Börsenverein nimmt Stellung zur Berichterstattung von Deutschlandfunk Kultur über die "Neustart Kultur"-Programme in der Literatur Corona-Fördermittel für rechtsextreme Buchprojekte?

Heute Morgen sendete Deutschlandfunk Kultur die Ergebnisse einer Recherche, derzufolge mit dem Programm „Neustart Kultur“ auch rechtsextreme Buchprojekte bezuschusst worden seien. Die Corona-Hilfen für Verlage wurden vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Auftrag der Kulturstaatsministerin verteilt –Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff nahm heute auf der Pressekonferenz zum Auftakt der Leipziger Buchmesse zu dieser Berichterstattung Stellung.

Deutschlandfunk Kultur hatte erklärt: 

„Bei der Vergabe der Fördermittel hat der Börsenverein darauf verzichtet, die beantragten Buchprojekte der Verlage inhaltlich zu kontrollieren. Eine entsprechende Überprüfung war in den Förderkriterien der Kulturstaatsministerin nicht vorgesehen. Der Börsenverein sollte sich stattdessen auf die schriftliche Versicherung der Verlage verlassen, die Förderkriterien einzuhalten und keine jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, verfassungsfeindlichen oder strafbaren Bücher zu drucken. Mehr als 90 Prozent der beantragten Projekte wurden bewilligt. Die Recherche von Deutschlandfunk Kultur ergab, dass dabei Buchprojekte gefördert wurden, die im Nachhinein vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurden oder aus einschlägig bekannten Verlagen der rechten Szene stammen.

Bezuschusst wurde beispielsweise das Buch eines Politologen, das vom Bundesamt für Verfassungsschutz als ,in Teilen extremistisch‘ eingestuft wird. Der Politologe, der an der Hochschule des Bundes unterrichtete, verlor deswegen den sogenannten Sicherheitsbescheid des Bundesnachrichtendienstes. Seine Lehrtätigkeit musste er aufgeben.

Gelder erhielt auch der Forsite Verlag für den Titel ,Herman Wirth. Leben – Werk – Wirkung‘. Er behandelte einen völkischen Esoteriker, der in der NS-Zeit zusammen mit Heinrich Himmler die sogenannte ,Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe‘ gründete. Verantwortlicher im Forsite-Verlag ist Dennis K. Er ist Herausgeber der Zeitschrift ,Reconquista‘ und hat für das Magazin ,N. S. Heute‘ geschrieben. Beide Publikationen werden vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz seit Jahren als rechtsextrem eingestuft.

Das Recherche-Team konnte überdies feststellen, dass einige Verlage für ihre Buchprojekte Geld bekamen, obwohl sie gegen die Förderkriterien verstießen, welche die Kulturstaatsministerin aufgestellt hatte.

Das Corona-Hilfspaket ,Neustart Kultur‘ startete im Sommer 2020 und läuft zum 30. Juni 2023 aus; es umfasst insgesamt etwa zwei Milliarden Euro. Rund 94 Millionen Euro davon flossen in den Bereich Literatur, wie die Erhebungen von Deutschlandfunk Kultur erstmals zeigen. Unterstützt wurden damit Verlage, Buchhandlungen, Autorinnen, Übersetzer sowie Lesebühnen und Literaturhäuser. Der Großteil der Maßnahmen, etwa die Verteilung der Gelder über die VG Wort und über den Deutschen Übersetzerfonds, hat sich dabei als passgenau und hilfreich für die Zielgruppen erwiesen. So lautet ein weiteres Ergebnis der Recherche, die mehr als 20 Förderprogramme und Programmmodule aus dem Bereich Literatur analysiert hat.

Unterstützt wurden auch die beiden großen Buchmessen: Die Frankfurter Buchmesse erhielt für die Jahre 2020 bis 2022 insgesamt 12,5 Millionen Euro an Neustart Kultur-Fördermitteln. Die Leipziger Buchmesse, die am 27. April beginnt, wird in diesem Jahr mit drei Millionen Euro unterstützt. Auch die letztjährige Leipziger Buchmesse erhielt Gelder in Höhe von zwei Millionen Euro – obwohl die Messe kurzfristig abgesagt wurde und nicht stattfand.

Die Recherche mit umfangreichem Datenmaterial ist unter deutschlandfunkkultur.de/kulturmilliarde abrufbar.“

Dazu äußerte sich Peter Kraus vom Cleff wie folgt:

„Wir haben alle Anträge sehr gründlich auf die Einhaltung der Förderkriterien geprüft und keinen zugelassen, der diesen nicht entsprach. Dabei haben wir nicht auf inhaltliche Prüfung verzichtet, sondern diese war nicht möglich, da die Projekte noch nicht existierten, als die Gelder vergeben wurden. Deshalb mussten die Verlage bei Antragstellung selbst angeben, dass ihr Buchprojekt keine jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, verfassungsfeindlichen oder strafbaren Inhalte enthält. Selbstverständlich werden wir die Mittel zurückfordern, wenn sich nachweislich nicht an die Regularien gehalten wurde. Das Programm ist ja noch gar nicht abgeschlossen, sondern befindet sich in der Prüfungsphase.

Wir möchten auch noch einmal betonen: Es handelt sich hier um ein Förderprogramm für einzelne Buchprojekte, nicht etwa für ganze Verlage. Insgesamt konnten knapp tausend Buchprojekte entstehen, die sonst gar nicht entstanden oder verschoben worden wären. Der Beauftragten für Kultur und Medien möchten wir erneut dafür danken, dass hier schnelle und breite Hilfe für die Kulturbranche ermöglicht wurde – in einer Zeit, in der diese dringend nötig war.“

 

 

 

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