Der Messe-Mayer Samstag: Dealer, Callgirls, Präsidenten

Liebe Freunde,

gewiss klingt der heutige Tagestitel ein wenig reißerisch. Aber so leid es mir tut (und das tut es nicht), ich habe heute tatsächlich einen Dealer, ein Callgirl und einen Präsidenten getroffen. Also getrennt, einzeln! (Na, das wäre ja auch was.)

Aber der Reihe nach.

Vater und Sohn in Reportermission

Weil ich heute ein Interview mit Jeff Kinney habe – dem Schöpfer von Gregs Tagebüchern bei Baumhaus -, habe ich einen Sachverständigen für die Alltagsprobleme von genervten Grundschülern mitgebracht: Herrn Mayer junior.

Jetzt kann rein gar nichts mehr schiefgehen.

Das Comiczentrum in Halle 3.0 ist unsere erste Anlaufstelle, weil wir hier schon mal in Jeff Kinneys Nähe sind, während wir am magischen Aktionsbändchen ziehen. Das Aktionsbändchen ist ein Zauberreif, der bei einer Handvoll Ständen ein Getränk oder eine Stärkung oder ein Dingsaway auslöst. Das Comiczentrum zum Beispiel versprach ein kleines Frühstück, und tatsächlich erhielt ich das kleine französische Gedeck:

Saft, Kaffee und Croissant!

Hätte ich mir nur mal Marmelade mitgebracht.

Natürlich kann man auf dieser Messe mannigfaltig frühstücken, aber hier im Comiczentrum gibt es halt für uns auch was zu Sehen:

Das ist aber nicht Walt Disney.

Am Lübbe-Stand angekommen, waren wir aus zwei Gründen anscheinend ein Blickfang: Erstens hatte ich wieder meine Katzenöhrchen an, weil ich das am CosPlay-Wochenende immer tue und mich neuen Formaten generell schwer öffne; zweitens weil wir beide so geile schwarze Anzüge trugen.

Tatsächlich wollte die Konkurrenzpresse gerne unser Einverständnis, bevor sie uns fotografierte.

Ach, da braucht man eine Erlaubnis?

Inzwischen ist auch der echte Greg aufgetaucht, um meinen Sohn zu aufzufressen. Ach nein, halt, das ist gar nicht so. Diese Walk Acts sehen für mich immer so bedrohlich aus. Mein Sohn fragt, ob da Jeff Kinney selber drin steckt. Ich antwortete, das könne ich mir unter Stefan Lübbe durchaus vorstellen.

Wir bekommen eine Interviewkabine zugewiesen und lernen endlich Jeff Kinney kennen. Ich treffe ihn in diesen Tagen schon zum zweiten Mal und bin verblüfft, was das für ein ruhiger, höflicher, zurückhaltender, bescheidener und in höchstem Maße unauffälliger Mann ist.

Die vierten Grundschulklassen der hessischen Weinbergschule haben sich Fragen ausgedacht, die ich unverfälscht und ungekürzt Jeff Kinney vortrage.

Buchmarkt / Weinbergschule: Haben Sie Kinder?

Jeff Kinney: Ja, ich habe zwei Jungs im Alter von sieben und neun Jahren.

Wie kamen Sie auf die Idee, Gregs Tagebücher zu schreiben?

Ich wollte Zeitungscartoonist werden, aber niemand mochte meine Zeichnungen. Deshalb habe ich versucht, aus den Bilderwitzen Bücher zu machen.

Woher nehmen Sie Ihre Ideen?

Einige Ideen kommen aus meiner eigenen Kindheit, einige aus meiner Vorstellung, und einiges stammt aus dem heutigen Leben.

Wann wurde Ihr erstes Buch veröffentlicht?

Mal sehen… vielleicht am 1. April um halb drei? Nein, war nur ein Witz. Wie wär’s mit 2007?

Wie alt sind Sie?

41.

Malen Sie die Bilder in Ihren Büchern selbst?

Ja, das tue ich.

Warum ist Gregs Freund Rupert so wunderbar dämlich?

Ich denke, das weiß ich gar nicht. Es gibt eben solche Paare, die gut zusammen funktionieren, aber ich weiß nicht, warum das so ist.

Warum hat Greg immer so viel Pech?

Weil er nicht perfekt ist und meistens selbst dran schuld ist.

Warum heißt Rodricks Band „Folle Vindl“?

Früher, in den 70ern und 80ern, gab es viele Bands, die sich absichtlich falsch geschriebene Namen gaben, z.B. Def Leppard, Lynyrd Skynyrd, Motörhead. Darauf wollte ich mit „Löded Diper“ statt „Loaded Diaper“ anspielen.

Wie gefallen Ihnen Ihre eigenen Bücher?

Ich denke, die Gags sind witzig, aber der Schreibstil könnte noch verbessert werden.

Wollen Sie noch viele Greg-Bücher schreiben?

Ja, ich möchte wenigstens noch drei weitere schreiben.

Wie lange brauchen Sie für ein Buch?

Neun Monate. Aber am ersten Buch schrieb ich acht Jahre.

Schreiben Sie ausschließlich Kinderbücher?

Ja. Das sind die einzigen Bücher, die ich je geschrieben habe.

Wollen Sie auch einmal für Erwachsene schreiben?

Nein, das will ich nicht. Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann.

Was machen Sie, wenn Sie mal keine Ideen haben?

Ich habe andauernd keine Ideen. Ich weiß nie, wann mal eine kommt.

Welche Farbe wird der neue Greg haben?

Hellgrün (zumindest in Amerika!)

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Internet-Seite zu gestalten?

Ich wollte, dass Kinder meine Arbeit sehen können, also habe ich sie ins Netz gestellt.

Wie sind Sie auf den Titel gekommen?

Die Bücher heißen nur in Deutschland Gregs Tagebuch. Überall sonst in der Welt heißen sie nämlich Tagebuch eines kümmerlichen Kindes, aber der deutsche Verleger sagte, so können wir das nicht nennen, sonst kauft das keiner. Also wurde der Titel im Deutschen geändert.

Wo leben Sie?

Ich lebe in Plainville, Massachusetts, in Amerika.

Macht es Spaß, Bücher zu schreiben?

Es ist schwer, Bücher zu schreiben. Ich habe ja auch einen Beruf, den ich ausübe, und da muss ich für die Greg-Bücher Zeit finden.

Ich hätte gedacht, dass Sie mit diesem Erfolg keinen Brotberuf mehr brauchen?

Das stimmt auch, aber ich liebe meine Arbeit.

Und welche Arbeit ist das?

Ich arbeite bei www.poptropica.com, das ist eine Website für Kinder.

Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten, auch und besonders im Namen der Klassen 4a und 4b der Weinbergschule Langenselbold!

Yes, that´s Part of the Deal.

Abschließend zeichnet er meinem Sohn noch einen Greg in ein Buch, das ich hier am Stand geklaut habe. Da hat er Einiges zu erzählen, wenn die Schule nach den Herbstferien wieder anfängt.

Sonst so los in den Hallen

Ich habe dieses Jahr noch kaum etwas von der Gourmet Gallery berichtet. Es wird aber auch viel gekocht jedes Jahr. Na gut, ich esse es ja auch alles auf. Lena Elster hat heute beim Kochen mit Kindern superleckere und halbgesunde Hamburger zubereitet. Ihr durchaus vernünftiger Hinweis darauf, dass scharfe Messer sicherer seien als stumpfe, kam auch fast überzeugend an. Man sollte aber bei Themen auf Messers Schneide Worte wie „bestenfalls“ lieber weglassen. Bestenfalls ist das Gemüse dann leicht und gut zu schneiden…

…und schlimmstenfalls hat der abbe Finger wenigstens eine exakte Schnittkante.

Bei Lappan hat man ans Ende der Schlange eine menschliche Boje gestellt. Das klingt nur auf den ersten Eindruck ulkig, aber es ist wirklich nötig. Am heutigen Samstag waren die Gänge so voll, dass man allenthalben stehen, stocken und stecken blieb in einer Drängeltraube. An Tagen wie diesen kann jeder Mensch, der vor mir stehen bleibt, das Ende einer Schlange sein, und ohne dass ich es merke, stehe ich dann eine geschlagene halbe Stunde für ein Autogramm von Nalini Singh an.

Das klebe ich mir morgen auch auf.

Bei Frech wurde das erfolgreiche Buch zum ARD-Buffet vorgestellt, indem man zwei Frauen hingestellt hat, die dann über Putzen reden. Silvia Frank hatte aber auch für alles eine Lösung, selbst für ein angenommenes Ballkleid voller öliger Marinade.

Darf man erfahren, was das für ein Ball war?

Hier kann ich endlich ein Bild präsentieren, auf das ich die ganze Messe über gegeiert habe: Die sympathische und präsente Neuseelandmessebotschafterin Tanea Heke war zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort wie ich, nämlich im Gedränge, und wir hatten beide ulkige Kopfbedeckungen und amüsierten Blickkontakt. Und klick. Ich kann ja sagen, das seien Hobbit-Ohren.

Einmal mehr haben mich meine Ohren weiter gebracht, als ich es ohne sie geschafft hätte.

Für heute und für diese Messe und für dieses Jahr verabschiede ich mich von Peter Hetzel, der ja immer schon Samstags heimfährt. Ich wage es aber nicht, ihn faul zu schelten, denn das ist er nicht.

Hier sieht man z.B., wie er fleißig bemüht ist, im Messe-Mayer aufzutauchen.

Kann man denn gründlicher arbeiten?

Sonja Taszies ziert sich erst, mir ihren Namen zu buchstabieren, weil sie womöglich denkt, das könne mich hindern, ihn hier zu missbrauchen oder gar neuzuerfinden. Haha, da habe ich aber schon bei einfacheren Namen weniger lange gefackelt, fragen Sie mal Frau Hennebaus.

Aber Sie fragen sich bestimmt schon ganz ungeduldig, wann denn die Dealer, Callgirls und Präsidenten kommen. Beim Mainzer gONZo-Verlag für randgesellschaftliche Außenseiterliteratur mit Schräglage treffe ich auf einen Schlag gleich zwei davon: Ex-Knackin und ehemaliges Callgirl Andrea Mohr, die Ihre Biographie Madame Chérie“ anbietet, und den nettesten Drogendealer der Welt, den scheinbar unkaputtbaren Howard Marks.

Diese Frau hat was mitgemacht.
Und dieser Mann auch,
aber er scheint es besser verkraftet zu haben.
He, die haben auch Katzencomics!

Eine interessante Halbwelt schart die Neigung zum Gonzo-Journalismus hier um sich. Gut, dass ich meinen Sohn im Getümmel bei Baumhaus verloren habe, das hier wäre nichts für ihn.

Bei Paperblanks hat man sich etwas Originelles einfallen lassen: Man hat zwei Karikaturisten fürs Wochenende an den Stand geholt. Der schwyzer Politcartoonist Carlo Schneider und seine Partnerin verewigten hier die Passanten.

Und gar nicht mal so schnell!
Aber anscheinend mit hohem Faszinationswert

Verlagsvertreterin und Buchwissenschaftlerin Alexandra Hildner opferte ihren eigenen Cartoon-Wartelistenplatz, um den Messe-Mayer vorzulassen. Das war sehr nobel, aber es bringt auch unangenehme Wahrheiten ans Licht:

Ich habe ja diese Ohren immer noch auf!

…und der Präsident?

Tja, und würde hier nicht noch der eingangs geprahlte Präsident fehlen, dann könnte mein Tag damit enden. Dass er es nicht tut, beginnt wiederum mit Michael Geißler, der mich bei Suhrkamp abfängt, um mir in Anspielung auf meine Fellohren extrem indiskrete Fragen zu stellen.

Zum Beispiel, ob mir dies irgendwo abgefallen sei.

Naja, und dann gerät man ins Gespräch und bemerkt nebenbei nicht, dass Treppen abgeriegelt werden, Menschenmassen aufmarschieren und Kamerareporter ihre unwürdigen Posten beziehen. Der bundesdeutsche Bundespräsident Joachim Gauck hatte ein Fotoshooting bei Suhrkamp. Und da ich nun den Stand nicht mehr verlassen konnte, musste ich bleiben. Aber bei den Suhrkamp-Damen war es sehr, sehr lustig und humorvoll.

Und zwar besonders, wenn man nirgendwo anders hinkann.

Es dauerte dann noch dreißig Minuten, bis der Präsident kam. Während dieser Zeit wurde die Menschenmenge im Gang immer größer und die Manieren der Fotografierwütigen immer besser. Ja, aber wo bleibt er denn nun, der Präsident? Da kommt er. Unter Applaus biegt er um die Ecke, als käme er gerade vom Nachbarstand Benedikt Taschen.

Und da ist er: Joachim Gauck feixt vor Inniglichkeit.
Und so sah das in Wahrheit aus.

Na gut, Gauck kam, poste und ging wieder. Bei Cäsar hörte sich das besser an, aber Sehen und Siegen waren für den Messesamstag keine präsidentialen Optionen. Trotzdem war ich froh, dass ich bei diesem aufregenden Happening dabeisein durfte.

Nicht zuletzt, um die reizende ukrainische Autorin Marjana Gaponenko kennenzulernen. Ich war der erste Mensch in ihrem Leben, den sie mit CosPlay-Ohren gesehen hat. Und sie war der erste Mensch in meinem Leben, der zur Begrüßung meine Strahlungswerte überprüfte. Geigerzähler sind heutzutage also nur unwesentlich größer als Taschenrechner aus den 80ern. Sie war von meinen Ohren so begeistert, dass sie sich auch welche wünschte!

Also habe ich ihr welche geholt.

Marjana Gaponenko, Geigerzählerin

Der Vertrieb fand es nicht ganz so lustig und erlaubte ihr, diese Öhrchen etwa 48 Sekunden lang zu tragen. Ich wusste nicht um die Reichweite vertrieblicher Macht. Ich tröstete Frau Gaponenko und sagte ihr, sie könne die Ohren ja dann später im Hotelzimmer tragen.

Und da flüsterte sie mir trotzig zu:
„Oder sogar auf der Straße.“

Vielleicht sollte ich mal was von ihr lesen.

Und das war mein Samstag. Ich habe nicht zu viel versprochen und weiß jetzt sogar, dass mein Becquerel-Spiegel sogar ganz leicht zu niedrig ist.

Hier, beim Rausgehen musste ich mich noch an Gaucks Limo vorbeidrücken, die er echt aber sowas von dermaßen rücksichtslos auf dem Gehweg geparkt hat, als ob er sich für den Präsidenten hielte.

Ich hab dann mal einen Zettel geschrieben, den mir die Bodyguards freundlicherweise direkt in den eigenen Hals gestopft haben
Gut, hier machen sich die Witze von ganz alleine, ohne dass ich sie hinschreiben muss

Ich wünsche Ihnen einen guten letzten Messetag!

Herzlichst,

Ihr
Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com
www.herrmayer.com

Weisheit des Tages:

E hara taku toa i te toa taki tahi engari taki mano no aku tupuna!

(Hier stehe ich alleine, doch hinter mir stehen Tausende)
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