Geheimnisse eines Agenten Teil 15: In tödlicher Mission

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser regelmäßig über Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs – heute geht es um die Frage: Macht es als Autor Sinn, eine KI zu nutzen?

Thomas Montasser

Okay. Früher oder später musste es so kommen: Die ersten Autoren schicken mir Exposés, die von einer KI entworfen wurden. Es sollte KW heißen: Kein Witz.

Was ich lese, verblüfft mich. Es klingt wie eine echte Story von einem echten Autor – die ich aber binnen Sekunden als untauglich verwerfen und ablehnen würde. Nicht weil sie schlecht ist. Sondern weil sie banal ist. Überflüssig. Beides. Die Story, die sich die KI überlegt hat, klingt wie eine von diesen Geschichten, die es tausendfach lieferbar auf dem Buchmarkt gibt und die völlig austauschbar sind. Heldin, Selbstfindung, Katharsis. Kann man machen, muss man aber nicht machen.

Die Frage, die mich beschäftigt, ist eine andere: Warum um alles in der Welt macht ein Autor so etwas? Warum ist er „nur mal neugierig“ und lässt sich „von der KI einen Plot entwerfen“??? Fragen wir mal anders: Ist es eine gute Idee, wenn Profiköche einen Thermomix für sich kochen lassen? Nur mal so. Aus Neugier. Nun, es gibt gute und nicht so gute Köche. Wenn man die besseren nimmt, dann kann es die Qualität eigentlich nur verschlechtern, oder? Nimmt man die schlechteren, dann … Oha! Was, wenn der Thermomix besser ist? Braucht es den Koch dann überhaupt noch?

So oder so – das Experiment kann nicht gut ausgehen. Ein Satz, den ich mir als Überschrift über vielen Projekten der Gegenwart vorstellen könnte. Wie Klonen. Oder wie den Upload des menschlichen Geistes zwecks Unsterblichkeit. Sowas. Kann dadurch irgendetwas besser werden? Ist es nicht vielmehr – zu Ende gedacht – ein Horrorszenario?

Man könnte meinen, die Tech-Branche sei in tödlicher Mission unterwegs, die nächste Stufe der Entwicklung sei die Abschaffung der Menschheit. Sicher, wir haben es in Jahrtausenden nicht gelernt, mal ohne Krieg auszukommen oder den Hunger zu überwinden. Das hat aber eher moralische als intellektuelle Gründe. Denn können würden wir, wenn wir wollten. Wir bräuchten demnach für die zentralen Probleme des Planeten wohl eher eine KM, also eine „Künstliche Moral“. Wer die festlegt? Vielleicht ein paar untadelige Tech-Freaks aus dem Silicon Valley oder aus Seattle, die wissen, wie man die Technologie massentauglich macht? Musks, Bezos‘, Zuckerbergs?

An die Segnungen der KI zu glauben, scheint mir jedenfalls eines nicht zu sein: intelligent. Vielmehr erscheint es mir naiv zu glauben, die künstliche Intelligenz könnte der menschlichen irgendwann überlegen oder auch nur ebenbürtig sein. Wenn es aber so wäre – wozu bräuchte es uns dann noch? Es würde genügen, einen selbstverdauenden Thermomix fürs Kochen zu erfinden, autonom fahrende Autos, die ihre Ziele selbst festlegen. Und computergenerierte Literatur, die sich selbst kauft, liest und rezensiert. Leser? Völlig überschätzt sowas. Genau, wie Autoren, Agenten, Verlage, Buchhandlungen …

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