Der Messe-Mayer SONNTAG: Waringham und Doctor Who

Liebe Freunde,

Wer gibt denn seinem Kind Stereogramme aus den Neunzigern als Bilderbuch?

das war die Frankfurter Buchmesse 2015 mit dem Gastlande Indonesien. Das haben wir anhand vieler Diskussionen, Neuerscheinungen, Tänze und Speisen gemerkt. Es wird uns nicht lange kümmern, aber immerhin haben wir jetzt auch mal die Indonesier zu unserem Tanz eingeladen. Die Frankfurter Buchmesse ist der Wiener Opernball unter den Buchmessen der Welt. Aber die Holländer rasseln schon mit den Muscheln, wir müssen aufräumen und weitermachen.

Das Trendwort der Messe war „Haptik“. Zum einen als retrophysischer, greifbezogener Ästhetikdiskurs im Gespreize um die Akzeptanz des e-Books, zum anderen als Artikulation von Haltung und Lebensqualität bei der Frage, wie sich unsere Zeitungen, Bücher und Hefte anfühlen sollen, bevor wir sie ausgelesen ins Altpapier geben. Also klassische Probleme der Ersten Welt.

Das Wetter war am letzten Messetag endlich gnädig, so als könne das noch irgendetwas retten.

Kann es: Mein Foto von der Agora.

Ich werde Ihnen von ein paar Geschenken berichten,
von ein paar Ständen,
von ein wenig Speis und Trank,
von den ausgeflippten CosPlayern,
und ich werde Ihnen meine guten Restefotos zeigen,
und dann noch meine schlechten.

GESCHENKE

Die Buchmesse hatte auch wieder in Zusammenarbeit mit vielen lieben Verlagen ein glorioses Gutscheinheft angeboten, das Börsenvereinsmitglieder mit ihren Messekarten erhalten haben. Damit kann man dann von Stand zu Stand zockeln und kleine Geschenke kassieren.

Zum Beispiel ein schmuckes Kalenderchen von Dumont.

Ich habe nochmal bei meinen Freunden bei BLV vorbeigeschaut, weil wir immer nie zusammen Zeit hatten. (Für „immer nie zusammen“ melde ich vorsichtshalber Titelschutz an, das klingt wie gemacht für Cecilia Ahern.) Und das hat sich gelohnt:

Ich erfahre noch auf den letzten Drücker von der Radieschen-Produktlinie, die als Vertriebs-Props Rotfruchtschorle mit Radieschenfoto und Marzipanradieschen als Begleitung für den allerersten BLV-Krimi vorsieht.

Das klingt schon so, als ob ich es mir ausgedacht hätte.

Stories & Friends haben sogar edle Whisky-Miniaturen herausgegeben! Kein Wunder, denn es handelt sich um eine Whisky-o-thek, die Tastings vermietet. Ich habe eines der begehrten Fläschlein erhalten:

Aberfeldy aus den Highlands: Der hat mir gemundet. Orange, Fass und Karamell schmecke ich.

Und das hier ist ja wohl das allernützlichste auf der Welt: Waringham-Servietten für Rebecca-Gablé-Fans bei Lübbe.

Wer denkt sich sowas aus?

„Schatz, gib mal die Rebecca-Gablé-Servietten rüber.“

„Hast Du etwa Wein verschüttet?“

„Nein, das Baby hat gekotzt.“

„Dann hole ich lieber die mit Guido Cantz drauf.“

Die schönsten Geschenke des Tages aber bekomme ich erst am Ende der Messe und am Ende dieses Berichts. Vorher darf ich meinen kulinarischen Tag umreißen.

WAS ES GAB

Es gab ein Glas köstlichen, stärkenden Tomatensaft am Stand von Pendragon. Den gab es ebenfalls gegen Gutschein.

Und die Buchmesse fühlt sich ja auch tatsächlich an wie ein etwas zu langer Flug.

Am Mittage holte ich mir ein Schüsselchen Abfälle aus der Gourmet Gallery. Ich meine das nicht despektierlich, sondern bewundernd. Die Abfälle aus der Gourmet Gallery sind immer noch Klassen besser als alles, was wir zuhause hinkriegen.

Als Messesklave gelte ich in dieser Küche als ihresgleichen, und so teilen sie ihr Essen mit mir.

Tatsächlich ist dort in der Vorbereitungsküche immer eine Pfanne mit Zeug bereit, damit die Mitarbeiter etwas essen können. Was es gibt, hängt immer davon ab, was gerade übrig ist. Aber irgendwas ist immer übrig.

Am Stand des Buchhandels von Mexico werden Corona und süße, klebrige, cremige, mexikanische Biscuits gereicht. Ich hätte diese Kombination nicht gewagt.

Jippieeeeh! Arriba! Speedy Gonzales!
Und genau so haben sie auch geschmeckt.

und zum Abschluss der Leckereien zeige ich Ihnen nochmal den slowenischen Prosciutto von Wieser. Leider war ich nicht mehr da, aber wenn ich nur dran denke, schmecke ich ihn jetzt noch auf der Zunge.

Ist der alle geworden? Was machen Sie denn jetzt mit den Resten?

DIE STÄNDE

Viele fremde und bekannte Länder stellen die Literatur ihres Landes aus, aber oftmals geht es auch darum, schon bei der Standgestaltung zu zeigen, was man hat und kann.

Das ferne Land Dawanda im Hause Frech wartet mit einem wollenen Götzen auf:

Per Kralle bittet man um wollenes Gut. Machmal klappt es.
Den würde auch ich verehren.

Aber anbeten? ich weiß nicht.

Das Land Mexico hat einen Stand aus Holz und Seil und Kühnheit:

(In meiner Kindheit waren Figuren wie Speedy Gonzales noch politisch korrekt.)

Klare Farbcodes finde ich hier vor:

Rizzoli, New York: der grüne Stand.
Der gelbe Stand. War aber nicht Reclam.
Der orangene Stand. War glaube ich Penguin.
Ein ganzer Gang komplett in Schwarz: Frankreich.

Der Iran hätte ja einen Stand gehabt, aber wir hätten Gästeliste und Tischordnung besser mit ihnen abstimmen sollen.

Immerhin haben Sie eine Abwesenheitsnotiz eingerichtet.
Schlumpfhausen hat nicht abgesagt.

DAS COSPLAY

Das sind all die verkleideten Teenager, die durchaus Dinge auf sich nehmen, um ihren Wunsch-Charakter möglichst getreu umzusetzen.

Damit kommt man klasse überall durch

Und CosPlay bin ich, wenn ich meine Öhrchen aufhabe. Ich bin dann einer von ihnen, kann ungehindert durch ihre Reviere streifen und mich sogar zeitweise ihren Rudeln anschließen. Ich mache das zum Zwecke der Fotografie.

Ich bin die Diane Fossey der CosPlayer-Szene.

Traditionell mag ich traditionelle Kostüme, also alles, was literarisch ist oder wenigstens alt genug, dass ich es erkenne. Das trifft gottlob auf einige Superhelden zu.

Aus dem Hause Marvel sichte ich einen Wolverine, der tatsächlich so aussieht.

Dann muss man eben auch als Wolverine gehen.

Aus dem Konkurrenzhause DC-Comics: Dieser Steampunk-Pinguin zeigt, wieviel Mühe sich die Fans machen.

Wieso, ich habe doch nur meinen Hut aufgesetzt und bin auf die Messe gefahren!

Natürlich sind Hogwarts und Mittelerde nicht totzukriegen:

Hedwig reißt es raus.

Oft ist es erst die brillante Idee und ihre simple Umsetzung, die einen Auftritt adeln, wie hier bei der Joker-Bande aus The Dark Knight.

Hoher Wiedererkennungswert, tolle Gruppen-Idee

Riesenfreude, High Five: Schmendrick aus dem Letzten Einhorn ist ein liebenswerter, komstümsimpler Charakter. Auch hier ist es die Mischung aus originell (Hobbits und Lokis laufen hier viele herum) und simpel – ästhetisch ist Schmendrick ja eher eine Art Gegengandalf.

Man beachte auch das Einhorn!

Übler Auftritt niederster Triebe hässlichster Gewalt höchster Literatur: Alex, der Droog aus A Clockwork Orange.

Und gleich wird er mit Singing in the Rain anfangen, während er mich halb totprügelt.

Ebenfalls beliebt: Das Mischen von Genres. Cross-Overs aus zwei getrennten Narrativwelten.

Wo ist Zombie-Waldo?

Nicht nur Anthony Burgess, sondern auch Alexandre Dumas ist vertreten:

Einer für alle, alle fürs Foto!

Am Fuße von Halle 6 rotten sich dann noch zwei BBC-Fraktionen zusammen: Einmal Sherlock & Moriarty

Wo ist Watson, wenn man ihn braucht?

…und einmal diese sehr ergebene Truppe von Whovianern:

CrossCult, bleibt am Ball: Doctor Who ist dermaßen im Kommen!
Geht auch als CosPlay durch: Die TARDIS als Hut
Der elfte Doctor und ein Tardisgirl –
aber was ist das da im Hintergrund?
He! Das ist ja das Gesicht von Boe!

Herr Seuring! Ich wusste gar nicht, dass Sie nebenher auch photobomben!

BILDRESTE

Schreibtisch ist nun aufgeräumt, etliche Fotos blieben ungenutzt. Auf ein ausgewähltes kommen fünf, die stattdessen wegbleiben. Obwohl sie keine schlechten Fotos sind. Oh, und schlechte Fotos hat man noch mehr.

Zum Beispiel dieses hier von Guido Cantz, wie er meinen Sohn schlägt, ist eigentlich spaßig; ich hatte nur bisher keinen Platz dafür.

Wir hätten den ersten Treffer des Jungen auch zeigen sollen

Die meisten Reste habe ich fraglos von der Whisky-Verkostung am Samstagabend.

Und ich meine nach wie vor Fotos und nicht etwa anderen Reste.

Ich sage immer „Verkostung“, obwohl es das sicher nicht war. Da standen halt ein paar Flaschen und ein paar Gläser, und wie weit man sich von der Verkostung ins Delektieren hineinwagte, musste jeder selber entscheiden.

feierliche Eröffnung in Halle 3.1 um 18.22 Uhr
Womit Herr Langner, der Kenner, sicher kein Problem hatte.
Weltbürger Holger Ehling und Beck-Lektor Stefan Kilian
Mayer und Kilian

Und das waren ja alles anguckbare Bilder. Aber die noch viel besseren Reste sind ja immer die Bildunfälle und Gähnkandidaten. Fotos, die die Welt nicht braucht:

Wow, Zucchini! Das muss ich fotografieren!
Hallo, Herr Biemann. Obwohl Sie offensichtlich keine Lust darauf haben, fotografiere ich Sie trotzdem
Ich habe keine Ahnung, wie diese Kamera funktioniert. Egal, ich mache erst mal ein Bild.
Schauen Sie einfach nach oben, Herr Gmeiner, da mache ich schon irgendwas draus.
Mist, man sieht Gottschalk ja gar nicht. Ach, ich probiere es einfach trotzdem.

Und das war’s!

A B S C H L U S S

…das heißt: nicht ganz. Manchmal mache ich noch einen Nachklapp, wenn sich offene Fragen erst nachträglich schließen, wenn beachtliche Fotos erst nach der Messe auftauchen. Aber dieses Jahr ist der Nachklapp bis Dienstag gewiss, weil ich noch zwei oder drei Interviews nachreichen muss.

Sie haben Fotos, die noch in den Nachklapp gehören? Schicken Sie mir die! Ich freue mich.

Genau, so was.

Gegen 17.00 Uhr fand ich mich erschöpft am Stand von Emons ein, nachdem ich meine Kamera direkt in meinen Koffer hineinverloren hatte. Das Ende der Buchmesse ist ein wenig wie Silvester in New York: Sie können die ganze Nacht umherirren; entscheidend ist aber, wo Sie beim Glockenschlag sind.

Und Emons ist dafür eine gute Adresse, nicht etwa, weil ich dort reich beschenkt werde, sondern weil die einfach sehr, sehr gute Cola haben.

Reich beschenkt werde ich natürlich dennoch.

Hier bekomme ich nämlich Geräusch-Knopf-Dinger! Die sind ja so Klasse! Gibt es in Bayerisch, in Kölsch, in Berlinerisch! Und und und!

Und diesen prächtigen Bildband darf ich auch haben, weil man das Anguckexemplar nach einer Woche Messe ohnehin nicht mehr verkaufen kann.

Krasser, aber schöner Bildband: Wenn es Nacht wird in New York

Alte Polizeiaufnahmen – wer kommt denn bitte auf sowas?

Nun bin ich am Ende, für heute, für diese Messe und mit allen Fotos. Zwei habe ich noch, die mein Empfinden sehr gut bebildern:

Jep. Das trifft es in etwa. So fühle ich mich.
Und das trifft es auch in etwa.

Alle, die ich nicht besuchen konnte, empfangen mich hoffentlich voller Verzeihung in Leipzig. Ich freue mich über die vielen neuen Kontakte, die ich hatte, und mehr noch über Ihre vielen, vielen Klicks.

Mein Dank an die Redaktion für die Wildcard: Null Einschränkung, null Vorgaben, null Zensur. Muss man ja auch mal sagen. Ebenso mein Dank an alle, die hier mitmachen und sich abbilden und von mir verulken lassen.

Ich grüße und entschuldige mich bei allen, bei denen ich mich nicht verabschieden konnte. Aber so ist das auf einer Messe. Bis bald, Holger Ehling! Flieg weiter, Felix Busse.

Danke, Miss Messe Maren Ongsiek, für Unterstützung kulinarisch, moralisch, beruflich, organisatorisch, intersozial, seelisch nicht zuletzt. Und jetzt endlich: Schlaf.

Denken Sie an den Nachklapp! Hier auf diesem Kanal! Senden Sie mir Fotos!

Herzlichst,
Ihr und Euer
Matthias Mayer

Unerwartete Indonesier, Teil 6 von 6:
Alex und Eddie van Halen, großelterlicherseits.

herrmayer@hotmail.com

www.herrmayer.com

zur gestrigen Kolumne: [mehr…].

zu seinen früheren Kolumnen hier http://www.buchmarkt.de/content/kolumne.htm

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