Gerhard Beckmanns Meinung – Ein amerikanisches Menetekel für Deutschland

Rekorde hat es im Buchverkauf der USA gehagelt. Der neue Harry-Potter-Roman fand quasi über Nacht 4,5 Millionen, inzwischen sogar 8,5 Millionen Käufer. Hillary Clintons Memoiren gingen am Erscheinungstag 400.000mal über den Ladentisch – mittlerweile sind es über 800.000. John Steinbecks Roman Jenseits von Eden (aus dem Jahr 1956) hat auf Empfehlung der TV-Quotenkönigin Oprah Winfreh binnen acht Tagen eine Million Leser erworben. So was hatte es noch nie gegeben.

Dahinter steht jedoch eine beunruhigende Geschichte, die der Medienjournalist David Kirkpatrick in der New York Times publik gemacht hat. Die Hälfte der Exemplare – ganze 50 Prozent – wurde nämlich von Discount-Märkten wie Mal Mart und von Discount-Clubs wie Costco abgesetzt. Das ist neu, ebenso der Grund: Dort kosteten die Bücher nur fast die Hälfte.

Nun könnte man sich ja freuen, dass so viel mehr Menschen Bücher kaufen – das gilt jedoch eben nur für wenige aktuelle Hot-Seller, mit denen Kunden dort für andere Waren geködert werden. Und deshalb gehen nun viele Leute nicht mehr in Buchhandlungen, wo sie – Studien zeigen es – zusätzlich andere Werke erwerben. Daraus folgt: Erstens werden die Verlage weniger und weniger Titel verlegen, die nicht von den Medien nach Hollywood-Manier gehypt werden und einen Massen-Run bewirken. Zweitens: Die Verlage werden finanziell ausbluten – die Discounter verlangen angeblich halsabschneiderische Rabatte, welche die normalen, zur Programmgestaltung erforderliche Rendite unterminieren. Drittens: Daraufhin wird eine Buchhandlung nach der andern verschwinden. Ihr Anteil am Buchgesamtumsatz hat sich in den USA seit 1992 bereits auf ungefähr 28 Prozent. reduziert- etwa die Hälfte ihres Marktanteils in Deutschland.

Solche Entwicklung ist bei uns bisher unmöglich, weil Bücher dank der Preisbindung hier überall gleichviel kosten. So profitieren wir von einer Vielfalt der Buchproduktion und sind froh über ein flächendeckendes, dichtes Buchhandelsnetz. Unsere Großverlage und –buchhandlungen scheinen jedoch insgeheim irgendwie auf die Aufhebung des festen Ladenpreises zu setzen. Davon erhoffen sie sich Umsatzsteigerungen– auf Kosten der Kleinen. Doch wie das Beispiel Amerika zeigt: Wenn der preisliche Wettbewerbsriegel fällt, ist kein Halten mehr. Die in kurzfristigem Karrieredenken befangenen Manager amerikanischer Großverlage und Buchhandelsketten haben sich selbst das Wasser abgegraben. Nun schreien sie Zeter und Mordio.

Falls unsere Großen den festen Ladenpreis für Bücher hintertreiben sollten, werden sie bald in eine ähnliche Bredouille geraten – und die deutsche Buchkultur zum Schornstein hinaus jagen.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert