Börsenverein Bestellprozesse sind optimierbar, E-Books noch eine marginale Größe, libreka! bleibt umstritten

Parlamentsvorsitzender Karl-Peter Winters

Heute fand das 8. Branchenparlament des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Frankfurt am Main statt.

Der Parlamentsvorsitzende Dr. Karl-Peter Winters zeigte in seiner Begrüßung die gegenwärtige Situation der Branche auf: Der Strukturwandel vollziehe sich auf vielen Ebenen und werde zunehmend spürbar. Noch hat das E-Book keine Bedeutung – aber wie lange bleibt das so? Die Zahl von geschätzten 15 Prozent Umsatzrückgang im Sortiment im Jahr 2015 sollte zu denken geben.

Ob libreka! bei einer solchen Prognose als „Hilfsmittel“ in Frage kommt? Das Portal als Plattform der Branche gegen die großen Mitbewerber ist von Beginn an viel und kontrovers diskutiert worden. Immerhin scheint eines der Ur-Ziele von libreka! aus Zeiten, als es noch „Volltextsuche online“ hieß erreicht: Oberhoheit über die eigenen Inhalte zu behalten. Als „Lichtblick“ wertete dabei Winters das Urteil zum Google Book Settlement, das hoffentlich ein Signal ist, das auch in Deutschland vernommen wird.

Eher bedenklich finde er die Entscheidung des Landgerichts München zum § 52a des Urheberrechtsgesetzes, sie bedeute eine verheerende Einschätzung geistiger Arbeit mit unabsehbaren Folgen beispielsweise für den Lehrbuchbereich. Gegen ein solch „skandalöses Fehlurteil“ hat der Verlegerausschuss in Verbindung mit der VG Wort Revision beantragt.

Franziska Bickel und Christoph Maris stellten die Empfehlungen der AG PRO zur Optimierung des Bestellprozesses im Buchhandel vor. Die Präsentation aus 34 Folien kann auf im Download-Bereich des Börsenvereins heruntergeladen werden.

Im Anschluss an die Ausführungen forderte Karl-Peter Winters dazu auf, sich mit diesen Empfehlungen zu beschäftigen, es sei eine „erhellende Lektüre“.

Dieter Dausien, Buchhandlung am Freiheitsplatz in Hanau, wandte ein, dass der Zwischenbuchhandel, der von der AG PRO nicht beleuchtet wurde, trotzdem einbezogen werden müsse, und nannte Beispiele für buchhalterische Probleme bei der Rechnungslegung.

Zum von der AG PRO angesprochenen Thema Jahreskonditionen warnte Oliver Voerster, KNV, dass bei solchen Bedingungen Folgekosten entstehen würden. Viel wichtiger sei es, den Gesamtprozess zu betrachten. Christoph Maris machte daraufhin deutlich, dass er Jahreskonditionen nicht als Freibrief verstanden wissen wolle. Sicher sei die Betrachtung des Gesamtpakets sinnvoll.

Dr. Christoph Kochhan stellte dann die E-Book-Studie vor, buchmarkt.de berichtete bereits [mehr…]. Unklar bleibe darin die genaue Definition eines E-Books, nach der sich Wolf-Dieter Eggert, Hueber Verlag, erkundigte. Christoph Kochhan verwies auf eine Entsprechung zur Print-Variante, Apps jedenfalls seien damit nicht gemeint.

Definitionen hin und her: Interessanter sind Prognosen über das künftige Kaufverhalten künftiger E-Book-Nutzer in künftig damit ausgestatteten Buchhandlungen. Spekulationen jeder Art seien mit Vorsicht zu genießen – nicht Genaues weiß man nicht.

Dr. Rüdiger Salat, Verlagsgruppe Holtzbrinck, fragte nach Details zu E-Book-Formaten und bot, als diese für ihn nicht ausreichend geklärt werden konnten, eigene Studien dazu an, denn eine stärkere Differenzierung der Formate sei notwendig, wenn es um Investitionsentscheidungen gehe.

Heinrich Riethmüller, Osiandersche Buchhandlung, gab bekannt, dass bereits 20 Prozent der Buchhandlungen in der Lage seien, E-Books zu verkaufen. Diese Zahl sei doch gar nicht so schlecht und der Sortimentsbuchhandel damit gut aufgestellt.

Zwei Ehrungen [mehr…] schlossen sich an: Gottfried Honnefelder zeichnete Prof. Dr. Stephan Füssel, Leiter des Mainzer Instituts für Buchwissenschaft, mit der Goldenen Nadel des Börsenvereins aus und würdigte seinen Einsatz für das Buch sowie die praxisnahe Ausbildung der Studenten. „Stephan Füssel zeigt uns wie ein Leuchtturm die Richtung auf“, formulierte der Vorsteher.

Ebenfalls mit der Goldenen Nadel wurde Annemarie Schneider, langjähriges Mitglied des Börsenvereins und bis vor kurzem AkS-Sprecherin, ausgezeichnet. In ihrer Buchhandlung Eulenspiegel in Hochheim/Taunus, die im Herbst seit 25 Jahren bestehen wird, stellte sie ein beeindruckendes Veranstaltungsprogramm auf die Beine. Im AkS, dem sie seit 1999 angehört, hat sie sich stark engagiert.

Der Tagesordnungspunkt „Aktuelle Themen“ behandelte zunächst eine Tischvorlage zur Änderung der Verkehrsordnung für den Buchhandel hinsichtlich der Preisbekanntgabe im Zusammenhang mit der Meldung beim VLB, der Referenzdatenbank. Der Antrag liegt in zwei Fassungen vor und muss mit dem Bundeskartellamt abgestimmt werden, Details dazu erläuterte Dr. Christian Sprang. Die Vorlage wurde einstimmig angenommen. Im übrigen: Von knapp 960.000 Titeln im VLB seien mittlerweile 725.000 mit Referenzpreisen gemeldet.

Erneut stand im Anschluss libreka! zur Diskussion. MVB-Geschäftsführer Ronald Schild legte anhand von zwei Folien Zahlen auf den Tisch, die E-Book-Marktanteile und deren Entwicklung sowie das Marktpotential von libreka! sichtbar werden ließen und Prognosen bis 2013 anstellten.

Es werde gelingen, schon in den Jahren 2011/2012 ein ausgeglichenes Geschäftsergebnis bei libreka! zu erzielen. libreka! trage sich ohne einen Cent an Mitgliedsbeiträgen aus dem Börsenverein. Mit Hinblick auf 2013, dann werden die Erlöse die Gebühren übersteigen, könne man auch über die Titelmeldegebühren diskutieren.

Schild hob die Vertragsabschlüsse mit Apple, Barnes & Noble sowie der Telekom hervor, damit seien wichtige Weichen gestellt und Strukturen geschaffen worden, die jetzt mit Leben erfüllt werden müssten. Dafür brauche man die Unterstützung von den Verlagen und den Sortimenten. Das Marktpotenzial schätzt die MVB allein für dieses Jahr auf 25 Millionen Euro (nur Verlagsverkäufe) – 15 Prozent Marktanteil für libreka! seien dabei realistisch. 2013 könnten es schon 171 Millionen Euro, dabei könne ein libreka!-Anteil von 18 Prozent entstehen, führte Schild aus.

Zu libreka! nahmen zunächst die Fachausschüsse Stellung. Heinrich Riethmüller, SoA, sieht libreka! als Möglichkeit aller Branchenmitglieder, sich am digitalen Markt zu beteiligen. Zurückrudern wäre das völlig falsche Signal: Deshalb sei der SoA für libreka!, denn ein großer Teil des E-Book-Geschäfts sollte schließlich beim Sortiment ankommen.

Für den Verlegerausschuss ergriff Karl-Peter Winters das Wort. Er würdigte die Offenlegung der Zahlen, damit sei endlich Transparenz geschaffen worden. Die Prognose enthalte die Möglichkeit einer Gebührenänderung. Der Konflikt mit dem Zwischenbuchhandel sei bekannt und müsse abgemildert werden.

Matthias Heinrich sprach für den Zwibu-Ausschuss. libreka! trete als Distributionsplattform branchenweit auf, das schaffe seiner Ansicht nach Verwerfungen. Für den Zwischenbuchhandel sei ein Engagement bei libreka! nicht sinnvoll. libreka! solle verkauft werden, vorzugsweise an Verbandsmitglieder, die Gebührenerhebung solle eingestellt werden.

In der Diskussion meldete sich auch Oliver Voerster zu Wort. libreka! habe sich, entgegen der Meinung von Ronald Schild, als Agency-Modell nicht durchgesetzt. Die Kunden wollten ein Handelsmodell. Bei allem seien auch die jüngsten EU-Beschlüsse zu beachten. Begrüßenswert sei die Vorlage von Zahlen seitens libreka!, allerdings halte er die Prognosen für eine recht positive Einschätzung der Entwicklung, und er warnte: Eine Kooperation ausschließlich mit libreka! führe zur Abhängigkeit.

Voerster benannte auch die Gefahr, libreka! als Monopol aufzubauen und wertete das als „Spiel mit dem Feuer“ im Hinblick auf die Entscheidungen in Frankreich.

libreka! sei ein Thema von vielen, äußerte sich Oliver Voerster weiter, die zu einer Verschärfung der Situation innerhalb des Börsenvereins führten. „Wir müssen über unsere Mitgliedschaft nachdenken“, brachte er seine Ausführungen auf den Punkt. Die Diskussion um libreka! gefährde den Berufsverband.

Heinrich Riethmüller äußerte Verständnis für die Situation der Zwischenbuchhändler, erwähnte jedoch, dass KNV beispielsweise auch Saturn beliefere und nicht nur die kleinen Buchhandlungen.

Karl-Peter Winters stellte fest, dass libreka! nicht – wie angenommen – die Grenzen des Kartellrechts sprenge, sondern darauf gerade in besonderem Maße achte. Zudem werde keiner gezwungen, sich an libreka! zu beteiligen.

Jens Klingelhöfer, Bookwire, unterstrich, dass auch kleine Verlage am digitalen Markt teilnehmen können, libreka! sei dabei aber nicht die einzige Möglichkeit.

Bernd Weidmann, AkV-Vorstand; Verlag und Auslieferung Die Werkstatt, Göttingen, hielt es nicht für sinnvoll, Themen, die Spannungen im Verband forcierten, weiter im Parlament zu verfolgen.

JF

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