Gerhard Beckmanns Meinung – Google hat Pläne, um zum weltweit bedeutendsten Träger von Buchinhalten zu werden. Anlass zu neuen Sorgen für Verlage und Buchhandel?

Rang und Bedeutung der Frankfurter Buchmesse als dermaßgebliche internationale Branchenkonvent – wenn die Verantwortlichen doch nur alles tun würden, ihre diese Funktion zu erhalten! – werden durch ein Faktum unterstrichen, das hier zu Lande kaum kommentiert worden ist – anders als in England etwa von Joel Rickett, dem stellvertretenden Chefredakteur des britischen Fachorgans The Bookseller, im Londoner Guardian, der wohl führenden Tageszeitung, was die öffentliche Darstellung von Fakten und neuen Entwicklungen im Buchsektor betrifft.

Die beiden Mitbegründer der weltweit größten Internet-Suchmaschine Google, Larry Page und Sergey Brin, treten in Europa nur ganz selten in Erscheinung. Nach Frankfurt jedoch sind sie in diesem Jahr aus Silicon Valley angeflogen – um Verlage für ein neues Projekt zu gewinnen: für das Google Print Project.

Den Managern deutscher Verlagshäuser ist schon mulmig geworden bei dem Antrag des Internethändlers Amazon, Teile von Büchern ins Netz zu stellen, als Appetithäppchen sozusagen, mit denen er seine Kunden zum Buchkauf locken will. Sie bocken (zu Recht). Bei Google aber denkt man noch einen Schritt weiter.

Google verfügt zur Zeit über vier Milliarden Webseiten mit reichlich viel „Quark“ – einem Informationsgemenge von oft fraglichem Nutzen. Um seiner eigenen Zukunft willen möchte Google daher mehr qualititativ Hochwertiges an Inhalten. Und was böte hochwertigere Inhalte als Bücher?

Wie Larry Page dem Kollegen Rickett erklärte, sind Bücher eben ein beliebtes und gutes, ein etabliertes und zuverlässiges Informationsmedium. Darum will Google die Bücher inhaltlich komplett bei sich.

Was hätten die Verlage davon? Laut Rickett verspricht Google ihnen Werbe-Gelder – von woher denn? Etwa von Buchhandlungen, die „gelinkt“ werden? Na schön, Verlage müssen heute auf jede Art von zusätzlichen Einnahmen erpicht sein. So viel Geld wird es hier jedoch auch nicht sein. Wofür würde Google (außer für sich) Werbung machen? Welche Google-User würden denn noch das Gedruckte zwischen zwei Deckeln kaufen? Bis auf eine allgemeine Verunsicherung des traditionellen Buchmarkts, angeheizt von zeitweisem Medienhype – wer erinnert sich noch an die Hysterie wegen elektronischer Bücher? – würde die Sache am Ende kaum etwas bringen außer der Bekräftigung, dass im Internet eh alles umsonst ist.

Müssen wir uns nun wegen dieses Google-Plans sorgen? Wohl kaum. Die Google-Avancen fanden schon in den USA wenig Gegenliebe. Dort haben angeblich nur fünfzehn Verlage angebissen. (Random House, der größte, soll anfänglich Interesse bekundet, sich aber rasch wieder abgemeldet haben.) Da sind die Google-Herren also, in der Hoffnung auf mehr Begeisterung, zur internationalen Buchmesse nach Frankfurt gereist – und dem Vernehmen nach dort ebenfalls auf Skepsis gestoßen.

Es ist, und das hat sich inzwischen herumgesprochen, nämlich folgendermaßen: Jede neue Medientechnologie ist ja an und für sich toll. Nur zeigen sich bald ihre Grenzen. Weil die Unternehmen, die ganz auf sie setzen, um dauerhaft wirklich einschlagen zu können, auf „Content“ angewiesen sind – auf Inhalte im klassischen Sinn, die sie von sich aus nicht zu generieren vermögen, über die sie selbst nicht verfügen. Weshalb die meisten, wie schon zur Jahrtausendwende, nach anfänglich raschem Höhenflug in der Luft platzen wie Seifenblasen. Das gedruckte Buch aber wird aller Voraussicht nach bleiben. Es scheint unersetzbar. Von Zeit zu Zeit geraten nur seine Produktions- und Distributionsmechanismen in eine Krise, mit zeitbedingten Problemen, zu deren Lösung sich immer wieder neue Wege finden – manchmal zeigt sich sogar, dass die alten Wege, wenn modernisiert, nicht die schlechtesten sind.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht‘s.

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