Veranstaltungen Frankfurt: Gäste auf dem mediacampus

Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann besuchte heute erstmals den mediacampus in Frankfurt-Seckbach und wurde dort von Geschäftsführerin Monika Kolb-Klausch, dem Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Heinrich Riethmüller und dem Ausbildungsleiter Jürgen Lemke im Café Random-House-Libresso begrüßt.

Ankunft: Monika Kolb-Klausch, Peter Feldmann und Jürgen Lemke auf dem Campus

 

„Dieser Besuch ist schon etwas Besonderes“, sagte Feldmann. Eine kleine Besichtigungsrunde auf dem 1962 eröffneten und mehrfach modernisierten und erweiterten, heute 13.000 Quadratmeter großen Campus mit elf Lehrsälen und 77 Internatsräumen schloss sich an. Gerne zeigten Mitarbeiter und Auszubildende dem Gast zunächst die vor allem im Sommer geschätzte Terrasse, von der sich ein beeindruckender Blick über Frankfurt bietet.

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Heinrich Riedmüller, Monika Kolb-Klausch und Peter Feldmann auf der Terrasse

 

Zurzeit sind rund 120 Jugendliche in fünf Klassen auf dem Campus, pro Jahr werden 515 Buchhändler, Medienkaufleute digital und print sowie Kaufleute im Einzelhandel ausgebildet. Dazu gibt es berufs- beziehungsweise ausbildungsbegleitende Bachelorstudiengänge, Seminare für Quereinsteiger und offene Seminare zu Praxisthemen. Acht Dozenten und etwa 13 feste freie Dozenten sowie zahlreiche Referenten sind für die Ausbildung zuständig.

Weiter führte der Besuch in die Campus-Buchhandlung, in der Buchhändlerin und Dozentin Kirsten Dehler die Gäste bereits erwartete. In ersten Überlegungen – die Buchhandlung gibt es seit 1999 – spielte man auch mit dem Gedanken, tatsächlich Bücher zu verkaufen. Doch man wollte keine Konkurrenz zu den Buchhandlungen im Umfeld aufbauen. Zudem spenden die Verlage die Bücher für diesen Laden, ein Verkauf wäre wohl nicht im Sinne der Sponsoren. Alles andere ist jedoch wie in einer richtigen Buchhandlung: Es gibt gestaltete Schaufenster, Thementische, Regale nach Interessengebieten, einen Webshop. Die Buchhandlung wurde Anfang 2016 von Azubis neu gestaltet und stieß bei den Besuchern auf viel Anerkennung.

Die Siegfried Unseld Bibliothek und die Piper Lounge, in der ein Gespräch stattfand, waren die nächsten Anlaufpunkte. Die Jugendlichen hatten sich auf die Begegnung mit dem Oberbürgermeister gut vorbereitet. Bleibt ihm bei einem vollen Arbeitstag noch Zeit für die Familie? „Zu wenig“, bekannte Feldmann, der eine siebenjährige und eine sechs Monate alte Tochter hat. Als er zu Beginn seiner Amtszeit 2012 einen Tochter-Tag einrichtete, schalten ihn die Medien und kritisierten sein Fehlen bei wichtigen kulturellen Veranstaltungen. Doch eine Umfrage unter der Bevölkerung ergab, dass auch ein Oberbürgermeister sich eher um seine Familie kümmern und nicht zu jeder Vernissage auftauchen müsse.

Sein schönster Moment, sagte Feldmann, sei die Demonstration von 16.000 Menschen in Frankfurt gegen AfD und Pegida im Januar 2016 gewesen.

 

Kultur für alle, diese von Frankfurts ehemaligem Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann vertretene Forderung, gelte es auch heute noch durchzusetzen: „Das ist ein permanenter Prozess“, sagte Feldmann. Auch der mediacampus trage dazu bei, die Campus-Buchhandlung verdiene Bestnoten.

 

Beim Thema Buchbranche wandte sich Frankfurts Stadtoberhaupt „gegen das Gejammer in der Branche“. Lesen sei in jeder Hinsicht wichtig, gleich, ob im E-Book oder im gedruckten Buch. Er laufe seit einem Jahr den Verlagen hinterher und wünsche sich zur Frankfurter Buchmesse eine Sonderzeitung speziell für Kinder und Jugendliche, die in allen Schulen verteilt werden sollte. „Auf diesem Sachgebiet gibt es doch die größten Zuwächse“, unterstrich Feldmann. Vielleicht sollte man nicht Länder oder Regionen als Buchmesse-Ehrengäste küren, sondern einfach die Kinder- und Jugendliteratur in den Mittelpunkt rücken, bemerkte der Oberbürgermeister.

 

Ein weiterer Höhepunkt des Tages war die Lesung von Navid Kermani „im Herzen der Buchbranche“, wie Monika Kolb-Klausch den Autor in der Campus-Mensa begrüßte. Dozent Osama Ishneiwer sprach vorab und verwies auf die imposante Reihe der Autoren, die den Campus besuchten und besuchen werden. „Wir sind hier auf Hogwarts Zauberberg der Buchbranche“, äußerte Ishneiwer.

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Monika Kolb-Klausch, Peter Feldmann und Heinrich Riethmüller in der Mensa

Navid Kermani las zunächst Passagen aus seinen Romanen Große Liebe, 2014 im Hanser Verlag München erschienen, und Sozusagen Paris, 2016 ebenfalls bei Carl Hanser publiziert. Anschließend stellten ihm die Auszubildenden und Mitglieder der Lese-AG Louisa Fromm, Esther Kolbe und Marlene Mathewson Fragen – beispielsweise, was für einen Leser sich Kermani wünsche. Der antwortete: „Der Leser sollte sich Mühe geben, denn der Autor hat das Buch mit Herzblut geschrieben. Natürlich darf man ein Buch auch wieder weglegen, wenn man damit nicht zurecht kommt, aber man sollte es zumindest versuchen.“

 

Kermani gehe die Rezensionen seiner Bücher durch, vor allem liebe er die Kritiken von Wolfram Schütte, den er schätze. Allerdings habe sich der Umgang mit Rezensionen gewandelt, während Grass und Böll von schlechten Kritiken noch tief getroffen waren, gingen die heutigen Schriftsteller auch aufgrund der Vielzahl der Besprechungen anders damit um. „Es ist schön, wenn ein Buch gelobt wird. Schöner ist es, wenn ein Buch für einen oder mehrere Menschen bedeutsam ist, etwas in ihnen auslöst“, fasste der Autor zusammen. Romane bestünden eigentlich mehr aus vorangegangener Lektüre als aus Autobiografischem. „Und ich lege da auch meinen Maschinenraum offen“, erklärte Kermani.

JF

 

Kommentare (1)
  1. Aufgrund dieses Berichts in beiden Branchentickern habe ich unserem OB Feldmann gestern geschrieben, wie wenig ich seine Behauptung „er laufe seit einem Jahr den Verlagen hinterher“ nachvollziehen kann, denn auf Moritz (als einem von gerade mal zwei Frankfurter Kinderbuchverlagen) kam er nie zu. Ich hätte aber auch mehr als skeptisch auf seine Idee einer „Sonderzeitung speziell für Kinder und Jugendliche, die in allen Schulen verteilt werden sollte“ reagiert. Denn was soll sie bewirken? Wie schnell landet so etwas ungelesen im Papiermüll!

    Viel wichtiger wäre eine Initiative der gutsituierten Stadt Frankfurt, die BÜCHER in die Kindergärten und Grundschulen trägt! Müssen wir uns denn noch in zehn Jahren damit abfinden, dass in Frankreich jede x-beliebige école maternelle, jede école primaire ganz selbstverständlich über eine gepflegte, gut ausgestattete und regelmäßig erneuerte Bibliothek verfügt, während hierzulande ein paar Regale abgeschrappter, längst nicht mehr lieferbarer, oft sogar veralteter Bücher ein tristes Schattendasein führen?
    Oder dass es in den USA mehrere Verlage gibt, die ausschließlich für den „school library market“ produzieren. Unvorstellbar hierzulande.

    Statt Verlage zu schelten, sollte Herr Feldmann sich doch bitte Gedanken machen, was die Aufgabe der Politik wäre. Wir Verlage bieten dafür schon jetzt passende, gute Bücher. Aber wir produzieren nur ungern für den Papiermüll.

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