Veranstaltungen Frankfurter Buchmesse: Unabhängige Verlage – wie funktioniert das?

Gestern fand im Azubistro ein Gespräch mit der Verlegerin Anya Schutzbach, weissbooks, und Sewastos Sampsounis, Größenwahn Verlag – beide Frankfurt – statt. Paula Pfeiffer, Studentin Buchwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, moderierte.

Paula Pfeiffer, Anya Schutzbach, Sewastos Sampsounis

Zunächst stellten beide Verlagsleiter ihre Unternehmen vor. Schutzbach bezeichnete ihr vor zehn Jahren mit Rainer Weiss gegründetes Haus kurz als „Verlag für zuverlässige Überraschungen“, eine Formulierung, die weissbooks schon lange begleitet.

„Auch wir sind immer auf der Suche nach etwas Neuem“, sagte Sampsounis. Sein Verlag entstand aus dem gleichnamigen Café; anlässlich dessen 30. Bestehen 2008 wurden Gedichte gesammelt, über 100 Verse lieferten die Kunden. Doch wo sollte die Anthologie veröffentlicht werden? Sampsounis wurde vom Café-Betreiber zum Verleger. „Im Gegensatz zu Anya Schutzbach und Rainer Weiss, die bei Suhrkamp gearbeitet hatten, war ich ahnungslos in die Buchbranche geraten“, verriet der Verleger.

Kurt Wolff empfahl einmal nur Leuten mit Geld eine Verlagsgründung. Wie sah das bei ihnen aus?“, wollte Pfeiffer wissen. Die Verleger lächelten – überflüssige Mittel standen beiden nicht zur Verfügung. „Als ich Anfang 40 war, stellte ich mir die Frage, was bleibt. Ich wollte etwas auf die Beine stellen, was von Dauer ist, also gründeten wir einen Verlag“, verriet Schutzbach. „Andere Leute haben Kinder, bei uns sind die Bücher unsere Babys“, stimmte Sampsounis zu. Wenn ein neues Buch aus der Druckerei kommt, sei das aufregend. „Und man schämt sich, wenn man trotz aller Achtsamkeit Fehler entdeckt“, gestand der Größenwahn-Verleger.

Der Unterschied zu großen Editionshäusern bestehe in der Zahl der Mitarbeiter und vor allem in der Finanzierung, erklärte Schutzbach. „Wenn beispielsweise ein Buch 19,80 Euro kostet, bleiben dem Verlag nach allen Ausgaben 1,69 Euro übrig. Da ist Sparsamkeit angesagt.“ Deshalb setzten Unabhängige eher auf Guerilla-Marketing als auf teure Werbekampagnen. „Wir sprechen die Buchhandlungen an und nutzen soziale Netzwerke“, sagte die weissbooks-Verlegerin.

„Unsere Bücher schaffen oft nicht den Sprung in die Buchhandlungen“, gab Sampsounis zu. Andererseits, ergänzte Schutzbach, würden Indies in den letzten Jahren stärker beachtet, das sei eine Chance. „Schöne Bücher dürfen nun auch mehr kosten“, fügte sie hinzu.

„Man muss Nischen nutzen“, meinte Sampsounis. „Ist das dann nicht regional begrenzt?“, fragte Pfeiffer nach. Das verneinten beide Verleger. „Das Internet ist für uns ein Segen, wir können sofort Aktionen starten – auf allen Kanälen“, erklärte Sampsounis.

„Wird es bei den vielen Indies nicht langsam eng in der Nische?“, hakte Pfeiffer nach. „Eigentlich wollen wir raus aus der Nische, es nützt uns nichts, dort in Schönheit zu sterben“, erklärte Schutzbach, deren Verlagsprogramm sie mit „schöner Belletristik, die gut ankommt, erzählende Sachbücher und das Besondere“ umschreibt. Beispielsweise Hertzmann’s Coffee von Vanessa F. Fogel; „da riecht man den Kaffee auf jeder Seite“.

„Was heißt denn Nische? Das wäre erst einmal zu klären“, warf Sampsounis ein. „Wir haben in Vorbereitung auf den diesjährigen Ehrengast der Buchmesse den französischsprachigen marokkanischen Autor Mohamed Leftah entdeckt. Sein Buch Der letzte Kampf des Kapitän Ni’mat darf in Marokko nicht erscheinen. Aber in unserem Verlag in der Übersetzung von Laura-Victoria Skipis.“ Ob sich ein schwul-lesbischer Autor – ein Segment des Größenwahn-Verlags – aus Georgien für die Buchmesse 2018 finden lässt, sei allerdings noch nicht klar.

„Welche Strukturen haben den kleine Verlage?“, interessierte Pfeiffer. „Mitgründer Rainer Weiss hat sich zum 1. September aus dem operativen Geschäft verabschiedet, bis dahin hatte weissbooks eine Doppelspitze; Weiss war für den Content, ich für Administration und Herstellung zuständig. Dazu haben wir zwei Volontäre und ein bis zwei Hospitanten“, erklärte Schutzbach. „Der Größenwahn-Verlag ist eigentlich ein Ein-Mann-Betrieb. Aber wir haben viele freie Mitarbeiter; Lektoren, Projektarbeiter und viele Praktikanten, die drei Monate bei uns sind, alles kennenlernen und viele Freiheiten haben.

„Und wo kommen die Manuskripte her?“, fragte Pfeiffer. „Wir bekommen viele Manuskripte, aber tagsüber bleibt uns keine Zeit zum Lesen. Meine tägliche Arbeit besteht hauptsächlich aus Kommunikation.“ Dennoch würden alle Manuskripte im Verlag durchgesehen. Aber: „Außergewöhnliches kommt selten“, bemerkte Schutzbach.

„Inzwischen kommen wöchentlich bis zu 20 Manuskripte. Die Lektoren lesen und schlagen vor“, äußerte Sampsounis.

Einig waren sich beide Verleger: Buchmessen sind wichtig – selbst wenn sie sehr teuer sind. Aber man kann Kontakte knüpfen und ist präsent.

JF

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