Gerhard Beckmanns Meinung – Die buchhändlerischen Harry Potter-Spektakel einmal mit den Augen L. Frank Baums betrachtet, des „Zauberers von Oz“

Das Tamtam zum Erscheinen von J.K. Rowlings „Harry Potter und der Orden des Phonix“ hat spöttische und verächtliche Kulturkommentare ausgelöst und ist selbst bei Buchhändlern hier und da auf Kritik gestoßen. Vielleicht sollte man die Sache mal aus der Sicht eines echten Fachmanns betrachten, der außerdem ein bedeutendes Werk der Kinderbuch-Weltliteratur verfasste.

Der Kaufboom im Amerika des späten 19. Jahrhunderts hatte eine Reihe von Gründen, die sich, wie Adam Gopnik in einer wunderbaren Reportage im Septemberheft des „New Yorker“ darlegt, vor allem in den neuartigen Department Stores manifestierten. Das Geheimnis von deren Erfolg lag, so Gopnik, nicht zuletzt in der Kombination von kühnem Warendisplay und gigantischen Schaufenster-Dekorationen.

„Doch das wichtigste Element in der Alchemie des aktiven Verkaufens“, merkt Christina Rosenberger in einem Leserbrief des Oktoberheftes an, „ist Fantasie. Die frühen Department Stores waren meisterhaft im Erschaffen theatermäßiger Umfelder, deren Motive sie häufig direkt vom Broadway übernahmen. Und, wirklich, der berühmteste Schaufenster-Gestalter im New York der Jahrhundertwende war L. Frank Baum – der Autor des großen amerikanischen Kunstmärchens ‚Der Zauberer von Oz`. Baums legendäre Schaufenster wirkten durch ihre betörende Mixtur von Farben und Designs, indem sie eine Atmosphäre heimlichen, doch unmissverständlichen Verlangens erzeugten.“

Darf man sie nicht auch für Bücher erzeugen? Haben es die Buchhändler/innen, die ihre Geschäfte in der Nacht des vergangenen Freitag und am Samstag in Märchenstuben für (kleine und große) Kinder verwandelten, nicht recht gemacht?

„Es heißt manchmal , die Menschen ließen sich“ von derlei „so leicht nicht verführen“, so L. Frank Baum, „aber im Grunde wissen wir doch alle, wie es wirklich ist.“

Müssen wir es bei Büchern erst wieder lernen?

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