Dr. Ursula Sinnreich im Sonntagsgespräch zur Tagung "Verlegen als künstlerisches Projekt" „Die Vielfalt sichtbar machen, die durch die editorische Arbeit der unabhängigen Verlage gesichert wird“

Am 5. und 6. Februar treffen sich unabhängige Verlage auf Initiative der Kunststiftung NRW in Düsseldorf. Unter dem Motto „Verlegen als künstlerisches Projekt“ sollen Chancen und Herausforderungen diskutiert werden, denen Independent-Verlage gegenüberstehen. Dies war Anlass für Fragen an die Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, Dr. Ursula Sinnreich.

Dr. Ursula Sinnreich

BuchMarkt: Vor fast einem Jahr haben Sie sich bereits einmal mit unabhängigen Verlegern aus ganz Deutschland getroffen. Damals waren zehn Verlage mit am Tisch und berichteten von ihren Sorgen. Was hat sich seither getan?

Dr. Ursula Sinnreich: Die Kunststiftung NRW pflegt seit vielen Jahren regelmäßigen Austausch mit den von ihr geförderten Künstlerinnen und Künstlern, aber auch mit den für deren Präsenz in der Öffentlichkeit wichtigen Partnern und Institutionen. Wir tun dies mit dem Ziel, auf direktem Weg ungefiltert die besonderen Rahmenbedingungen, Notwendigkeiten und Probleme ihrer künstlerischen Arbeit zu erfahren. Aus einigen dieser Begegnungen sind uns als Förderin neue Ideen für Förderinstrumente oder dringend notwendige kulturpolitische Initiativen erwachsen.
Vor dem Hintergrund unserer intensiven Förderung von Literatur der Gegenwart gerieten uns so  auch die unabhängigen Verlage in den Blick. Das Fazit dieses ersten Treffens, das unter der Fragestellung  „Was brauchen unabhängige Verlage?“  stand, war ebenso klar wie alarmierend: Zahlreiche der in den vergangenen Jahren erfolgten radikalen Veränderungen des Marktes, der Rechtslage und anderer Faktoren gefährden die unabhängigen Verlage in ihrer Existenz.
Die vielfältigen Reaktionen auf dieses Treffen haben uns  deutlich gemacht, dass es zeitnah und dringend ein Forum braucht, das es den Verlagen erlaubt, ein Bild ihrer Lage zu erarbeiten, auf dessen Basis die Bedeutung ihrer Arbeit und deren Unersetzlichkeit öffentlich vermittelt werden kann. Diesem Anliegen entsprechen wir mit unserer Tagung, die nun am 5. und 6. Februar in Düsseldorf stattfinden wird.

Wie viele Verlage haben sich für die morgen startende Tagung angemeldet? Sind es ausschließlich Verlage mit literarischem Programm?

Die Zahl der Teilnehmer macht bereits deutlich, wie brisant die Situation der unabhängigen Verlage ist und mit welchem Druck an einer Veränderung dieser existentiellen Notlage gearbeitet wird. Es haben sich 54 Verlage aus ganz Deutschland angemeldet. Wir haben uns im Rahmen dieser Veranstaltung auf die Verlage mit literarischem Programm konzentriert, um arbeitsfähig zu sein.

Was erhoffen Sie sich von einem erweiterten Kreis der Diskutanten?

Wir möchten die ganze verlegerische und künstlerische Vielfalt sichtbar machen, die durch die editorische Arbeit der unabhängigen Verlage hergestellt und gesichert wird. So reicht das Feld der teilnehmenden Independents vom Ein-Frau Lyrik Verlag bis zum breit aufgestellten Publikums-Verlag.

Um welche Themen wird es gehen?

Im Großen und Ganzen haben wir die breit gestreute Thematik auf vier Themenfelder konzentriert: Zum einen wird es um das öffentliche Bild der Verlage gehen und deren immer größer werdenden Schwierigkeiten, mit ihren Produktionen sichtbar zu werden und zu bleiben. Zum anderen werden wir die Folgen des durch die Globalisierung ausgelösten Strukturwandels thematisieren, die ja in der Konzentration im Sortimentsbuchhandel und die Übermacht der Internet-Konzerne mehr als deutlich werden. Ein weiterer Tagungspunkt wird  Fragen der Interessenvertretung und der Netzwerkarbeit behandeln. Und nicht zuletzt werden wir die Frage des verlegerischen Selbstverständnisses berühren. In welche Richtung das geht, können Sie an dem Titel der Tagung erkennen: „Verlegen als künstlerisches Projekt“.

Fängt das Problem der Verlage nicht schon früher an? Nämlich bei der immer wieder angeführten These, dass insgesamt weniger gelesen werde?

Diese kulturpessimistische These teile ich nicht. Das Interesse an Geschichten und Sprache ist in meinen Augen nach wie vor groß. Es wird aber vielleicht auf andere Weise gelesen und mit Literatur umgegangen. Verlegen findet ja heute nicht mehr allein im Printbereich, sondern auch im digitalen Bereich statt. Aber auch der Boom der Hörbücher macht meiner Ansicht nach deutlich, dass Geschichten erzählen und Geschichten hören nach wie vor zum Kern unserer kulturellen Praxis gehört.

Wo verortet sich die Kunststiftung in diesem Diskurs? Kann Sie mehr sein als eine Diskussionsplattform ?

Die Kunststiftung NRW zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Aufgabe nicht allein in der finanziellen Förderung von Kunst sieht, sondern es als eine wichtige Verpflichtung versteht, die Anliegen der Künstlerinnen und Künstler  und der an der Verbreitung und Sichtbarmachung von Kunst beteiligten Einrichtungen und Personen in die politische und breitere Öffentlichkeit zu tragen. Aus diesem Grund pflegen wir gute Kontakte zu Entscheidungsträgern aus Politik, Kultur, Wirtschaft und anderen Förderpartnern. Vor diesem Hintergrund auch verstehen wir das Arbeitstreffen der unabhängigen Verlage durchaus als eine kulturpolitische Initiative.

Was würden Sie gerne bis Dienstagabend erreicht haben?

Unser Wunsch ist, am Ende der Tagung eine gemeinsame Erklärung der dort vertretenen Verlage vorliegen zu haben, die ein klares Bild der Situation und des Selbstverständnisses der unabhängigen Verlage zeichnet und mögliche Thesen oder Perspektiven formuliert, die zum Erhalt dieser einzigartigen kreativen Tätigkeit notwendig sind.

Die Fragen stellte Susanna Wengeler

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