Der Messe-Mayer Sonntag: Nix wie heim

Liebe Freunde,

die Messe 2012 ist vorüber, und obwohl ich allen möglichen Quatsch mitgemacht habe, habe ich doch viel mehr verpasst als wahrgenommen. Und deshalb nicht zuletzt bin ich ja für Sie unterwegs. Der letzte Messetag bot nasskaltes Regenwetter und jede Menge Unbill.

Hier: trüb.
Hier: Unbill.

Diese freundliche Messemitarbeiterin trat nämlich sehr ernst an mich heran und bat, meine Karte kontrollieren zu dürfen. Da ich immer einen Satz illegitimer Messekarten bei mir trage, machte mich diese sehr gezielte Eingangskontrolle mulmig.

Mehr wollte aber die liebe Dame gar nicht: Nur einmal den Messe-Mayer verarschen.
Na, besten Dank.

Einiges war dieses Jahr viel besser als 2011: Dass Audi den Innenhof geräumt hat zum Beispiel, und dass das Lesezelt endlich wieder Teil der Messe und nicht Teil des hintersten Parkplatzes war. Obwohl das Wort „Audi“ ja schon irgendwas mit Zuhören zu tun hat.

Audifreie Zone

Steinhöfel

Endlich, nach all den Jahren, konnte mir Ulrike Dick vom Carlsen-Verlag ein Interview mit Andreas Steinhöfel arrangieren. Steinhöfel kommt nicht gerne auf die Messe, aber er hat sich Zeit für mich genommen. Der Autor von „Oscar & Rico“ und auch „Die Mitte der Welt“ hat sich meiner Fragen über Erfolg angenommen.

BuchMarkt: Es ist im Grunde schon alles über sie gefragt, beantwortet und dokumentiert.

Steinhöfel: Ja, das denkt man…

Wie geht denn nun dieser Tuntentest in Die Mitte der Welt?

Oh je, jetzt fragen Sie mich etwas Steinaltes aus dem eigenen Werk: Nicht werfen können, nicht schießen können, den Rest habe ich echt nicht mehr parat.

Es gibt nämlich ein Google-Problem mit Tuntentest. Google fragt dann immer Meinten Sie ‚Nuttentest‘?

(Steinhöfel lacht laut)

Seit dem zaghaften, aber umjubelten Debüt ist viel Zeit vergangen, und Sie werden immer noch umjubelt. Sie wurden mit allen denkbaren Preisen überhäuft und in einem Atemzug mit Kästner genannt. Wie betrachten Sie die Unterschiede zwischen damals und jetzt?

Ich bin ein unsicherer Autor. Wenn ich der Lektorin das neueste Buch präsentiere, dann geht mir der Arsch echt auf Grundeis. Ich will mich nicht selber kopieren, ich will immer was Neues machen, und das geht dann nur, wenn ich das Gefühl habe, ich habe etwas zu sagen. So habe ich immer gearbeitet. Inzwischen, über die Jahre, weiß ich, dass ich die Anerkennung der Leser habe. Das sind nicht so viele wie bei manchem Bestseller, aber mir genügt es. Eventuell willst Du auch die Anerkennung der Kritiker, aber am wichtigsten sind die Leser. Ich erlange eine gewisse Souveränität im Umgang mit Lesern und mit Medien, aber witzigerweise nicht mit meinen Texten.

Sie haben sich Ihre eigene Nische erschrieben. Buchhändler wissen ziemlich genau, was sie empfehlen können, wenn jemand „so was Ähnliches wie Steinhöfel“ sucht. Ist es da nicht schwer, sich nicht zu kopieren?

Nein. Ich schreibe wie ich schreibe. Ich habe letztes Jahr Texte von mir im Rahmen einer Vorlesung vorgetragen, und da fielen mir ganz überraschende Sachen auf, die immer wieder auftauchen in meinen Büchern. Abwesende Väter. Zwillinge. In ganz vielen meiner Bücher kommen Zwillinge vor. Darauf achte ich beim Schreiben nicht, aber man kann dann schon diese Merkmale suchen.

Sehen Sie sich als Star?

Nein. Das will ich auch gar nicht sein. Ich gehe nicht in Talkshows, ich stehe nicht in der Zeitung. Ich will meine Ruhe haben. Man kann nicht die Medien kritisieren und dann selber für die eigene Popularität auftreten. Da wirst Du unglaubwürdig. Deswegen habe ich auch seit Jahren keinen Fernseher mehr: ich schaue nichts, weil mich das alles total nervt. Alles geht nur noch in Extremen: Wo ist der neueste Sensations-Seller? Unter zwei Millionen Startauflage geht gar nichts mehr. Was soll der Scheiß? Und am Schluss beschweren sich alle darüber, wie stressig das Leben geworden ist und wie klein wir uns alle fühlen. Dabei machen wir uns dieses Leben selber. Viele mögen mich, und das ist toll.

Preise und Auszeichnungen waren nie ein Antrieb?

Nein. Das nächste Projekt ist der Antrieb. Preise sind toll, aber sie fühlen sich nicht mehr so toll an wie in den ersten Jahren. Letzten Endes bleibt man ein Mann, der seine Arbeit macht. Aber am Anfang, als das richtig losging, da merkt man gar nicht, wie man ganz langsam abhebt. Ich habe gute Freunde, die sagten dann: Du, das sei Dir alles gegönnt, aber weißt Du, wann wir das letzte Mal telefoniert haben? Das wichtigste ist doch, für die Menschen da zu sein, die man liebt. Das klingt banal, aber das ist es nicht mehr, wenn es Dir um die Ohren fliegt.

Arbeiten Sie nach wie vor als Übersetzer?

Doch, ja. Eigentlich war das ein zweites Standbein, aus finanziellen Gründen, und inzwischen mache ich es aus Spaß, seltsamerweise gerade weil es „halbkreativ“ ist, weil die Herausforderung nicht so groß ist wie beim eigenen Schreiben. Der Luxus macht Spaß, sich die Texte nun aussuchen zu können. Da will ich auch den Kontakt zur Bodenständigkeit nicht verlieren. Ich mache keine Drehbücher mehr, ich möchte eher beim Buch bleiben und nicht bei dem von vielen, vielen Menschen bestimmten Markt drumherum.

Was war die dümmste Frage, die man Ihnen je gestellt hat?

Die kam von einer Lehrerin: „Hätte das Buch auch einen anderen Verlauf nehmen können?“ Und ebenfalls von einer Lehrerin kam die Beschwerde, sie könne mein Buch nicht im Unterricht verwenden wegen dieser und jener Punkte, verbunden mit der Bitte, ich möchte doch dafür Sorge tragen, dass diese Punkte in der nächsten Auflage geändert werden.

Haben Sie reagiert?

So höflich es ging schrieb ich zurück, sie werde es vielleicht nicht glauben, aber ich habe das Buch gar nicht für ihren Unterricht geschrieben. Und wenn ich mir vorstelle, das so ein Umgang mit Literatur an die nächste Generation weitergegeben wird, dann verliere ich den Verstand. Da wäre ich gerne näher an den Kindern.

Ein Autor ist ja immer jede seiner Figuren. Wann sind Sie mehr Oscar, und wann mehr Rico?

Oscar wäre in seiner ekligsten erwachsenen Ausprägung ein Zyniker. Ich bin sehr zynisch, ich kann sehr verletzend sein. Oscar geht sehr rational an Zwischenmenschliches heran, sehr analytisch. Rico bin ich eher, wenn ich verzeihen will, wenn ich relativieren will. Wenn ich mich nicht über jemanden stelle, sondern die Menschen nehme, wie sie sind, dann bin ich mehr Rico.

Was ist das letzte Buch, das sie gelesen haben?

Timur Vermes, Er ist wieder da. Ich habe so gelacht. Ich habe auf dem Boden gelegen. Und dann immer wieder der Gedanke: „Ich darf jetzt nicht lachen!“ Hitler kann man in diesem Land niemals abhaken, und dieses Buch hat mir sehr imponiert.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Mitte der Messe: Steinhöfel und ich

Entschleunigung

Diese Messe war auch eine Messe der Entschleunigung. Ich habe an mindestens drei Aktionen teilgenommen, die erforderten, dass man sich mal ein paar lange Minuten auf seinen Hintern setzt und nichts tut außer Abwarten. (Eine der Stärken des Börsenvereins.)

So zum Beispiel die Karikaturen bei Paperblanks, der immer wieder verblüffende Illumat oder auch das Gesichtslesen bei Schirner.

Ich schau Dir in die Augen und sehe alles.

Der lesebegabte Mimikspäher konnte mir zum Beispiel attestieren, dass ich ein Genussmensch sei, aber endlich Schlaf und Eisen brauche. Und das ist ja schon mal eine Leistung.

Ebenfalls eine Art Speedreading, aber in literarischer Hinsicht, bekam man am Thüringer Gemeinschaftsstand, wo Goethes und Schillers jahrelange Brieffreund- und feinschaft in 15 Minuten gequetscht wurde.

Sozusagen die Twitterversion der Weimarer Klassik

Überhaupt war Thüringen das einzige Bundesland mit Gemeinschaftsständen. Wenn man mal davon absieht, dass die komplette Buchmesse ja eigentlich ein hessischer Gemeinschaftsstand ist.

Referent André Störr prahlt mit Thüringen in Frankfurt

Wannenbuch

Der Wannenbuch-Verlag hat eine Handvoll Badewannenbücher herausgebracht: Absolut wasserfest, kleine Auswahl von Krimi bis Schmacht, jeweils 5,- €uro, und ist in 15 Minuten gelesen. So lange hält das Badewasser die Temperatur.

Wir arbeiten noch an Goethes Schwamm und Schillers Seife.

Ein vergleichbares Produkt ist ja der kleinste Reader der Welt, der Pyrus Mini. Es wiegt genau so viel wie das Wannenbuch, ich will mich ebenfalls nur 15 Minuten damit beschäftigen und das Gerät dann versenken.

Ein Reader speziell für sehr kleine Menschen, also Lothar Matthäus oder Arnie.

Abschließender Gang durch die Hallen

Kiwi-Vetriebschef Reinhold Joppich fasst zusammen, dass es eine „lahme Messe“ gewesen sei. Wenn die Medien den Buchhandel immer wieder totschreiben, sollen wir uns nicht wundern, wenn wir tatsächlich etwas blutleer rüberkommen.

Eckt gerne an: Joppich

Beim ZDF wollte ich ein paar Kugelschreiber schnorren. Obwohl das ja gar kein Schnorren ist. Die jährliche Kugelschreiberversorgung ist Bestandteil meiner journalistischen Ausstattung. Das ist doch kein Schnorren. Und außerdem wollte man mir angesichts meiner Ohren statt Kugelschreiber lieber eine Schirmmütze aufdrängen.

Aber die Kulis kriege ich trotzdem?

Aber das ZDF war nicht der einzige Stand, der meine Ohrtracht zu kommentieren müssen glaubte. Bei Oertel & Spörer rief man mir spontan zu, dass man auch Tierbücher im Regionalia-Programm führe.

Ha. Ha. Ha.

Sinn für Ironie konnte ich wieder bei Michaela Naumann von Everbody’s public einsammeln: Weil mein Köfferchen immer so wichtig ist, habe ich extra ein paar Handschellen dazu geschenkt bekommen!

Shades of Wishtigtuing

Frau Naumann und Nele Süß haben Obdach erhalten bei Dr. Kerstin Schulz von der edition Körber-Stiftung.

Dafür kümmern sich Süß und Naumann um den Abwasch.

Ich weiß nicht, was man bei Arena weniger gerne sieht: Den großen Bücherklau…

…oder dass ich meinen O-Saft ins Bücherregal stelle.

Eine besondere Freude ist es für mich, wenn ich versprengte, ehemalige Eichborn-Mitarbeiter entdecke, die nach dem Bankrott erst mal verschollen waren. Zum Beispiel fehlte mir noch Dieter Muscholl, als ich ihn plötzlich entdeckte:

Dieter Muscholl habe ich bei Schöffling gefunden!

Hier im Bild mit Campus-Lektorin Waltraud Berz.

Bernd Spamer ist nun bei Westend, und Daniela Ebeling treibt sich sonstwo herum.

Schade, dass Frau Ebeling nicht mehr raucht.

Auch bei der eBuch verabschiede ich mich. Das Plansoll von Anabelisten und eBuchlern, das man sich für diese Messe vorgenommen hatte, wurde bereits am zweiten Messetag erreicht.

Seitdem drehen sie Däumchen.

Mittagessen bei Tre Torri

Für den abschließenden Sonntag haben sich Christine Schlötterer und ich ein Abschlussessen bei Tre Torri gewünscht. Leider ohne Ralf Frenzel, aber dann hat man wenigstens seine Ruhe beim Essen. Vom Verlagsprogramm konnte ich mir ja bereits mit Enie van de Meiklokjes ein Bild machen, daher können wir heute ganz entspannt dinieren. Frau Schlötterer findet Ewoks niedlich. Das sollte erwähnt und bedacht sein. Wer mag denn Ewoks??? Außer Frau Schlötterer natürlich.

Ewokfreie Kartoffel-Sellerie-Suppe, mjam.
Immer schon mit Eigenlöffel ausgestattet.

Auf den letzten Drücker rauschte noch die Frohnatur Rainer Sass durch den Stand, um Frenzel seine Aufwartung zu machen.

Frenzel nicht da, Aufwartung auch ohne ihn entgegengenommen.

Oh, und ein kulinarisch wenig relevantes, aber doch sehr drolliges Bild muss ich noch nachreichen, weil Matthias Seuring von Accente und ich beide orangefarbene Krawatten trugen irgendwann diese Woche.

Meine ist hässlicher.

CosPlay in Frankfurt

…wird auch immer weniger: Die CosPlayer nehmen zur Kenntnis, dass sie ins Congress Center ausgelagert werden, dass die Regelung zum freien Eintritt nicht mehr greift und dass immer weniger Manga-Aussteller und -verkaufsstände da sind. CosPlay ist immer mehr Leipzig, und immer weniger Frankfurt.

Vom ausgerufenen Hobbit-Cosplay habe ich auch kaum was gesehen. Hoffentlich haben wir uns da vor Peter Jackson nicht blamiert.

Die sehen aber echt echt aus. Bis auf die Flip Flops.
Ein einziger Gandalf auf der ganzen Messe!
Legalize it! Äh, Legolas it!

Ansonsten habe ich die üblichen Superhelden und Superschurken gesehen und wieder jede Menge Kostüme, die ich nicht verstehe.

Eines möchte ich aber hervorheben. Immer wieder sieht man Hogwarts-Schuluniformen, die nebenbei sehr fesch sind. Sowas hätte ich auch gerne getragen in der Schule. Aber selten nimmt sich jemand das Herz, der Maulenden Myrte Raum zu geben:

Beachten Sie vor allem den liebevollen Klodeckel.

Nach dem bahnbrechenden Erfolg von Timur Vermes‘ „Er ist wieder da“ darf man womöglich befürchten, irgendwann auch dem ersten CosPlay-Hitler zu begegnen.

Auf Wiedersehen, bis Leipzig oder bis nächstes Jahr!

Danke fürs zahlreiche Anklicken, danke für Ihre freundlichen Mails und Hinweise. Danke für alle Unterstützung seitens der Messe, sei dies durch Herrn Seuring oder Maren Ongsiek. Danke für alles Entgegenkommen seitens der Verlage, dieses Jahr vor allem Lübbe, aber auch an Ulrike Dick bei Carlsen. Herzlichen Glückwunsch, Knesebeck, zum Sondermann 2012 für Christoph Niemann.
Danke für Ihren Humor, Sie alle.

Danke, Lübbe, dass Euer Jerry Cotton optisch total bei Bond geklaut ist.

Mein Abschlussbild vom Illumat lautet: „Messe vorbei, jetzt KOMA.“

Und darin finde ich mich sehr gut wieder.

Herzlichst,

Ihr
Matthias Mayer
herrmayer@hotmail.com
www.herrmayer.com

Weisheit des Tages:

Toitu he whenua, whatungarongaro he tangata.

(Der Mensch geht, das Land bleibt.)
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