Independents 100 Jahre – 100 Lesungen: Gemeinsame Veranstaltungsreihe unabhängiger Verlage in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg startete mit Lesung in Berlin

Gernot Krämer, Ingo Držečnik

Nach all den nervösen Berichten über den Streit um Suhrkamp und den möglichen Verlust der „Suhrkamp-Kultur“ nimmt sich eine gemeinsame Aktion unabhängiger Verleger aus dem Umfeld der Kurt Wolff Stiftung geradezu wohltuend unaufgeregt aus:

Zeigt sie doch, dass es tatsächlich auch noch andere Verlage gibt, deren Autoren und Bücher nicht ganz unbedeutend sind: Anlässlich zweier runder Jahrestage – der Gründung des Kurt Wolff Verlags vor 100 Jahren und des 50. Todestags seines legendären Verlegers – haben diese nämlich eine Veranstaltungsreihe initiiert, die ganz unterschiedliche Buchpräsentationen in verschiedenen Städten im In- und Ausland unter dem griffigen Titel „100 Jahre – 100 Lesungen“ miteinander vernetzt.

Eine gemeinsame Terminpostkarte download(kwv.pdf) macht dabei auf die Arbeit dieser zumeist kleineren, unabhängigen und im Buchhandel selten auf einen Schlag so sichtbaren Verlage aufmerksam, eine Internetseite soll in Kürze folgen.

Die von dem Berliner Verleger Ingo Držečnik (Elfenbein Verlag) angeregte neue Reihe startete am vergangenen Sonnabend mit einer Lesung aus dem Erzählband Der Kinderkreuzzug des französischen Fin-de-Siècle-Schriftstellers Marcel Schwob (1867–1905) in der Elfenbein Literaturhandlung in Prenzlauer Berg. Trotz der bekannten Berliner Widrigkeiten (Schmuddelwetter und Konkurrenzveranstaltungen) kam zahlreiches Publikum, um Gernot Krämer, dem Herausgeber des Buches, zu lauschen: Zusammen mit dem Verleger gab er drei Kostproben aus dem bibliophil gestalteten Bändchen, das sich in Typografie, Format und Einbandgestaltung an der zum ersten Mal 1914 im Kurt Wolff Verlag erschienenen Übersetzung von Arthur Seiffhart orientiert.

In Schwobs Erzählungen, die eine bemerkenswerte literarische Annäherung an das tragische historische Ereignis des Jahres 1212 darstellen, bei dem angeblich 7000 Kinder und Jugendliche gänzlich unbewaffnet nach Jerusalem aufbrachen, um „das Heilige Land von den Sarazenen“ zu befreien, kommen verschiedene historische und fiktive Gestalten zu Wort, deren Perspektiven gewissermaßen die Lücke in der dürftigen Quellenlage zu schließen versuchen: So lässt Schwob u. a. einen Goliard, einen Aussätzigen, einen muslimischen Gläubigen, zwei Päpste sowie die Kinder selbst höchst unterschiedliche Antworten auf die Frage finden, wie es zu der Tragödie eigentlich kommen konnte und wer für sie verantwortlich zu machen ist.

Zum Abschluss dieser gelungenen Auftaktveranstaltung im Kurt-Wolff-Jubiläumsjahr verwies Držečnik auf weitere Termine im ersten Quartal und lud die Anwesenden auf ein Glas französischen Wein ein.

mild
Die gemeinsame Terminpostkarte zum download(kwv.pdf)

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