Aus der Werkstatt der Verlage (XXXVI) Andreas Rötzer: „Ja, wir müssen unser Leben ändern, sonst ändert das Leben uns, das unserer Kinder und spätestens das unserer Enkel“

Die Verleger-Blicke in den Editorials der Herbstvorschauen auf ihre jeweiligen neuen Programme und auf die Branche derzeit wollen wir in loser Folge mit Ihnen teilen. Hier heute Andreas Rötzer mit seinem Schreiben zur Matthes & Seitz – Vorschau: 

Andreas Rötzer: „Wir haben Angst vor dem Unlösbaren, wir sind zu klein vor der Größe des Problems, die Angst ist bereits die Handlung und erspart uns die harten Einschnitte in unsere Lebensgewohnheiten. Die Angst bewahrt uns davor, unser Leben ändern zu müssen“

Wir alle sind Anhänger der neuen Religion mit Namen Angst. Nachdem Greta Thunberg über zwei Jahre verzweifelt versuchte, den Menschen auf der ganzen Welt die Dringlichkeit der Klimafrage vor Augen zu führen, war es die Angst, die sie erzeugte, die eine ganze Generation auf die Straße trieb, um ihre Eltern dazu anzuhalten, für sie doch die richtigen Entscheidungen zu treffen, während diese Generation weltweit Latte togo trank, bei Decathlon einkaufte, um sich die Isomatten für die Sitins zu kaufen und im Internet Suchabfragen auslösten, die Millionen von Kilowattstunden aus sicheren Atomkraftwerken und sauberen Kohlekraftwerken auslösten.

Doch wie jede Volksreligion dient auch die Religion der Angst der Abfuhr schlechten Gewissens und zur Lösung des akuten Handlungsdrucks. Wir haben Angst vor dem Unlösbaren, wir sind zu klein vor der Größe des Problems, die Angst ist bereits die Handlung und erspart uns die harten Einschnitte in unsere Lebensgewohnheiten. Die Angst bewahrt uns davor, unser Leben ändern zu müssen.

Das Programm von Matthes & Seitz Berlin stellt sich schon seit Längerem dem Problem von Einsicht und Handlung, von Klima und Zivilisation, von der Rolle der Natur im Anthropozän, und auch das kommende Herbstprogramm bildet die Dringlichkeit dieser Fragen ab.

Durch Klick auf Abbildung zum Blättern in der Vorschau von Matthes & Seitz

Zwei Bücher möchte ich aus der Fülle an dieser Stelle herausstellen, sie umreißen den Horizont des Programms: Während Norbert Bolz in seinem scharfen, hellsichtigen und provokanten Essay „Die Avantgarde der Angst“ die Religion der Angst aufdeckt und die Scheinheiligkeit der jüngeren Ökobewegungen geißelt, ruft der Klimaaktivist Andreas Malm zu den Waffen. Sein faszinierender, vielschichtiger und faktengesättigter Essay „Klima|x“ ist während des Lockdowns in Berlin entstanden und war bislang nicht angekündigt, doch ist er ein so wichter Beitrag zu den gegenwärtigen Debatten, dass wir ihn so schnell wie möglich veröffentlichen wollten:

„Klima|x“ ist ein radikaler Aufruf, die Gewohnheit scheinheiliger  Ersatzhandlungen abzulegen. Er zeigt die tiefen Verbindungen von Corona und Klima auf, zeigt, dass die Pandemie nichts weniger ist als ein Symptom des Klimawandels und entlässt uns nicht in die üblichen Ablasshandlungen: Biolimonade, Biohonig und Biofleisch, vielleicht sogar ein E-Auto oder doch nur einen Hybridantrieb (man geht ja doch lieber auf Nummer sicher, die Versorgung mit Ladestationen ist noch nicht so weit), in Urlaub geht es nur nach Österreich (die Flugreise verkneifen wir uns dieses Jahr, im nächsten geht es dafür aber dann weiter weg, die lang ersehnte Reise nach Neuseeland oder Südafrika vielleicht, man hat dieses Jahr ja einen enorm kleinen Co2-Fußabdruck, da ist nächstes Jahr schon wieder ein bisschen mehr drin).

Andreas Malm ruft an die Waffen, und die Waffen liegen in unser aller Hand, täglich und überall können wir sie zum Einsatz bringen. Unser wirksamste Waffe ist nämlich die, unser Leben ändern zu können: Ja, wir müssen unser Leben ändern, sonst ändert das Leben uns, unserer Kinder und spätestens unserer Enkel. Denn dass das Leben am Leben bleibt, daran ist kein Zweifel, aber es kann leichterhand, andere Formen anzunehmen als die menschliche. Unter der Oberfläche der Evolution brodelt es, und da will viel an die Oberfläche, was uns nicht so lieb sein kann, aber der Klimawandel, ausgelöst durch entgrenzte Mobilität und hemmungslosen Konsum reißt die Risse in die Oberfläche, durch die es irgendwann zum totalen Lockdown kommen wird. „Klima|x“ wird Ihnen die Augen öffnen und Ihr Leben ändern.

Bisher brachten wir die Editorials von

Christoph Links

Lucien Leitess,

Daniel Kampa, 

Lothar Schirmer,

Christian Strasser

Sebastian Guggolz

Gerhard Steidl,

Joachim von Zepelin und Christian Ruzicska,

Constanze Neumann,

Gregory C. Zäch,

Dr. Stephanie Mair-Huydts und Steffen Rübke

Heike Schmidtke und Kilian Kissling,

Katharina Eleonore Meyer,

Peter Haag

Jochen Jung

Klaus Kehrer,

Jörg Sundermeier

Julia Eisele,

Armin Gmeiner

Christian Rotta

Ulrich Hopp,

Hejo Emons,

André Gstettenhofer,

Simone und Julia Graff

Monika Osberghaus

Susanne Schüssler

Günther Butkus

Alfred Klemm 

Voland & Quist

Laura Jacobi

Jan Weitendorf von Hacht

Monika Koch

Antonia Bürger

Kommentare (1)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert