"Wir sind als Verlage nicht der Fußabtreter – wir werden uns wehren müssen" Jan Weitendorf von Hacht: „Wo ist unsere Lobby?“

Diese Stellungnahme zur aktuellen Situation schickt uns soeben Jan Weitendorf von Hacht, CEO der Verlagsgruppe W1-Media:

„Die Papierfabrikanten erzielen Rekordergebnisse. Der Verband der Druckindustrie schlägt Alarm – der Tenor: es findet eine Bereicherung auf Kosten der schwächeren Branchen-Mitglieder statt.

Aber wer sind diese schwächeren Branchen-Mitglieder wirklich? Diejenigen, die sich nicht wehren können, die Verlage. Und wo ist unsere Lobby? Wer schreit auf, wenn die Kosten ins deckenlose steigen? Es gibt sie nicht.

Der Verband der Druckindustrie schreit auf, obwohl wir doch täglich deren Kostenweitergabe als Verlage mittragen müssen. Wir sind diejenigen, deren Aufträge nicht zu den einst vereinbarten Kosten ausgeführt werden, da sich die Papierpreise und die Energiekosten seit Auftragsvergabe wieder verändert haben. Wir sind diejenigen, die sich einfach fügen sollen und zu akzeptieren haben, dass sich zwischen Annahme des Angebotes und somit dem Vertragsabschluss und der Anlieferung der Bücher, die Kosten deutlich verändert haben und diese somit nachträglich verändert werden können.

Da werden plötzlich in den AGB der Druckereien nachträgliche Anpassungsmöglichkeiten und nicht verifizierbare pauschale Energiekosten-Zuschüsse verlangt, die unsere Kalkulationen und damit die Entscheidungsbasis auf den Kopf stellen.

Wo ist die Stellungnahme gegenüber der Druckindustrie und natürlich auch gegenüber der Papierindustrie? Wo ist unsere Lobby?

Wir sind diejenigen, die die Preisbindung verteidigen, da wir wissen, dass ohne diese Preisbindung die Preise in die Höhe schnellen würden, wie dies in anderen Ländern erkennbar ist. Wir sind aber auch diejenigen, die bei den Diskussionen über Mindestpreise wieder außen vor bleiben sollen.

Wo ist da der Fairnessgedanke, wo ist unsere Lobby?

Der Handel fordert zu Recht höhere Ladenpreise, um die steigenden Kosten besser decken zu können. Die Verlage sind gefordert, da wir die Preise festlegen. Auch für uns als Verlage gibt es doch gar kein anderes Mittel als höhere Preise, um die Kostenexplosionen in den Griff zu bekommen.

Aber geht der Handel in der Konsequenz auch mit? Große Buchhändler, haben sich im Verband lautstark Gehör verschafft und die Verlage aufgefordert, Preise zu erhöhen. Wir mussten in der Vergangenheit aber feststellen, dass gerade diese Buchhandlungen die höherpreisigen Titel aufgrund der hohen Preise nicht mehr einkaufen wollten. Wo sind da die großen Verlagsgruppen, die diese Preisentwicklung auch in der Breite mittragen müssen?

Gerade im Kinder- und Jugendbuch haben wir im Verhältnis zur Belletristik seit vielen Jahrzehnten mit einer Diskrepanz zwischen den höheren Druckkosten (4-Farbdruck) und den Kosten für die entsprechenden Illustrator*innen im Verhältnis zu den geringeren Ladenpreisen zu kämpfen. Uns wird aber jetzt schon wieder vom Handel signalisiert, dass Preiserhöhungen gerne erwünscht sind – aber bitte nicht im Kinder- und Jugendbuch!

Hier fehlt es an Verständnis und an Realitätsbezug. Wo ist unsere Lobby, die höhere Preise salonfähig macht?

Die großen Händler retournieren, als gäbe es kein Morgen. Ganze Bereiche, wie das Kinder-Hörbuch werden dem Boden gleich gemacht. Eine selbsterfüllende Prophezeiung, die uns Verlagen die Grundlage raubt. Eine Aufkündigung des Branchenvertrages, der das Retourenrecht in Frage stellt.

Wo ist die Lobby der Verlage?

Seit Monaten werden unsere Kalkulationen immer unansehnlicher – inzwischen haben wir uns an die negativen Kalkulationen gewöhnt – aber langfristig ist das nicht mehr tragbar. Wir werden uns verändern müssen und stecken mittendrin im Veränderungsprozess.

Wir werden mit vielen Dienstleistern aus Kostengründen nicht mehr arbeiten können. Die Prozesse werden verschlankt werden – nur noch ein Korrektorat, mehr interne Arbeit, Reduktion auf Titel, die besser kalkuliert werden können, da es Übersetzungsförderung gibt oder andere Möglichkeiten, um Kosten zu sparen. Keine Messebesuche mehr – Frankfurt wird erst mal die letzte Messe sein, die wir besuchen werden. Es geht um die Existenz…

Wir haben keine Lobby und müssen mit den Folgen umgehen lernen. Aber wir sind als Verlage auch nicht der Fußabtreter – wir werden uns wehren müssen – wir müssen anfangen in herstellerischen Einkaufsgemeinschaften zu denken und Stärken zu bündeln – denn wir haben keine Lobby …“

Kommentare (7)
  1. Sehr geehrter Herr Weitendorf von Hacht,

    als kleinere Buchhandlung mit einem durchaus respektablen Umsatz pro qm kann ich Ihnen nur aus unserer Perspektive antworten. Seit vielen Jahren schon fordern wir höhere Ladenpreise und setzen diese seit sehr geraumer Weile sehr aktiv in unserem Bestellverhalten (bis auf einige wenige und wichtige Ausnahmen) auch sehr erfolgreich ein und um.

    Was soll ich sagen? Bei uns als kleinerem Sortiment wurde der Umsatz pro Titel sehr erfolgreich stark gesteigert. An UNS liegt es NICHT, wenn Ihre von uns mit sehr viel Beifall bedachte Kalkulation nicht so ganz aufgeht.

    Bezüglich des Handels müssen Sie sich also wohl oder übel doch die Frage stellen, mit welchen Handelspartnern realiter (unter Abzug aller „Nebenkosten“ – Anführungszeichen an dieser Stelle GANZ groß) tatsächlich eine Geschäftsbeziehung noch lohnt.

    Das Ganze hat exakt und ganz bestimmt nichts mit Lobby in Ihrem Sinne zu tun, sondern schlicht und ergreifend mit Ihrem Job. In diesem Fall damit, wie (und an dieser Stelle müssen Sie tatsächlich kalkulieren, nachdenken und ggf. runterschrauben) wirtschaftlich interessant der jeweilige Handelspartner ist und in welchem Verhältnis zum Beispiel die ihm eventuell über Gebühr gewährten Konditionen stehen.

    Weiterhin stellt sich natürlich (wie von Ihnen erwähnt) die Frage, warum und aus welchen Gründen diverse Verlagsmitbewerber den dringend erforderlichen Schritt eben nicht mitgehen. Sie wissen, was und wen ich meine.

    Aber glauben Sie mir, in unserer Größenordnung sind wir beim Einkauf schon selektiv, werden aber aufgrund unserer Erfahrungen und der oben geschilderten Umstände noch selektiver werden

    Und ja, Sie fragen nach Ihrer Lobby? Tja, das ist der Börsenverein des Deutschen Buchhandels…

    Herzlicher Gruß
    Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln

    • Ja, da gebe ich Herrn W. von Hacht schon recht. Den Verlagen fehlt die Lobby in Gestalt des Börsenvereins. Dieser wiederum erstarrt in Ehrfurcht vor sich selbst.

      Da ist sich auch der kommentierende Buchhändler mit ihm einig. Ansonsten reicht jeder mal wieder die heiße Kartoffel an den nächsten weiter, nach dem Motto „ich bin´s jedenfalls nicht“…..

    • Lieber Herr Bartsch,

      die „Nebenkosten“ kann sich in unserer Größenordnung kein Verlag leisten – und wie ich schon geschrieben habe, nehmen wir die Preisbindung sehr ernst.

      Ich glaube, dass wir viele Punkte sehr änhlich sehen – nur bei der Lobby: kann ich diese zur Zeit im Börsenverein nur erahnen…

      Beste Grüße,
      Jan Weitendorf von Hacht

      • Lieber Herr Weitendorf von Hacht,

        in der Tat liegen wir mit unseren Einschätzungen vermutlich sehr nahe beieinander und Ihre Einstellung zur Buchpreisbindung nehme ich Ihnen auch ab. Viele andere Markteilnehmer pflegen da seit vielen Jahren leider einen (von uns schon ebenso lange kritisierten) etwas arg legeren Umgang, was nun zum ganz großen Bumerang für uns alle und das gesamte System des deutschen Buchhandels wird.

        Die Erwähnung des Börsenvereins als Ihre Lobby, tja, die war durchaus ironisch gemeint und hat sehr viel mit den beschriebenen Zuständen zu tun.

        Und was Frank Zeithammer als die weitergereichte Kartoffel bezeichnet: Fakt ist, dass wir hier als preisbindungstreue Buchhandlung seit vielen Jahren (u.a. in diversen Kommentaren nachlesbar) vor diversen Entwicklungen und deren Konsequenzen immer wieder gewarnt haben. Was soll ich denn da anderes tun, als die heiße Kartoffel weiterzureichen?
        .
        Ein herzlicher Gruß aus Köln
        Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße

  2. Effektiv wird es, sollte es so weiter gehen, für viele kleinere und mittelgroße Verlage schlicht nicht mehr wirtschaftlich sein überhaupt noch in Deutschland zu drucken und diese Aufträge ins (EU)-Ausland abwandern oder viele Bücher gar nicht mehr erscheinen. Das ist aktuell bei uns schon der Fall und wird sich auf Dauer sicher weiter verstärken.

    Wir sollten alle bedenken: Von „Printed in Germany“ kann sich bei überall steigenden Lebenshaltungskosten am Ende niemand ein Buch mehr leisten als ohne.

  3. Dieser Konkurrenzkampf in der Buchbranche ist wirklich bedauerlich – denn schließlich geht die Käbbelei zulasten toller Bücher, die nicht zur Leserin und zum Leser gelangen, weil niemand (mehr) bereit ist, ihren Druck zu bezahlen. Die Marge könnte ja sinken …

    Ich, lieber Herr Weitendorf von Hacht, bin Selfpublisherin. Und mir kommt Ihre Klage über die bösen Druckereien und die armen Verlage etwas schräg vor. Natürlich sind die steigenden Papierpreise und die großen A…..s ein Problem für den Buchhandel. Aber Sie HABEN wenigstens eine Lobby. Aktivieren Sie sie.

    Als Vertreterin des untersten Endes der Nahrungskette zahle ich die steigenden Papierpreise höchstselbst – und muss beim Druck on demand noch warten, bis alle Verlagspublikationen durch sind. Denn die Verlage drucken neuerdings ebenfalls on demand und haben – selbstverständlich – Vorrang vor kleinen Selfpublishern.

    Weshalb eigentlich, frage ich mich. Auch meine Leser warten auf neue Lektüre. Möglicherweise wegen der Lobby der Verlage?

    Weniger Konkurrenz und mehr Zusammenspannen aus Liebe zu Buch und Leser würde uns allen guttun. Aber zu oft geht es einfach um den Gewinn, nicht darum, für Leserinnen und Leser wertvolle Bücher zu publizieren.

    Wissen Sie, was leider keine Lobby hat: Bücher!

  4. Um überhaupt noch Bücher zu erschwinglichen Preisen verlegen zu können, sind wir mittlerweile mit unserer Produktion weit im Osten Europas angekommen. Während einerseits der Umsatz aufgrund der Krise heftig eingebrochen ist, machen uns Energie- und Papierpreise heftig zu schaffen, was nun überhaupt nichts mit dem Krieg zu tun hat. Auch das Verhalten einiger Druckereien, die einfach ihre Zusagen nicht einhalten, schadet unserem Ruf. Um liquide zu bleiben, mussten wir nun das Novitätenprogramm verkleinern.
    Es ist dringend an der Zeit, dass wir Einkaufsgenossenschaften bilden und unsere eigene Lobby schaffen. Als Kleinverlag im äußersten Südwesten sind wir sicher nicht dazu geeignet, die Initiative zu ergreifen. Dazu haben wir viel zu wenig Integrationskraft. Aber hoch im Norden leitest Du ja die Geschicke Deiner doch deutlich größeren Verlage, Jan. Und ich bin mir sicher, Du könntest hier doch einiges erreichen. Meine Unterstützung hast Du in jedem Fall dafür.

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