Beckmann kommtiert Sein oder nicht sein: Was der Deutsche Buchpreis für Schriftsteller bedeutet, und: Ein großer Publikumserfolg macht sogar den schönsten Roman hässlich

Der Deutsche Buchpreis hat geschafft, was in unseren Landen bisher noch keinem Literaturpreis gelang: eine öffentliche Erwartungshaltung, also Neugier zu wecken.

Auf der diesjährigen Longlist des Deutschen Buchpreises stehen acht (!) österreichische Schriftsteller. Einer von ihnen, Thomas Glavinic, sogar mit einem Roman – Das bin doch ich (Hanser) -, der sich um den Deutschen Buchpreis und die Aufregungen und Enttäuschungen eines Autors dreht, der im vergangenen Jahr fest damit rechnete, mindestens auf die Shortlist zu gelangen, und leer ausging. Und der Autor heißt: Thomas Glavinic.

Es ist, obwohl doch eine traurige Geschichte, das amüsanteste und witzigste Buch über den gegenwärtigen Literaturbetrieb. Thomas Glavinic schildert seine Achterbahnfahrt zwischen Selbstüberschätzung und -zweifel, Hoch- und Katerstimmungen auf eine Weise, wie es wohl nur ein Schriftsteller aus Wien zuwege bringen kann, wo der Himmel bekanntlich eh voller Geigen hängt, wenn die Geiger nicht aus lauter Weltschmerz im tiefen Keller versacken.

Muss so ein Werk nicht furchtbar kitschig sein? Aber nein. Das bin doch ich ist alles andere als kitschig – weil Thomas Glavinic es mit einer großartigen Selbstironie geschrieben hat. Diesen Roman sollte jeder lesen, der einen Einblick in die Abhängigkeit eines noch jungen Schriftstellers vom Literaturbetrieb, von der Einsamkeit literarischen Langstreckenlaufens, von der Eifersucht und dem Misstrauen unter Künstlern gewinnen möchte.

Im übrigen liefert der Roman hochinteressante Seitenblicke auf Österreichs derzeit berühmtesten Erzähler: Daniel Kehlmann – den spektakulärsten Verlierer des letztjährigen Rennens um den Deutschen Buchpreis. Kein Wunder: Daniel Kehlmann ist wahrscheinlich der beste Freund von Thomas Glavinic, und gewiss sein weisester Berater und Tröster in misslichen Lebenslagen. Literaturagentinnen, -kritiker – und Preisjuroren bekommen gelegentlich ihr Fett ab, insbesondere Denis Scheck, ein ziemlich berühmter Redakteur beim Deutschlandfunk und Fernseh-Verreißer vom Dienst aller Titel, die nach „Bestseller“ riechen. Er scheint sozusagen die Verkörperung der sehr deutschsnobistischen Einstellung, dass nicht gut sein kann, was beim Publikum Erfolg hat.

„Daniel erzählt mir“, schreibt Thomas Glavinic auf Seite 206 des Romans, „Scheck hat die Vermessung der Welt vor einem Jahr über die Maßen gelobt. Seit ein paar hunderttausend Exemplare verkauft wurden, äußert sich Scheck von Monat zu Monat schlechter über dasselbe Buch. Neulich sagte er sogar, es sei ein Buch ohne jede Relevanz…“

Zu eben diesem Thema bringt das kommende BuchMarkt-Heft übrigens einen längeren Beitrag Pascal Mercier betreffend.

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