Gerhard Beckmanns Meinung – Die Masse wird’s nicht bringen

So starke öffentliche Wellen wie Lynn Hirschbergs Peter Olson-Portrait im Magazin der New York Times hat ein Bericht über einen Verlagsmanager [mehr…] wohl noch nie geschlagen. Jetzt tut sein Verlagsimperium, Random House, alles in seiner Macht Stehende, um den Schaden zu begrenzen – man lese nur den Beitrag von JordanMejias („Heuern, Feuern, Schiffchen steuern“) im heutigen Feuilleton der FAZ.

Mejias schreibt, dass es in der New Yorker Verlagsszene keiner wagt, sich zu Lynn Hirschbergs Portrait zu äußern. Nur Stuart Applebaum , „in der ‚Times’ zum engsten Weggefährten Olsons ernannt, ist mutig genug, sich nicht in betretenes Schweigen zu hüllen. Er schlägt zurück im Namen Olsons, der auf Reisen sei und bis auf weiteres keine Stellung beziehen wolle.“

Was Jordan Mejias zu erwähnen vergisst: Erstens: Stuart Applebaum ist in New York Chef für die Öffentlichkeitsarbeit von Random House, Peter Olsons oberster PR-Mann. Er tut nur, was sein Job von ihm verlangt.

Zweitens: Das Hirschbergsche Olson-Portrait kann nur mit Billigung und Zustimmung des Konzerns, also eben dieses PR-Strategen Stuart Applebaum zustande gekommen sein. Man sollte den New York Observer vom 28. Juli lesen, um die Hintergründe zu verstehen. Was dort Sara Nelson schreibt, lässt vermuten: Die Hirschberg-Geschichte ist allem Anschein nach das Ergebnis einer total in die Hosen gegangenen PR-Kampagne für Peter Olson.

Nun könnte man das Ganze auch als Sommertheater abtun. Es enthält jedoch einen harten Kern, der betrifft die Verlagsstrategie Peter Olsons, und sie ist der eigentlich beunruhigende Punkt. Sie ist es, die so vielen den Schlaf raubt. Denn Peter Olson, der ein kluger Mann von hohem analytischen Sachverstand ist, scheint überzeugt, dass seine Verlage die von ihm verordneten Konzernrenditen nur zu erwirtschaften vermögen, wenn sie radikal auf den Massen-Appeal von Büchern setzen, auf Bestseller, Bestseller, Bestseller, die mit medialem Superhype Millionen von Menschen zum Bücherlesen bringen, welche bisher jährlich höchstens ein oder zwei Bände von bedrucktem Papier gekauft und gelesen haben. Das bedeutet: Da bahnt sich eine Umkrempelung des bisherigen Verlagsgeschäfts an. Sie macht den meisten Angst.

Peter Olson kann man zu solchem Unterfangen nur Glück wünschen. Er wird es brauchen. Denn Bücher, die sich zu solcher Strategie eignen – die Harry Potter-Romane, Hillary Clintons Memoiren, Dieter Bohlens „Nichts als die Wahrheit“ – sind eine Rarität. Im übrigen lässt sich ein so gewaltiges Buchtheater nicht multiplizieren – das kann es Jahr für Jahr nur zwei-, drei- oder viermal geben, sagen Kenner der Medienwelt. Öfter, so sagen kritische Marketingleute, werden sich die Mengen auch kaum zu der ihnen eigentlich ungewohnten Tätigkeit des Lesens nicht verführen lassen. Kurzum: Die Olson-Strategie wird ökonomisch dauerhaft nicht aufgehen können.

Sie hat zudem einen höchst destruktiven Aspekt, den viele Manager offenbar nicht erkannt haben – einen Aspekt, den ein echter, erfahrener Verleger jedoch instinktiv erkennen würde. Ein Groß-Kampagnen-Titel kostet eine Unmenge Aufwand, Geld und Zeit, er beansprucht so viele Kräfte eines Verlags, dass für andere Titel schlicht zu wenig Aufmerksamkeit bleibt. Wer viele solcher Titel bringt, der schlachtet förmlich sein komplettes Restprogramm – das ist das Ende des Verlegens, selbst wenn es weiterhin noch gute, wichtige Titel im Programm geben sollte.

Es bedeutet das Ende des bisherigen Buchhandels; denn ein Massenabsatz, wie Peter Olson ihn sich offenbar wünscht, ist fast immer nur ein Kürzest-Phasen-Geschäft, das bloß funktionieren kann, wenn Supermärkte etc voll drauf einsteigen. Und für Verlage wird es wohl das Ende jeder ökonomischen Solidität bedeuten.

Die Branche braucht Außenseiter, die ihr neue Impulse geben – Verleger erstarren gern und leicht in Traditionen. Solche Außenseiter brauchen ihrerseits allerdings die Demut, von wirklichen Verlegern mit Erfahrung zu lernen. Die einseitige Betonung eines Marketing-Aspekts richtet meist mehr Schaden an als sie Probleme lösen hilft.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

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