Auszeichnungen Der Berthold-Auerbach-Literaturpreis geht an Tina Stroheker

Tina Stroheker (c) Horst Alexy

Die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher aus New York hat bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2022 im deutschen Bundestag an ihren Verwandten, den Dichter Berthold Auerbach (1812-1882), erinnert. Nicht nur eine Straße in Berlin ist wieder nach ihm benannt, auch in seinem schwäbischen Geburtsort Nordstetten, heute ein Stadtteil der Großen Kreisstadt Horb am Neckar, wird das Andenken an den im 19. Jahrhundert weltweit gelesenen Bestsellerautor seit Jahrzehnten gepflegt.

Im Berthold-Auerbach-Museum im Schloss Nordstetten lassen sich in einer 1986 vom Deutschen Literaturarchiv Marbach eingerichteten Gedenkstätte seine Schriften und die Stationen seines bewegten Lebens erkunden. Alle fünf Jahre wird zudem der Berthold-Auerbach-Literaturpreis verliehen. Seit 1982 vergibt die Stadt Horb am Neckar im Gedenken an den deutsch-jüdischen Schriftsteller nun zum siebten Mal diese mit 2.500 € dotierte Auszeichnung für ein literarisches Werk, das in der Tradition Berthold Auerbachs steht oder sein Erbe in zeitgemäßer Weise fortführt.

2022 wird diese Auszeichnung an die Schriftstellerin Tina Stroheker aus Eislingen verliehen. Gewürdigt wird sie für die 2021 in der Kröner Edition Klöpfer im Kröner Verlag Stuttgart erschienene poetische Biografie Hana oder Das böhmische Geschenk. Zugleich sollen ihr Engagement zur Förderung von Frauen in Kultur und Gesellschaft und ihr Einsatz für die Verständigung mit Osteuropa die verdiente Würdigung erfahren.

Tina Stroheker wurde 1948 in Ulm geboren. Heute lebt sie in Eislingen an der Fils. Von 1967 bis 1972 studierte sie Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft in München. Danach unterrichtete sie zehn Jahre lang an Gymnasien in Göppingen und Schwäbisch Gmünd. Seit 1983 arbeitet sie als freie Schriftstellerin. Neben weiteren Auslandsaufenthalten war sie Gastschreiberin im polnischen Lodz und 1986 Stipendiatin der Villa Massimo in Rom. Tina Stroheker wurde mit dem Literaturpreis der Stadt Stuttgart 1992 und mit dem Andreas-Gryphius-Preis 2017 ausgezeichnet. Unter anderem ist sie Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und engagiert sich im Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg. Seit vielen Jahren trägt und fördert sie zahlreiche literarische und künstlerische Projekte.

Die Autorin Tina Stroheker widmet ihr Werk der tschechischen Germanistin und Dissidentin Hana Jüptnerová. In 67 Albumblättern verbindet sie eine Auswahl schlichter Familienfotos mit sprachlich dichten, sensiblen Texten. So entsteht ein „poetisches Portrait“, eine ganz eigene, persönliche Art der Biografie, die das reiche Leben einer mutigen und beeindruckenden Frau in Streiflichtern widerspiegelt.

Es gibt dabei keine allwissende Erzählerin, sondern eine Chronistin, die tastet, nachspürt, aufhebt. Ein Betrachten und Beschreiben. Die einzelnen Albumblätter, von denen jedes zum Nach-Fühlen und Nach-Denken einlädt, dokumentieren das freundschaftliche Sich-Annähern zweier Frauen. Solch eine Biografie, die sich aus fotografischen Fragmenten zu einem großen Gedenkbild zusammen zusammenfügt, kann nur eine Dichterin schreiben.

Die feierliche Verleihung des 7. Berthold-Auerbach-Literaturpreises an Tina Stroheker durch Peter Rosenberger, Oberbürgermeister der Stadt Horb a. N., findet am Mittwoch, 25. Mai 2022 für geladene Gäste im Schloss Nordstetten statt.

 

Kommentare (1)
  1. Tina Stroheker ist zu recht mit dem Berhold-Auerbach-Literaturpreis gewürdigt worden.
    In diesem Zusammenhang sei hier auf eine weitere Preisvrleihung hingewiesen:
    Else Lasker-Schüler-Lyrikpreis für Nora Gomringer
    Nora Gomringer erhält den Else Lasker-Schüler-Lyrikpreis 2022. Die mit 3.000 € vom Literaturbüro NRW finanzierte Auszeichnung wird ihr von der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft am 20. Mai in Wuppertal übergeben.

    In der Begründung heißt es u.a.: „In ihrer Lyrik reflektiert die Autorin ihre eigene Existenzsituation immer wieder neu und überraschend. Nora Gomringers Sprache ist geprägt von verstörenden, sich dem unmittelbaren Verständnis entziehenden chiffrenhaften Sprachbildern, die wie von innen die Verse erleuchten. Mit ihren Gedichten appelliert sie weniger an die Vernunft, dafür mehr an das in den inneren Tiefen ihrer Leserschaft verortete Weltverständnis. Ihre Gedichte evozieren eine verstörend-betörende Magie. Dabei verdichtet Nora Gomringer ihre Gedankenempfindungen häufig in dezidiert kurzen Versen und Sentenzen.“
    Die thematische Spannbreite ihrer Gedichte und kurzen Filme umfasse Krankheit, Glaube, Trauerarbeit, Einsamkeit, Ironie und immer eine hintergründige Verspieltheit. So sei es wohl auch zu verstehen, „dass Nora Gomringer als eine der heitersten Dichterinnen ihrer Zeit gilt.“

    Mit dem Else Lasker-Schüler-Lyrikpreis wurden bislang Thomas Kling. Friedrike Mayröcker, Safiye Can, afghanische Jugendliche, die ihre Flucht poetisch verarbeitet haben, und die deutsch-amerikanische Dichterin Geertje Suhr ausgezeichnet.

    Hajo Jahn
    Vorsitzender der
    Else Lasker-Schüler-Gesellschaft e.V.
    Herzogstr. 42, 42103 Wuppertl

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