Aus der Werkstatt der Verlage Christian Döring: „Wir alle haben uns dieses neue Jahr für unsere Bücher anders vorgestellt“

In loser Folge blättern wir wieder Editorials der aktuellen Novitäten -Vorschauen auf. Heute hier das Editorial  vom Christian Döring, dem Die Andere Bibliothek Herausgeber

Christian Döring:Schlaft nicht! Die großen Brände sind vorüber, noch größere stehen uns bevor. Diese flammenden Sätze sind kein Kommentar zu unserer Zeit, sondern Schlusssatz eines sowjetrussischen Kollektivromansaus dem Jahr 1927: Die großen Brände

Wir alle haben uns dieses neue Jahr für unsere Bücher nach der auslaufenden Pandemie anders vorgestellt.

Unsere Lesezimmer haben wir längst wieder verlassen – aber nun erleben wir den Beginn eines Krieges auf dem europäischen Kontinent, den wir uns nicht vorstellen konnten oder wollten. Gegen den barbarischen Willen zur Vernichtung hilft keine Lektüre mehr – wohl aber hat unsere Andere Bibliothek über die Jahre hinweg Bücher versammelt, die lehrreiche Fracht aus der Vergangenheit unseres Kontinents zu uns tragen – vor allem aus dem Osten und über den Osten. Sie können unseren Blick weiten.

»Schlaft nicht! Die großen Brände sind vorüber, noch größere stehen uns bevor.«

Diese flammenden Sätze sind kein Kommentar zu unserer Zeit, sondern Schlusssatz eines sowjetrussischen Kollektivromansaus dem Jahr 1927: Die großen Brände. Mit diesem grellen, phantastisch-kriminalistischen Kabinettstück von vierundzwanzig Autoren und einer Autorin, deren Namen sich lesen wie ein Querschnitt sowjetischer Erzählliteratur aus den 20er-jahren, wollen wir unser Programm eröffnen.

Nach dieser köstlichen Lektüre tauchen wir ein in das romantische späte 18. Jahrhundert und begleiten den exzentrischen Engländer William Beckford auf seiner Bildungs- und Lustreise nach Italien: Träume, Gedankenspiele und Begebenheiten. Der Titel ist Programm. Endlich liegt dieses Meisterwerk auf Deutsch übersetzt vor.

Aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert kommen wir mit Alphonse Daudet (125. Todestag im Dezember) in die Epoche des Zweiten Kaiserreichs. Ebenfalls erstmals ins eutsche übertragen, liegt Daudets voluminöses Werk Jack. Sitten der Zeit nun vor uns. Es ist ein Gesellschaftsroman, eine große Anklage – geschrieben mit Wut, Ironie und getragen von Mitleid.

»Lesen Sie wohl« in den Monaten, denen wir nun entgegensehen“ (Durch Klick auf Vorschau zum Blättern im Programm)

Umfassende lyrische Anthologien sind selten in unserer Anderen Bibliothek: Wir stellen eine Lyrische Menschenkunde vor, von Kopf bis Fuß, mit Leib und Seele und zugleich als unterhaltsame Gedichtkunde, eine Befragung unserer Existenz.

Um die geht es uns auch in dem Band Massen in Bewegung. Über Menschenzüge. Menschen drücken sich nicht nur in Worten aus, sondern auch mit ihren Füßen – und gehen seit jeher auf die Straße, ob in Prozessionen oder Demonstrationen. Darüber sollten wir nach diesem großen Gang durch die Geschichte bis in unsere unmittelbare Gegenwart nachdenken.

Und abschließend wenden wir den Blick wieder Richtung Osten und entdecken in Andrzej Bobkowski einen polnischen Kosmopoliten, dessen Journal Hinter dem Wendekreis wir in einer ersten Übersetzung ins Deutsche endlich öffnen können. Wir entdecken das Abschiednehmen eines Emigranten der Nachkriegszeit von Europa – von diesem Kontinent, um den wir uns ängstigen müssen.

»Lesen Sie wohl« in den Monaten, denen wir nun entgegensehen, und bleiben Sie uns gewogen.

Ihr

Christian Döring

 

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