Das geheime Kriegstagebuch von Erich Kästner Atrium Verlag stellte Kästners Blaues Buch an historischer Stelle in München vor

Der Verlagsleiter des Atrium Verlages, Tim Jung, stellt seine Neuerscheinung vor, die am 9. Februar in den Handel kommt

Das geheime Kriegstagebuch Kästners hat der Verlagsleiter des Atrium Verlages, Tim Jung zusammen mit dem Kästner-Kenner und Herausgeber des Buches, Sven Hanuschek, vermutlich in genau jenem Raum vorgestellt, das für Erich Kästner die erste Zuflucht in München nach Kriegsende und nach seiner Flucht aus Mayrhofen in Südtirol gewesen war.

Gut konnten sich die Gäste der Buchpräsentation in Gedanken vorstellen wie Erich Kästner zwischen Bett, Stuhl und Schreibtisch, hier an historischer Stätte in der Thierschstraße 49, im Münchner Stadtteil Lehel, gelebt haben musste.

Gekommen zu diesem Ereignis waren:

Peter Beisler, Urheberrechtler und Nachlassverwalter von Erich Kästner. Er hatte Das Blaue Buch entdeckt und zusammen mit weiteren wichtigen Quellenwerken dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach übergeben und die Veröffentlichung angeregt.

Die Autorin, Herausgeberin und Übersetzerin Sylvia List zusammen mit Ihrem Mann dem Rechtsanwalt und Nachlassverwalter von Erich Kästner, Peter Beisler. Er hat das Blaue Buch im Nachlass von Erich Kästner bei seiner Lebensgefährtin Luiselotte Enderle entdeckt

Begleitet wurde Peter Beisler von seiner Frau und Lebenspartnerin, der Autorin Sylvia List, die selbst mehrere Bücher zu Erich Kästner veröffentlicht hat.

Der Kästner-Experte und Herausgeber des Blauen Buches, Sven Hanuschek, hat beinahe zwei Jahre an diesem historisch bedeutsamen Buch gearbeitet

Der Autor und Biograph von Erich Kästner, Sven Hanuschek, kennt wie kein anderer das Werk von Erich Kästner und hat zusammen mit Frau Silke Becker (langjährige Mitarbeiterin im Marbacher Literaturarchiv) und Ulrich von Bülow (Abteilungsleitung Archiv im Deutschen Literaturarchiv in Marbach– er konnte leider nicht zur Buchvorstellung kommen) Das Blaue Buch für die Veröffentlichung vorbereitet. Allen Einträgen und Notizen im Buch hat der Herausgeber mit seinen Kollegen in der Randspalte eine Kommentierung, geschichtliche Fakten und Erläuterungen zur Sache und zu den genannten Personen beigefügt: In der Summe ist das ein zweites Buch im Buch.

Ein großartiges Gefühl für die Lektorin Katharina Diehl nach vielen Stunden Arbeit, endlich mit dem fertigen Buch belohnt zu werden

Die Lektorin Katharina Diehl hat einen super Job gemacht und aus diesem komplizierten Manuskript ein wunderbares Buch gestaltet. Mit „totaler Erschöpfung und totalem Glück“ wie Tim Jung die Arbeit charakterisiert hat.

Mit dem Blauen Buch von Erich Kästner ist Verleger Jan Weitendorf, hier zusammen mit seiner Frau Rebecca (rechts), eine großartige Neuerscheinung in seinem Kästner-Verlag Atrium gelungen. Daran wird der Buchhandel noch viel Freude haben

Begrüßt wurden die Gäste von Verleger Jan Weitendorf zusammen mit seiner charmanten Frau Rebecca. »Was würde Erich Kästner heute zu den polarisierenden Parteiströmungen und den Kriegen unweit unserer Landesgrenzen sagen, die so große Flüchtlingsströme verzweifelter Menschen produzieren? – Ja, das Buch passt vollkommen in unsere Zeit und ist Warnung und ein wichtiges Zeitdokument.«

Der chronologisch letzte Beitrag im Blauen Buch ist die Geschichte des KZ-Häftlings Kratz, den Kästner auf seiner Zwischenstation von Mayrhofen nach München in Schliersee getroffen hat. Kratz erzählt Kästner vom Leben im KZ Auschwitz. Anschließend beendet Kästner die Einträge. Ist die Wirklichkeit so unvorstellbar grausam, dass ihm danach Worte zur Qual geworden sind? Sein Romanprojekt zum Dritten Reich hat Erich Kästner nicht mehr verwirklicht.

Das blaue Buch

Zum Buch: Es hat Durchsuchungen, Verhöre, Bombennächte, Flucht sowie andere widrige Umstände der Nazizeit überstanden und wurde nach dem Tod seiner Lebensgefährtin Luiselotte Enderle wiedergefunden zwischen anderen Büchern aus seiner Bibliothek: Das Blaue Buch von Erich Kästner. Eine titellose, unscheinbare, blaue Leinenkladde, die alle Notizen und Aufzeichnungen Erich Kästners sowie einige bemerkenswerte Zeitungsausrisse aus der Zeit von 1941 bis 1945 und den Nachkriegsmonaten enthält.

Erich Kästner verstand sich als Beobachter und Zeitzeuge. Er hat in seinem Blauen Buch Alltagsgeschehnisse, politische Nachrichten, Heeresberichte, Stimmungsberichte, Exekutionen und andere Ungeheuerlichkeiten aber auch Kneipenwitze über Goebbels und Hitler wie in einer Stoffsammlung nebeneinander gestellt. Es ist die erlebte und erfahrene Wahrheit in Fakten, die er versucht zwischen den Propagandalügen und Fake News herauszustellen und diese für eine spätere ungetrübte Erinnerung zu dokumentieren. Dies zu tun war gefährlich für Erich Kästner, der im Nazideutschland nicht mehr verlegt werden durfte.

Die in der Gabelsberger-Kurzschrift verfassten Texte waren vermutlich für seinen geplanten Roman über das Dritte Reich gedacht. Das Blaue Buch ist aber auch ein Tagebuch, das Erich Kästner geholfen hat, den klaren Blick zu bewahren. Es war ihm ein unbestechlicher Dialogpartner, um die Ereignisse zu verarbeiten und um zwischen wahr, gelogen und falsch zu unterscheiden.

Er steckte Das Blaue Buch sogar zu seinen nötigsten Utensilien, die er bei Bombenangriffen mit in den Luftschutzbunker nahm. So wurde das Buch vor der Zerstörung bewahrt, als eine Fliegerbombe seine Berliner Wohnung und die gesamte Bibliothek vernichtete.

Ulrich Grasberger

Kommentare (2)
  1. Wie wunderbar! Ein Glück, dass es solche Trouvaillen immer wieder gibt und Verlagskollegen, die sie bergen und herausbringen.

    gb

  2. Erich Kästner mit seinen wunderbaren Büchern und Botschaften, müsste in jeder Buchhandlung einen „Sonderstand mit Lesesofa“ stehen. Sowie seine Bücher in Kinder-, Erwachsenenhände in jede Stube, dann würde die Welt schon ein bisschen besser sein. Ein sehr weiser und kluger Mann und Mensch, wie Recht er zu seiner Zeit schon hatte…, wenn er wüsste, aber ich bin mir sicher: Er wusste es!!

    Sein „großes Erich Kästner-Buch“, ein Traum mit so viel Querschnittswissen… Allein die Seite 248, wo er unter anderem „über die künstliche Erblindung“ schrieb, was heute wie Schuppen von den Augen fällt und das Resultat, der fehlenden Vorbilder mit seinen Folgen, was heute spürbar in vielerlei Hinsicht ist und wie wir sehr wachsam sein müssen, dass die „Verdummung“ nicht Überhand nimmt, wie auch bereits Einstein warnte und eine Lawine ins Rollen gerät.

    Vor eine Lawine hat auch am 31.08.18 im Radio „Kirche in WDR4“ Pastor Titus Reinmuth gewarnt, indem er auch Erich Kästner zitierte: „Erich Kästner hat im Rückblick gesagt: Vielleicht wäre es bis fünf Jahre vor der Machtergreifung Hitlers noch möglich gewesen, gegenzusteuern.
    Also: Jetzt ist die Zeit, zu widersprechen. Sonst rollt die Lawine.
    Sein „Märchen vom Glück“, spricht für sich…
    Hochachtungsvoll
    Cornelia Kastelic, den Erich Kästner sehr verehrt!!

Schreibe einen Kommentar zu Günter Berg Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert