Beckmann kommtiert Warum die Buchbranche besser ist als ihr Ruf

Die diesjährige Buchmesse schien wie aus lang verflossenen heiter zukunftsseligen Epochen zu stammen“, so resümierte am Samstag unübertrefflich Uwe Wittstock in der Welt. Es war „eine Messe der unverzagten Gesichte, eine Messe der hoffnungsvollen Steuerleute, die ihre Unternehmensschiffchen beherzt durch die Klippen der Branche dirigieren. Eine Messe des Trotzalledem, die mitten im grauen Herbst einen farbenprächtigen Frühling herbeizuzaubern, herbeizuzwingen, herbeizuzelebrieren versucht.“

Dazu komplementär: Beste Laune allerseits auch auf dem Fest, das donnnerstagsabends – wie immer – die Verlagsgruppe Random House gemeinsam mit der DirectGroup (der Buchclubs des Hauses Bertelsmann) gab; diesmal, bei besonders üppiger Bewirtung, mit ungewöhnlich lang verweilenden zufriedenen Gästen und einem Gastgeber – dem Bertelsmann-Vorstand Ewald Walgenbach für die Direct Group -, der es sich nicht nehmen ließ, bis zum Schluss mit dabei zu sein. Etwa um ein Uhr früh stieß ich auf eine engagierte Mitarbeiterin, als sie endlich Zeit gefunden hatte, sich selbst ein Dessert zu gönnen. Sie aß mit sichtlichem Genuss. „Ja, ich genieße es wirklich“, erklärte sie, ein wenig schuldbewusst. „Auch weil ich mich frage: Wie lange wird es wohl noch dauern, dass wir so wunderbar feiern können?“

Es war eine gute Messe, weil sich die Branchenteilnehmer den Medien und der Öffentlichkeit positiv aufgestellt zeigten und die immer wieder beschworene Vielfalt der von ihnen publizierten Bücher, gerade auch von guten und interessanten Büchern tatsächlich präsentierten. Wunderbar, was es da bei großen wie kleinen Verlagen zu entdecken gab. Von einem in den Feuilletons so oft apostrophierten Verlust dieser Vielfalt war für jemand, der offenen Auges von Stand zu Stand ging, nichts zu erkennen.

Man kann nur hoffen, dass dieser Eindruck sich über das Jahr fortsetzt. Wie konnte es nur geschehen, dass der weitverbreitete Eindruck von der ‚Einheitssoße’ des Buchangebots entstand, mit dem Verlage wie Buchhandlungen so oft konfrontiert werden?

Was die Buchhandlungen betrifft, so sei hier ein interessantes Detail der Podiumsdiskussion des englischen Literaturfestivals in Cheltenham berichtet. Dort hatte der britische Schriftsteller und Whitbread-Preisträger Richard Neate dem Buchhandel den Vorwurf gemacht, nur mehr einen Einheitsbrei von Bestsellern und Mainstream zu verkaufen. Darauf Scott Pack – bis vor kurzem Chefeinkäufer des Großfilialisten Waterstone – klargestellt: Bestseller machen lediglich zwanzig Prozent des Umsatzes selbst dieser großen Kette aus. Mit anderen Worten: Achtzig Prozent des Umsatzes entstehen aus dem Verkauf eines breiten Spektrums von Titeln abseits des Mainstreams.

Bei uns wird es kaum anders sein. Die Buchhändler sollten sich fragen: Was machen wir falsch, dass unsere Arbeit und Leistung öffentlich in ein so schiefes Licht geraten ist? Was können wir tun, was müssen wir in unserer Präsentation vor Ort ändern, um diesen falschen Eindruck zu korrigieren?

Gerhard Beckmann freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

Weitere Beiträge der Kolumne „Beckmann kommentiert“ finden Sie im Archiv unter dem Stichwort: „beckkomm“.

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