei Problemen wegen der Warnstreiks bei der Bahn haben Reisende aber zumindest die Möglichkeit, ihre Tickets kostenlos umzutauschen oder sich den Reisepreis erstatten zu lassen, sollten sie die Fahrt nicht antreten.

Wer wegen der angelaufenen Warnstreiks seinen Anschlusszug verpasst, darf laut Bahn unter Umständen in den nächstmöglichen Zug steigen, auch wenn damit eine höherwertige Verbindung in Anspruch genommen wird und man dafür eigentlich keine Karte besitzt. Unter Umständen können Reisende eine teurere Verbindung nehmen. Die Entscheidung darüber werde aber im Einzelfall vor Ort getroffen.

Rainer Dresen arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de Die vorherige Kolumne lesen Sie hier: [mehr…]

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