Geheimnisse eines Agenten Teil 10: Casino Royale

Thomas Montasser

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser regelmäßig über die Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs – heute geht es um Casino Royale:

Vor Jahren hatte ich die Idee, die unfreiwillig komischsten unverlangten Einsendungen zu sammeln und irgendwann in einem sehr speziellen Büchlein zu veröffentlichen. Als aus dem Büchlein innerhalb kurzer Zeit bereits eine halbe Bibliothek geworden war, habe ich das Vorhaben ad acta gelegt: Es sind einfach zu viele unsägliche Texte, unfassbare Absurditäten und unglaubliche Verrücktheiten, die auf eine Agentur einprasseln, selbst auf eine ganz kleine wie unsere. Besonders interessant sind in dem Zusammenhang übrigens autobiografische oder autofiktionale Texte und natürlich Ratgeber, vorzugsweise im Segment der Lebenshilfe.

Dazu muss man erwähnen, dass es früher immerhin noch einigen Aufwand erforderte, Agenturen zu recherchieren, Texte auszudrucken, zu kopieren, zu heften, Anschreiben zu verfassen und zuletzt alles einzutüten, zu frankieren und zur Post zu bringen.

Heute schickt jeder jeden Blödsinn mit einem Mausklick an alle. Natürlich auch an uns.

Wobei ich nicht ausschließen will, dass im Einzelfall auch wir es sind, die die Genialität einer Einsendung schlicht nicht durchblicken. Heute zum Beispiel, kein Scherz, mit dem Hinweis: „Bitte geben sie diese Nachricht einem oder mehreren Autoren ! :)“ der ernstgemeinte Hinweis: „Sie als Autor können mir helfen ! :)“

Wir erfuhren daraufhin, dass der Verfasser seit Jahren von Teufeln geplagt wird, diese sehen und auch hören kann (über Riechen stand nichts im Anschreiben). „Ich kann“, erfahren wir weiter, „auch sehen wie diese teufel zu anderen Menschen,Tiere,Pflanzen,… hinfliegen und ihnen schaden, Gott hat mir diese Teufel geschickt.“

Wir hatten schon Hexen, Wiedergeborene, Gestaltwandler, wir hatten Autor*innen, die andere Menschen zu heilen bereit waren, und zwar von allem, was man sich nur vorstellen kann – vorzugsweise durch Methoden, die Normalsterbliche nicht nachvollziehen können.

Hier nun: „Gott verhindert das ich meine träume leben kann. (Das macht er absichtlich..)“ Und dann die Bitte: „Könnten sie diese Probleme bitte für mich lösen indem sie sich eine kurze geschichte ausdenken und diese niederschreiben. Dann müssten sie diese Geschichte Gott vorlesen.“

Nun bin ich ja der Erste, der an die Allmacht der Literatur glaubt. Und doch befallen mich leise Zweifel, ob ich hier wirklich helfen kann.

Es gab übrigens noch ein P.S. und auch noch ein P.P.S. Wundert mich nicht.

Ich nehme an, diese Nachricht hat zeitgleich praktisch alle halbwegs namhaften Agenturen erreicht. Ich nehme auch an, kaum eine wird in Erwägung ziehen, das Projekt zu verfolgen. Und ich nehme an, sie werden damit richtig liegen. Kann aber natürlich auch sein, dass sich alle täuschen und nur den Megatrend der nächsten Jahre verpassen – literarischen Exorzismus! Hm. Vielleicht muss ich ja noch einmal darüber nachdenken. Man weiß bekanntlich nie. Unsere geliebte Branche bleibt ein Glücksspiel. Aber natürlich eines von der feinsten Sorte. Casino Royale sozusagen.

Frohes Fest!

Zuletzt schrieb Montasser über „den Mann, der zu wenig wusste“

 

 

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