Geheimnisse eines Agenten Teil 6: Dame König As Agent

Thomas Montasser

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser regelmäßig über die Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs – heute über die vielen Verlagsleute, die auf die Agentur-Seite wechseln:

Thomas Montasser: „Aber sobald der gemütliche Job mit dem festen Einkommen flöten ist, lockt auf einmal die Blutsaugerei und man sattelt vom hohen Ross einfach um und scheffelt selber Geld wie Heu“

„Worüber Sie auch mal schreiben könnten in Ihrer Kolumne, das sind diese ganzen Verlagsleute, die auf einmal Agenten werden.“

Der Kollege, der’s sprach, hatte da so seine Erfahrungen gemacht. Also: mit Leuten, die „die Seiten gewechselt“ haben und auf einmal nicht mehr in erster Linie die Verlagsinteressen im Sinn, sondern ein Herz für Autor*innen entdeckt haben. Überwiegend schlechte Erfahrungen offenbar. Aber ich kann ihn verstehen: Da musst du dir als Agent jahre- oder jahrzehntelang vorhalten lassen, du seist ja doch nur ein Blutsauger in dieser Branche. Aber sobald der gemütliche Job mit dem festen Einkommen flöten ist, lockt auf einmal die Blutsaugerei und man sattelt vom hohen Ross einfach um und scheffelt selber Geld wie Heu. Also: wenn’s klappt. Meist klappt es freilich nicht. Denn das Leben diesseits des Tisches ist ja leider ganz anders, als man sich das landläufig vorstellt.

Das fängt damit an, dass achtzig Prozent der Arbeit unbezahlt getan werden. Niemand kommt auf die Idee, Agenturen dafür zu vergüten, dass sie unverlangt eingesandte Manuskripte prüfen. Verträge ausfertigen? Gehört zum Service. Krisen managen? Irgendwer muss es ja machen. Zarte Dichter*innenseelen trösten, aufbauen, wiederbeleben? Geschenkt!

Womit wir beim nächsten Punkt wären: Autorinnen und Autoren brauchen verlässliche Partner, Bezugspersonen, die nicht ständig abwesend sind, weil man wieder umstrukturiert wird, ein neuer Job lockt oder das Lektorat außer Haus gegeben wird. Wer in drei Jahren drei Bücher veröffentlicht, hat gute Chancen, dabei in Lektorat, Verlags- bzw. Programmleitung oder Geschäftsführung mit drei verschiedenen Partnern zusammenarbeiten zu dürfen. Der beste Grund dafür ist noch das Karrierekarussell.

Es ist ja auch legitim. Man steigt auf, arbeitet sich nach oben, macht seinen Weg. Dame, König, As! Bis es eben irgendwann passiert und man aus der Kurve fliegt, sei es wegen Personalabbau, sei es wegen Unfähigkeit, sei es aus irgendeinem ganz anderen Grund. Und dann? Dann lockt die geheimnisvolle Tätigkeit als Agent/in. Das wollte man doch eigentlich immer schon. Also: heimlich. Denn offiziell hat man auf Agenturen ja geschimpft. Gehörte schließlich zum guten Ton. Dame, König, As, Agent!

Der eingangs zitierte Kollege weiß einige amüsante Stories zu erzählen, wie sich manche Lektorin, mancher Verlagsleiter nach dem Wechsel ins Agentenfach die Augen rieb, weil alles ganz anders war als gedacht. Weit weniger prickelnd, wie unsereins zugeben muss. Sehr viel biederer, geerdeter, verzweifelter. Champagnerfreie Zone sozusagen. All die großen Deals, von denen man so träumt, wenn man es nicht besser weiß: Es gibt sie. Aber irgendwie verblüffend selten in der eigenen Agentur. Stattdessen: Nörgeln, Friemeln, Regeln. Und jede Menge Beschwerden von beiden Seiten abpuffern: Die Autor*innen heulen sich über die unfähigen Verlage aus, die Verlagsleute über die unfähigen Autor*innen. Ständig muss man beide Seiten bei Laune halten und dafür sorgen, dass alle bei allem Unglück immerzu jubeln. Wie halt im echten Doppelagentenleben. George Smiley könnte ein Lied davon singen – wenn er singen könnte. So wie schon nach kurzer Zeit all die neuen Literaturagentinnen und -agenten.

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser regelmäßig über die Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs, zuletzt über den „Dritten Mann“

 

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