Veranstaltungen Georgischer Abend beim „literaTurm“ in Frankfurt

Gestern Abend fand in der vierten Etage unter dem aufgeheizten Dach des Hauses der Deutschen Ensemble Akademie in Frankfurt eine Veranstaltung mit den georgischen Autoren Nana Ekvtimishvili, Davit Gabunia und Aka Morchiladze statt.

Unter dem Titel Zwischen Karabach und Birnenfeld. Neue Literatur aus Georgien stellte Doris Akrap die drei Schriftsteller und ihre Werke vor.

Eröffnet wurde der Abend vom Trompeter Sava Stoianov, Ensemble Modern. Er war noch mehrfach, später auch mit dem Hornisten Saar Berger, zu hören.

Aino Kelle vom Kulturamt der Stadt Frankfurt, Organisator des Festivals literaTurm, begrüßte die Gäste, Nino Nadibaidze, Koordinatorin des Literaturprogramms beim Ehrengastauftritt Georgiens zur kommenden Frankfurter Buchmesse, richtete ebenfalls einige Worte an die vielen Besucher.

Doris Akrap erinnerte zunächst an John Dos Passos, der im Alter von 25 Jahren 1921 unter anderem Georgien bereiste und seine Eindrücke im Buch Orient-Express schilderte, das erstaunlicherweise erst 2013 bei Nagel & Kimche auf Deutsch publiziert wurde. Die Region befand sich nach dem Ersten Weltkrieg und in den frühen Jahren der Sowjetunion im Umbruch. Akrap nannte auch Stephan Wackwitz’ Buch Die vergessene Mitte der Welt, 2014 bei S. Fischer erschienen, das ebenfalls Umbrüche beschreibt.

Stefan Weidle, Aka Morchiladze, Doris Akrap, Nana Ekvtimishvili, Davit Gabunia

Doch wie empfinden georgische Autoren ihr Land? „Alle drei sind in ihrer Heimat Stars“, erklärte Akrap. Nana Ekvtimishvili, 1978 in Tbilisi geboren, studierte Philosophie in ihrer Heimatstadt und Dramaturgie an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg. Seit 1999 veröffentlicht sie, wurde für ihre Drehbücher, die sie auch gemeinsam mit ihrem Mann Simon Groß schreibt, mehrfach ausgezeichnet. 2015 veröffentlichte sie den Roman Das Birnenfeld, im August wird das Buch bei Suhrkamp auf Deutsch erscheinen.

Nana Ekvtimishvilis Mann betreibt in der georgischen Hauptstadt eine Eisdielen-Kette. Warum eigentlich keine Kino-Kette, es gibt ja bereits fünf über die Landesgrenzen hinaus erfolgreiche Filme?, fragte die Moderatorin. „Von Eis kann man besser leben als von Filmen und Büchern, dachten wir“, antwortete Ekvtimishvili. Sie lebt in Berlin und Tbilisi. „Berlin ist ruhig, still und entspannend – im Gegensatz zu Tbilisi. Dort bin ich immer im Stress. Aber in Berlin vermisse ich manchmal das Chaos“, sagte die Autorin.

Ihr Roman Das Birnenfeld hat einen autobiografischen Aspekt, Ekvtimishvili lebte als Kind und Jugendliche neben einem Heim für sogenannte Debile – bewusst hat sie das Schimpfwort aus Sowjetzeiten beibehalten. „Die meisten Kinder in dem Heim sind aber gar nicht debil, sondern einfach nur verlassen“, erklärt sie und liest eine Passage. Das Buch schrieb sie, um die Frage zu beantworten, wie es ihr möglich war, neben so viel Gewalt zu leben, diese Zeit nicht zu verdrängen oder zu vergessen. „Wir sahen kaum Behinderte auf den Straßen“, erinnert sie sich, ihr Kollege Davit Gabunia nickte. 1982 in Poti am Schwarzen Meer geboren, übersetzte er Shakespeare, Strindberg und Joanne K. Rowlings Harry Potter, schrieb eine TV-Serie und Theaterstücke. Im August wird bei Rowohlt sein erster Roman Farben der Nacht auf Deutsch erscheinen. Jochen Nix las daraus das erste Kapitel. Im Buch geht es um Sura, einen Hausmann, der seine Arbeit verloren hat, um seine Frau Tina und um einen neuen Nachbarn, den Sura beobachtet. „Das erste Kapitel habe ich für die Kritiker geschrieben, was folgt, ist wesentlich einfacher zu lesen und geht nicht so ins Detail“, bemerkte Gabunia anschließend. Ernst fügte er hinzu: „Ein Mann, der in allen Dingen unsicher ist, kann zur Gefahr werden.“

Aka Morchiladze, 1966 in Tbilisi geboren, hat viele Bücher geschrieben. Bereits 2006 erschien bei Pendo Santa Esperansa auf Deutsch, 2018 sind Schatten auf dem Weg herausgekommen, im September folgt Obolé im Mitteldeutschen Verlag. Im Weidle Verlag ist Reise nach Karabach erschienen, in Georgien wurde das Buch bereits 1992 veröffentlicht und dreimal verfilmt. Morchiladze wurde mehrfach ausgezeichnet, er scherzte: „Vor 15 Jahren war es leichter, in Georgien einen Literaturpreis zu erhalten.“ Inzwischen zähle er Bücher und Preise nicht mehr: „Das ist mir nicht so wichtig.“ Wichtig ist ihm das Schreiben, die Freude und das Glück, die er dabei empfindet, motivieren ihn. „Ich würde weiter schreiben, selbst wenn die Bücher nicht mehr veröffentlicht würden“, sagte er. Stefan Weidle hat sein nächstes Buch Der Filmvorführer bereits angekündigt, es wird im September in den Handel kommen. „Es ist eine bewegende Geschichte in einer sehr wichtigen Zeit in Georgien“, verriet Stefan Weidle.

Dann las Jochen Nix aus Reise nach Karabach. „Es ist eines meiner Lieblingsbücher“, sagte Morchiladze anschließend. Das Buch habe seine eigene Geschichte, spiele in einer Region, in der Bürgerkrieg und Chaos herrschen und waghalsige Ideen, schnell zu Reichtum zu kommen, beinahe gelingen könnten. Es sei eigentlich kein politischer Roman. Die Titelfindung war für den Autor verblüffend einfach: „Es gab mal einen Film, der hieß Die Reise nach Sopot, der hat mir gut gefallen. Also habe ich mein Buch so ähnlich genannt.“ Die Reise nach Sopot war übrigens der Diplomfilm der georgischen Drehbuchautorin und Filmregisseurin Nana Dschordschadse, die 1948 in Tbilisi geboren wurde. Der Film war in der Sowjetunion viele Jahre lang verboten. Inzwischen ist Dschordschadse Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS), die jedes Jahr die Oscars vergibt.

Liest Aka Morchiladze eigentlich die Bücher seiner Kollegen?, fragte Doris Akrap. Ja, aber er bevorzuge nun mal das Schreiben, antwortete er.

Wer Namen georgischer Autoren künftig liest, wird sich über zig verschiedene Schreibweisen wundern. Das muss nicht stören, denn wichtiger als korrekte und einheitliche Schreibweisen, die es ohnehin nicht zu geben scheint, ist das, was diese Schriftsteller zu sagen haben. Vielleicht schmeckt manches Buch wie Nana Ekvtimishvilis Lieblingseis nach Blaubeeren und Maulbeeren – das ist für sie ganz und gar georgisch. Die Geschichten, die alle drei an diesem Abend vorgestellt haben, schildern allerdings Probleme und Charaktere, die überall vorkommen können und uns bewegen.

JF

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