Veranstaltungen Frankfurter Buchmesse: Mehr Event oder Literatur pur – Wie gewinnen wir Buchkäufer zurück?

Am Messefreitag fand im Forum Börsenverein eine Diskussion um Events, um Literatur und die Rückgewinnung von Buchkäufern statt, an der Helge Malchow, Kiepenheuer & Witsch; Dorothee Junck, Buchladen Neusser Straße Köln, und Gerrit Bartels, Feuilleton Tagesspiegel, teilnahmen. Christina Schenk vom WDR3 moderierte.

„2013 gab es noch 36 Millionen Buchkäufer, 2017 nur noch 29,6 Millionen Menschen, die Bücher kauften. 44 Prozent aller Deutschen geben noch Geld für Bücher aus, der Käuferschwund ist in der Gruppe der 20- bis 49-Jährigen am größten. Merkt man das alles?“, fragte Schenk.

„Die Frequenz in unserem Laden ist nicht mehr so hoch, aber viele kommen noch zu uns, weil es im Buchladen attraktiver ist, als in der Schlange an der Post zu stehen und sein Paket abholen zu müssen“, antwortete Junck.

„Bei Kiepenheuer & Witsch sind keine Einbrüche zu verzeichnen. Aber wir denken darüber nach, wie Buchkäufer zurückgewonnen werden können. Leider haben wir kein Rezept“, sagte Malchow und fügte hinzu: „Es geht ja nicht nur um die Buchhandlungen, der Einzelhandel insgesamt schrumpft, die Stadtzentren werden weniger besucht.“

„Die Zahlen scheinen dramatisch zu sein. Die Redaktion bekommt nach wie vor Massen von Büchern, die schwierig zu bearbeiten sind, weil Kapazitäten fehlen. Die Süddeutsche und die F.A.Z. haben täglich eine Buchseite. Doch die Serien, die im Gespräch der Menschen sind, können wir auch nicht übergehen – selbst wenn sie Zeitvergeuder sind“, erklärte Bartels.

Es fehlten vorbildliche Leser, äußerte Junck. Beispielsweise habe Pep Guardiola sich zum Buch bekannt. „Auf dieser Strecke könnte man mehr tun. Außerdem ist es so, dass Serien nicht pauschal verteufelt werden sollten. Manche führen auch zum Buchkauf.“

„Ich bin optimistisch, dass es noch in 20 Jahren eine Buchkultur geben wird“, stellte Malchow fest, „aber wir müssen für mehr Sichtbarkeit des Buches sorgen.“ Das gelinge schon auf großen Literaturfestivals, sollte aber im kleinen Format in den Buchhandlungen ebenfalls organisiert werden. „Zum richtigen Zeitpunkt muss das richtige Thema angepackt werden“, unterstrich der Verleger. Selbstverständlich liege es auch an Autoren und Verlagen, ob Bücher wichtiger werden als eine Netflix-Serie. „Wir sollten nicht so viel lamentieren. Je größer die Möglichkeiten werden, dass jeder Bücher schreiben und veröffentlichen kann, desto mehr müssen Verlage auswählen und Vertrauen schaffen“, erklärte Malchow.

„Das Wort Sortimenter kommt von sortieren. Das machen wir in unserem Buchladen. Als kleinere Buchhandlung kennen wir unsere Kunden und können auf ihre Wünsche eingehen. Buchvielfalt ist ein hohes Gut. Der Besuch auf dem Samstags-Markt könnte mit einem Besuch in der Buchhandlung verbunden werden“, wünschte sich Junck.

„Es wächst eine Generation heran, die nicht mehr weiß, wie ein Buch aussieht. Allerdings wird es immer Menschen geben, die an Hochliteratur interessiert sind“, bemerkte Bartels.

„Eine zusätzliche Aufgabe kommt auf die Branche zu: Wir müssen das Buch als Medium rechtfertigen. Eine 300-Seiten-Biografie kann ich eben nicht durch ein Interview ersetzen. Das Buch sollte sich nicht an anderen Medien orientieren und kleiner und einfacher werden“, meinte Malchow.

„Gelingt es möglicherweise mit Apps, Leser zu motivieren?“, fragte Schenk. Bartels hielt das für eine interessante Idee, die vielleicht funktionieren könne.

„Wir veranstalten einen Lesemittwoch. Zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr treffen sich Leute in Leseclubs oder lesen zu Hause, dann verständigen sie sich analog oder digital“, berichtete Junck.

„Es gibt massenweise Lesezirkel im Land. Das ist ein Phänomen. Außerdem gibt es eine große Blogger-Szene, die auch von Verlagen unterstützt wird“, fügte Malchow hinzu.

„Trotzdem gibt es über sechs Millionen Buchkäufer weniger. Die zurück zu kriegen, wird schwierig. Wir sollten uns darauf konzentrieren, die übrigen Buchkäufer zu behalten“, sagte Bartels.

„Das Sachbuch boomt gerade in den USA, dort wir heftig politisch debattiert“, äußerte Malchow.

Sollten Bücher besser inszeniert werden? Bartels warnte: „Bei zu viel Event könnte der Buchinhalt am Ende untergehen. Aber Festivals haben ihre Berechtigung, absurde Ideen dagegen nicht.“

Junck, die etwa 30 Veranstaltungen im Jahr organisiert, verwies auf viele erfolgreiche Kindernachmittage.

„Die lit.Cologne gibt seit 2001 einen Impuls für das Buch und ist das größte Literaturfestival Europas. Es wird nicht nur über Bücher gesprochen, es werden auch gut Bücher verkauft“, sagte der Verleger und ergänzte: „Festivals schlagen Brücken zwischen Autoren und Lesern.“ Die Faszination liege bei der Entdeckung neuer Bücher und neuer Autoren.

Zudem verwies Malchow auf die Serie Babylon Berlin. „Die ersten beiden Staffeln basieren auf Volker Kutschers Kriminalroman Der nasse Fisch. Nun werden durch die Serie auch weitere Bücher von Kutscher interessant.“

„Buchkäufer werden durch gute Bücher und durch die Werbung dafür gewonnen“, stellte Junck fest.

Malchow sagte abschließend: „Das Buch darf nicht zum Fetisch gemacht werden, neben guten Büchern gibt es ja auch sehr viele schlechte. Deshalb brauchen wir literarische Bildung – gerade an den Schulen.“

JF

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