Das Interview mit Jochen Große Entrup im Septemberheft des BUCHMARKT hat, wie ich hoffe, im Buchhandel wie in den Verlagen mittlerweile viele aufmerksame Leser gefunden – und viele von ihnen nachdenklich gemacht. Wir müssen ihm für dieses Interview danken, weil er da ein paar delikate Dinge anspricht, die in der Branche sonst – unter herstellenden wie vertreibenden Kollegen – brav unterm Tisch bleiben.
Bei diesem Interview darf man nicht in Windeseile mit halbem Auge über den Text huschen; denn Jochen Große Entrup spricht – wie alle (ich meine, die leider sehr wenigen) Aktiven, die überhaupt noch den Mut aufbringen, offen über anstehende Handels- und Vertriebsfragen zu sprechen – sotto voce und pianissimo.
Vieles tippt er bloß in einem Nebensatz an, wie wenn es nebensächlich wäre. Ich erlaube mir hier nur einen Punkt anzuleuchten. So rührt er auch an eine Kernzukunftsfrage der Branche: Wie ein Verlag es heute schaffen kann, „neue Autoren, neue Programmlinien durchzusetzen“. Die Frage kommt Ihnen aber doch sehr vertraut vor? Klar haben Sie die Frage schon x-mal gehört! Sie gehört zum festen Repertoire aller Sonntagsredner und Seminare der Branche. Aber können Sie sich erinnern, eine einzige handfeste überzeugende Antwort auf diese Frage gehört zu haben?
Große Entrup aber reißt ein Zündholz an, in dessen Licht die Umrisse eines Riesenthemas erkennbar werden, das in den Marketing-Etagen der Verlage noch gar nicht angekommen scheint oder jedenfalls nicht als Problem erkannt wurde, das dringenden und grundsätzlichen Handlungsbedarf erfordert. Er stellt nämlich etwas fest, das bislang wohl keiner beobachtet, registriert oder gar erforscht hat, nämlich: dass es „leider auch über die klassische Pressearbeit immer seltener gelingt neue Autoren und Programmlinien durchzusetzen“.
Das ist, echt, ein Hammer – wenn Sie wissen, wie sehr auf vielen Sitzungen in wie vielen Verlagshäusern das kommerzielle Gelingen eines Autors, Titels oder Programms zur Aufgabe der Presseabteilungen gemacht wird. Immer größer sind sie in den vergangenen Jahrzehnten geworden, noch viel größer ist jedoch der Erfolgsdruck geworden, der auf sie abgewälzt wird. Und ihre immense Arbeit soll nun immer weniger bewirken?
Und wenn – wen das schon kümmert, wollen Sie wissen?
Dann bedenken Sie, bitte, dass die Buchhandels-, vor allem aber die Publikumswerbung der Verlage im Laufe der letzten Dekade drastisch zurückgefahren wurde. Zynisch gesagt: Die Verlage haben die Pressearbeit auch zum Zweck eines Alibis forciert – um den Abbau ihrer Werbung zu kaschieren.
Und so wie die Werbegelder dann laufend mehr für die Titel und Programmsegmente mit Erfolgsprofil bei geringstem Risiko beschränkt wurde, wird seit längerem schon auch die Pressearbeit auf „sichere“ Autoren, Bücher und Themen konzentriert, die sich leichterdings Massenmedien andienen lassen – wobei nun freilich selbst große Talkshows etc nicht mehr das Gelbe vom Ei garantieren, also…
Oder liegen solch alarmierende Hinweise weit vom Schuß?
Jochen Große Entrup stößt da spannende Fragen an.
Wo und von wem werden sie aufgegriffen?
Gibt es Antworten?