Heike Heymann-Rienau im Sonntagsgespräch über 90 Jahre Heymann und ... „Buchhandlungen als besonderen Ort, den es so anderswo nicht gibt“

Heike Heymann-Rienau: „Wir handeln zwar jetzt, denken dabei aber immer in Generationen. Wir hinterfragen uns selbst: Warum machen wir das so. Und warum machen wir das Ganze nicht vielleicht einmal ganz anders? Und wir hören zu: unseren Kunden und unseren Mitarbeitern“

 

Heute, am 1. Juli vor 90 Jahren, wurde in Hamburg am Eppendorfer Baum die Buchhandlung Heymann gegründet. Dort ist jetzt der Stammsitz des von den Geschwistern Christian Heymann und Heike Heymann-Rienau geführten Familienunternehmens mit Standorten in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgespräch mit Heike Heymann-Rienau:

Ein 90-jähriges Firmenjubiläum – ist das für ein Familienbetrieb mehr Freude oder Mehrbelastung?

Heike Heymann-Rienau: Die Freude überwiegt – bei weitem. Als Belastung empfinde ich die Abfolge von Generationen nicht. Im Gegenteil, es war und ist Ansporn. Als mein Bruder und ich die Firma von unserem Vater Gerhard Heymann übernahmen, war das ein großer Vertrauensbeweis. Das uns geschenkte Vertrauen wollen wir täglich rechtfertigen mit dem, was wir tun, und mit dem, wie wir es tun – auch gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Worum es uns immer wieder geht hat Doris Giesemann auf den Punkt gebracht. 2008 wurden wir als „Buchhandlung des Jahres“ geehrt. In der Laudatio steht: „Ein Unternehmen, das mit dem Wachstum seine Individualität bewahrt hat und dabei eine persönliche Handschrift zeigt.“ Und das wollen wir an jedem Tag aufs Neue einlösen.

Derzeit ist die Buchbranche ja eher verunsichert angesichts der erneuten Bedrohung der Preisbindung …

Verunsicherungen in der Branche gab es immer wieder einmal. Das wissen wir alle aus eigener Erfahrung. Und wir zudem aus Gesprächen mit unserem Vater und mit dem Firmengründer Kurt Heymann, unserem Großvater. Gerade er hat Zeiten erleben müssen, wie so viele seiner Generation, wo es schlicht ums nackte Überleben ging. Dieses Wissen und das Bewusstsein dafür können helfen, um Aufgeregtheit und Nervosität angesichts von bevorstehenden Veränderungen zu vermeiden. Und wir haben starke Verbündete. Hinsichtlich der Diskussionen um die Preisbindung hatten wir Buchhändlerinnen und Buchhändler schon vor vielen Jahren einen wunderbaren Mitstreiter: Kulturstaatsminister Michael Naumann hat Großes geleistet – ein Engagement, das ihm damals viel zu wenig gedankt wurde. Und wir alle können uns glücklich schätzen, dass auch Monika Grütters mit Leidenschaft und sehr guten Argumenten für den Erhalt der Buchpreisbindung eintritt.

… und sinkender Käuferzahlen.

Diese Entwicklung ist nicht erfreulich. Aber auch hier gilt: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ Aber wir wissen:  Jede Buchhändlerin, jeder Buchhändler in Deutschland mit einem Ladengeschäft ist allen Internet-Anbietern haushoch überlegen, denn eine Buchhandlung – mit den Menschen, die in ihr arbeiten – ist ein besonderer Ort, den es so anderswo nicht gibt. Und diesen Ort zu erweitern um ein crossmediales Angebot sollte niemand in der Branche ungenutzt lassen. Und ebenso wichtig: Wir müssen alle immer wieder kommunizieren, welche Vorteile Buchhandlungen haben, was sie zu leisten im Stande sind.

Aber das ist natürlich nur ein Aspekt in den grundlegenden Veränderungen, die sich abzuzeichnen beginnen.

Sinkende Käuferzahlen resultieren ganz zweifellos aus der Nutzung neuer Medien oder neuer Kommunikationsangebote: Facebook, Instagram & Co. können Freude und Nutzen bereiten, sie sind aber nicht umsonst – sie kosten auch (Lebens-)Zeit.

Die zum Lesen von Büchern fehlt.

Ja, von daher stehen wir alle vor einer neuen Herausforderung, die sich nur partiell mit der Medienkonkurrenz in früheren Zeiten vergleichen verlässt: Rundfunk, Kino und das Fernsehen galten damals als große Konkurrenten für das Buch. Es ist aber gut gegangen. Unsere Zeiten sind jedoch ganz andere. Vielleicht liegt darin auch eine Chance? Denn alle im Sortiment können den Menschen etwas bieten, das immer wichtiger wird: Entschleunigung. Der Wunsch, sich herauszulösen aus den Anforderungen des multimedialen Multi-Taskings, ist durch Studien belegt. Diejenigen, die weniger oder gar nicht mehr lesen, bedauern, dass ihnen die Zeit zum Lesen von Büchern fehlt. Und ich bin davon überzeugt, dass daraus Positives folgen kann.

In welche Richtung denken Sie dabei?

Lassen Sie es mich so sagen: „Mein Buch – meine Zeit“. Wenn wir alle gemeinsam an der Vermittlung der Vorzüge von Büchern (und Buchhandlungen) arbeiten – kann letztlich der gesamte Buchhandel davon profitieren. Die Vorzüge einer Buchhandlung müssen natürlich auch erlebbar werden – durch Ausstattung, Atmosphäre und vielem mehr. Unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten braucht es selbstverständlich noch weitere Unterstützung. Ich denke dabei auch – und das ist nur einer von vielen Aspekten – an die Schulen, wo wir Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Arbeit für die Leseförderung unterstützen müssen.

Was macht denn Heymann anders als andere?

Wir stellen ungern Vergleiche mit anderen an, auch wenn wir natürlich beobachten, was Mitbewerber und Kollegen tun. Viel wichtiger erscheint es mir, dass wir immer unsere eigene Tätigkeit im Hier und Jetzt vergleichen – mit dem Heute und Gestern – ausgerichtet auf das Morgen. Wir handeln zwar jetzt, denken dabei aber immer in Generationen. Wir hinterfragen uns selbst: Warum machen wir das so. Und warum machen wir das Ganze nicht vielleicht einmal ganz anders? Und wir hören zu: unseren Kunden und unseren Mitarbeitern. Und wir bemühen uns um Offenheit – für Trends, für andere Meinungen – übrigens auch für kritische Worte.

Kritik tut Ihnen nicht weh?

Nein, denn nur dadurch lässt sich Verbesserungsbedarf noch schneller erkennen und umsetzen. Wir sind immer dabei, Service-Leistungen und Zusatz-Angebote zu erweitern – stationär wie auch online. Zum Beispiel mit unserer Idee eines  Bücher-Abo, das ganz individuell nach Kundenwünschen bestellbar ist.
Oder durch den sog. Buchfinder, den wir auf www.heymann-buecher.de anbieten. Der Kunde erhält Leseempfehlungen – frei von Algorithmen, Ehrensache!

Welches Konzept steht dahinter?

Wir haben den Anspruch, unsere Kunden immer zu überraschen und gleichzeitig das Vertrauen zu rechtfertigen, das aus 90 Jahren Firmengeschichte entsteht. Mit anderen Worten: Es geht um Tradition und Verlässlichkeit, die Innovatives nicht verhindert, sondern stärken kann. Und wir versuchen uns im Gemeinwesen einzubringen.

Was meinen Sie damit?

Lassen Sie mich ein Beispiel herausgreifen. Seit 2009 sind wir Kooperationspartner der Hamburgischen Bürgerschaft. Vor knapp zehn Jahren entstand dort die Idee zu einer Hörspielreihe für Kinder unter dem Titel „Die Alster-Detektive“. Es ging darum altersgerecht zu vermitteln, wie Demokratie funktioniert. Wenn Sie so wollen ist es eine Kampagne zur politischen Bildung. Und diese Kampagne hat Erfolg. Mehr als 600.000 CDs der Hörspielreihe wurden bislang veröffentlicht. Und seither konnten wir mit dem Parlament gemeinsame Aktionen durchführen wie Schreib-, Mal- und Fotowettbewerbe rund ums Thema der Junior-Detektive und bürgerschaftliches Engagement, das unsere Demokratie braucht. Und uns freut sehr, dass Eltern und Kinder unser Mitwirken positiv wahrnehmen. Im letzten Jahr starteten wir auf Initiative Dr. Hübners von Oetinger-Corporate eine Buch-Charity-Aktion zugunsten eines Kinderkrankenhauses – zusammen mit dem Hamburger Abendblatt. Es gibt viel zu tun. Und es ist schön, wenn eine Buchhandlung dazu einen Beitrag leisten kann.

Ihr Gefühl also im Hinblick auf das 100-jährige Jubiläum in zehn Jahren?

Das ist  ehr positiv und optimistisch. Denn es begann alles mit einem Lieblingsbuch – für den Firmengründer, für unseren Vater und für mich und meinen Bruder. Lieblingsbücher sind immer die Bücher, die man gerne weitergibt. Und warum sollte sich daran etwas ändern?

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

 

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