Geheimnisse eines Agenten Teil 1: „Die Welt ist nicht genug“

Thomas Montasser

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser künftig regelmäßig über die Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs.

Der Literaturmarkt wird zunehmend bunter! Wer mit Rechten handelt, hat es schon seit längerem nicht mehr nur mit Verlagshäusern zu tun, sondern muss heutzutage auch potenzielle Interessenten auf dem Schirm haben, die es zum Teil vor wenigen Jahre noch nicht einmal gab.

Da ist der Hörbuchverlag mit Universalanspruch, der als Tochter eines internationalen Medienkonzerns gegründet wurde und „Originals“ zu produzieren gedenkt. Da ist der Filmriese mit amerikanischen Wurzeln, der in Deutschland produzieren will – idealerweise Stoffe, die in mindestens drei Bundesländern spielen, damit entsprechend dreimal Filmförderungen der jeweiligen Landesanstalten beantragt werden können. Da ist der eBook-Verlag, der neuerdings auch ins Print drängt. Da ist der Onlinehändler, der sich als Verlag ausgibt und endlich auch als Produzent von Literatur anerkannt werden will …

Sie alle reißen sich um gute Stoffe, typischerweise um dieselben. Denn nichts ist ja attraktiver als das, was alle anderen auch haben wollen. Für die Honorare der betreffenden Urheber ist das natürlich hilfreich. Honi soit qui mal y pense. Aber es geht dem klugen Agenten ja nicht nur um das Abgreifen möglichst hoher Vergütungen, sondern mindestens ebenso sehr um die kluge, bedachte Rechtseinräumung!

Und da kommt neuerdings eine Mode auf, die es in sich hat! Hatten sich die gediegensten Traditionsverlage schon vor Jahrzehnten von ihren Hausadvokaten Klauseln zurechtdichten lassen, wonach „der Autor“ neben all den Haupt- und Nebenrechten, die typischerweise in einem Verlagsvertrag übertragen werden, auch noch die „Rechte an allen bekannten und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unbekannten Nutzungsarten“ einzuräumen sind, taucht jüngst immer wieder die Klausel auf, wonach als „Vertragsgebiet“ nicht weniger als „im Universum“ gelten soll bzw. Rechte „throughout the universe“ eingeräumt werden sollen.

Der verständige Durchschnittsagent fragt sich an der Stelle natürlich, ob der betreffende Vertragspartner womöglich längst an einer Zweigstelle auf dem Mars arbeitet oder eine interstellare Ausstrahlung beabsichtigt, ob es ein Streamingabkommen mit etwaigen Bewohnern des Sirius gibt oder der Downloadcoad in weiser Voraussicht womöglich schon 1977 heimlich an Bord der Voyager 1-Sonde geschmuggelt wurde. Andererseits: Die gerichtliche Durchsetzung etwaiger illegaler Nutzungen durch Bewohner ferner Galaxien dürfte noch einige Zeit in Anspruch nehmen, selbst wenn wir unterstellen, dass die dortigen Prozessgegner weniger verliebt sind in Bürokratie und weltfremde Vertragsklauseln als unsereins.

Gleichwohl fand ich diesen Ansatz innovativ, aber nicht zu Ende gedacht. Denn was ist denn, wenn die Nutzung der von uns eingeräumten Rechte jenseits des uns bekannten Universums erfolgen soll? Die Autorinnen und Autoren haben schließlich Anspruch auf bestmögliche Auswertung ihrer Rechte! Deshalb haben wir uns dafür entschieden, einen Schritt auf die besagten Vertragspartner zuzugehen und ihnen die Augen für ungeahnte Möglichkeiten zu öffnen. Die Rechtseinräumung solle doch ganz einfach fortan „im Universum und darüber hinaus“ bzw. „throughout the universe and beyond“ erfolgen.

„Interessanter Ansatz“ befand einer der Partner und übernahm die Formulierung. Der andere sparte sich den Kommentar – und übernahm sie einfach auch. Man kann ja schließlich nie wissen.

Ein kleiner Schritt für uns, ein großer Schritt für die Menschheit! Paralleluniversen, wappnet euch! Ab jetzt wird nicht mehr kostenlos das Werk der Erdlinge geguckt, gehört und gelesen. Wir haben euch jetzt alle im Blick! Denn, wie heißt es so schön: Die Welt ist nicht genug.

Wider- oder Zuspruch:

An  thmontasser(at)montassermedia.de.

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