Auszeichnungen Joseph Vogl erhielt den Günther Anders-Preis für kritisches Denken

Wolfgang Beck (l.), der Gründer der Stiftung, würdigt Joseph Vogls (r.) „dichte Beschreibung komplexer wirtschaftlicher und technologischer Zusammenhänge, die mit Macht in unsere gesellschaftliche Wirklichkeit hineinwirken“.

 

Zum dritten Mal wurde am 8. Mai 2022 der Günther Anders-Preis für kritisches Denken versliehen; ausgezeichnet wurde der Philosoph, Literatur- und Kulturwissenschaftler Joseph Vogl, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur und Kulturwissenschaft in Verbindung mit Medien an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Regular Visiting Professor an der Princeton University. Die Preisverleihung fand in der Staatsbibliothek zu Berlin statt.

Der Preis wird alle zwei Jahre von der Internationalen Günther Anders-Gesellschaft  abwechselnd in Wien, München und Berlin verliehen und ist mit 20.000 Euro dotiert.  Finanzieller Träger des Preises ist die C.H.Beck-Stiftung in München. Wolfgang Beck, der Gründer der Stiftung, würdigt Joseph Vogls „dichte Beschreibung komplexer wirtschaftlicher und technologischer Zusammenhänge, die mit Macht in unsere gesellschaftliche Wirklichkeit hineinwirken“.

Die Laudatorin Petra Gehring, Philosophieprofessorin an der Technischen Universität Darmstadt, würdigte den auch aus Fernsehgesprächen bekannten Joseph Vogl als vor allem durch Texte wirkenden Intellektuellen: „Und damit ist es eben das Geschriebene, das zählt. Dazu die akademische Ambition, die gelehrte Akribie und vielleicht sogar der akademische Furor, der bei aller Leichtigkeit Vogls Studien so unverwechselbar macht.“ In insgesamt vier Büchern gehe Vogl den Diskursen der kapitalistischen Ökonomie und den Realitäten der Finanzwirtschaft nach. „Rückblickend gesehen vollziehen die Arbeiten in faszinierender Konsequenz eine Art Entdeckungsbewegung, drehen ihren Gegenstand mehrmals und liefern am Ende eine vierfache Genealogie der durch Finanzmacht geprägten Moderne.“

Joseph Vogl nahm die Preisverleihung zum Anlass, in seiner Dankesrede an vergangene Überlegungen mit Gedanken zum Verhältnis von Kapitalismus und Ressentiment anzuknüpfen: „Die List des Ressentiments nimmt den Weg einer Regression, die aus der krisenbedingten Kritik am internationalen Kapitalismus eine Kritik an globalen Abhängigkeiten und aus dieser aber die xenophobe Schablone gewinnt – die Verhältnisse selbst bleiben unbehelligt.“ Abschließend konstatierte Vogl: „Es scheint, als hätte die Dezivilisierung längst angefangen, bevor der Krieg begann.“

Gründungsmitglied und Stellvertretender Obmann der Günther Anders-Gesellschaft, Dr. Christian Dries, fragte in seiner Begrüßung, wieviel Aktualität eine Anders-Preisverleihung vermitteln könne: „Denn wieder steht die Drohung mit dem Einsatz der Bombe im Raum – wobei Günther Anders sofort eingewandt hätte, dass bereits der bloße Besitz der Atombombe ihrer Verwendung als Drohmittel gleichkomme.

Die Jury, der die Philosophin Petra Gehring, der Publizist Mathias Greffrath und der Kulturwissenschaftler Thomas Macho angehören, zeichnet Vogl für sein wissenschaftliches und publizistisches Gesamtwerk, insbesondere für seine jüngeren Arbeiten zur Theorie der Gegenwart und des modernen Finanzkapitalismus aus. Mit ihrer Entscheidung würdigt die Jury einen Autor, dessen kritische Gegenwartsdiagnostik Brücken schlägt zwischen den Disziplinen, etwa zwischen Literaturwissenschaft und Wissensgeschichte, aber auch zwischen Philosophie, Kultur- und Medienwissenschaft, vor allem jedoch zwischen Kulturkritik und Ökonomie.

Joseph Vogl avancierte zu einem Wortführer in der Kritik am modernen und gegenwärtigen Finanzmarktkapitalismus. In seinem jüngsten Werk Kapital und Ressentiment. Eine kurze Theorie der Gegenwart rekonstruiert er, wie im digitalen Zeitalter gigantische Internetkonzerne als neue unternehmerische Machtformationen unser vertrautes politisches Universum grundlegend verändern und immer massiver in die Entscheidungsprozesse von Regierungen, Gesellschaften und Volkswirtschaften eingreifen.

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