Geheimnisse eines Agenten Folge 18 Thomas Montasser: Kiss Kiss … Bang Bang

Thomas Montasser

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser regelmäßig über Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs:

„Pssst! Wie geht’s Ihnen denn so? Ich meine: als Autorin. Ich an Ihrer Stelle würde mich ja aus dem Fenster stürzen.“

„Ehrlich? Wieso?“

„Sie könnten so viel mehr Erfolg haben. Und so viel mehr Geld verdienen! Schade, dass Sie keinen Agenten haben.“

„Aber ich habe doch einen Agenten!“

„Ach … Und der macht nicht mehr aus Ihnen? Also da würde ich aber wechseln. Wenn Sie wollen, können wir uns ja mal unterhalten. Ganz diskret, versteht sich. Sie und ich, da wäre schon deutlich mehr Feuer drin, finde ich.“

Es gibt Kollegen, die sich an Gespräche erinnern könnten, die sie sehr ähnlich geführt haben. Verstärkt in letzter Zeit. Gespräche mit Autorinnen und Autoren, die keineswegs eher erfolglos waren, sondern zu den erfolgreichsten und besthonorierten im Lande gehören! Große Namen stehen auf der Liste eines Kollegen, der sich zum Ziel gesetzt hat, unter den mächtigen Agenten der mächtigste zu werden. Und weil das normalerweise ein langwieriger und steiniger Weg ist, auf dem man lange Jahre Autor*innen aufbauen muss, sich auch durch Misserfolge nicht entmutigen lassen darf, sondern motivieren und inspirieren muss, auf dem man mit kleinen, manchmal sehr kleinen Verträgen anfängt in der Hoffnung, dass sich die Betreuung eines Tages lohnen wird, hat er beschlossen, diesen Teil des Geschäfts einfach zu überspringen: Wozu gibt es sie schließlich, die Erfolgsschreiberlinge? Da ist der Acker längst gepflügt, die Saat längst ausgebracht, die Ähren stehen voll im Korn – Zeit zu ernten! Nur noch den Trecker rausgeholt und schwupps aufs Feld des fleißigen Nachbarn. So geht Business! Im Agentengeschäft heißt das: Ansprechen, Charmieren, Küsschen hier, Küsschen da, schickes Abendessen, bisschen Luftschlösser bauen und dann ab zum Verwursten. Beim Verlag wird dann die Knarre ausgepackt und der große Zampano gegeben. Motto: Kollegialität ist was für Weicheier.

Um nun der Wahrheit die Ehre zu geben: Es gibt diese Methode. Sie ist nicht neu, sie ist nur bisher in unserem Sprach- und Kulturraum unüblich gewesen, die Amerikaner machen sowas öfter. Aber da machen es alle. Man charmiert die Klienten anderer Agenturen, verspricht ihnen goldene Zeiten und erntet dann, was Andere gesät haben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Agenturen dort drüben dennoch intensiv auch neue Talente aufbauen und fördern. Sie säen also auch.

Im Vergleich zu den USA sind die Sitten bei uns weniger rau, der Stil ist ein seriöserer, das Geschäft ist fairer. Allen gegenüber. Weil wir uns – Autor*innen, Agenturen und Verlage – als Teile von etwas Größerem sehen: Wir machen gute Bücher, wir sind Teil des Kulturlebens, Teil einer Gesellschaft, die als Ganze funktionieren muss. Deshalb sollte jeder, der in unserer Branche mitspielt, auch einen Mehrwert bringen. Wenn jeder sich nur noch selbst der Nächste ist, wird es schnell einsam. Kiss Kiss … Bang Bang ist einfach ein bisschen armselig für einen seriösen Agenten.

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