Geheimnisse eines Agenten Teil 4 Mission Impossible

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser regelmäßig über die Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs – heute über den unsichtbaren Killer Algorithmus.

Thomas Monsasser: „KI ist halt vor allem K und wenig I. Inhalte, Qualität oder Originalität sind ihr völlig egal. Sie erkennt nur, was sie schon kennt“

Es geht ein unsichtbarer Killer um in unserer Branche. Er ist gnadenlos, eiskalt und er hat es auf die Kleinen abgesehen. Vor allem. Aber auch Große können ihm irgendwann zum Opfer fallen. Vor allem, wenn sie im Begriff sind, etwas kleiner zu werden. Dieser unsichtbare Killer spricht seinen Fluch und vernichtet seine Gegner lautlos, mühelos und restlos. Sein Name: Algorithmus.

Das wird mir wieder einmal bewusst, als sich bei einer Erstlingsautorin herausstellt, dass der Verlag zwar diverse Marketingmaßnahmen in der Vorschau angekündigt, sie dann aber dummerweise vergessen hat. „Vorab Lesen“ zum Beispiel, die Maschine, die Rezensionen generiert, die dann – wenn alles gut geht – Andere dazu animieren, sich für das Werk zu interessieren und es – wenn alles gut geht – auch zu kaufen.

Keine Rezensionen also. Großes Marketing für Neulinge gibt es ohnehin nicht. Leseexemplar gab’s auch keines, von Geldern für eine besondere Präsentation im Buchhandel on- und offline ganz zu schweigen. Mit anderen Worten: Das Buch wird nicht sichtbar. Nun könnte man darauf hoffen, dass es aber als gutes Buch entdeckt und empfohlen wird, dass vielleicht Lesungen Aufmerksamkeit generieren, dass die Vertreterinnen und Vertreter, die es ja schon wärmstens empfohlen haben, es anlässlich des Nachfolgebuchs noch einmal ins Gedächtnis rufen und so üppige Orders generieren.

Das Gegenteil wird leider der Fall sein. Denn die, die der Vertrieb der Verlage früher eingenommen hat, nimmt heute der unsichtbare Killer ein, der Algorithmus. Hat sich das erste Buch glänzend verkauft, wird das zweite kräftig geordert und erhält entsprechende Präsenz im Buchhandel. War das erste nur ein kleiner oder gar kein Erfolg, ist es völlig egal, wie gut das zweite ist (das war im Zweifel auch beim ersten schon egal, es war halt einfach nicht der große Erfolg): der Algorithmus entscheidet sich dagegen. Haben wir beim letzten Mal 100 Stück verkauft, ordern wir jetzt 50. Waren es 10 Stück, ordern wir jetzt 0. In Worten: Null.

Es ist ja auch verständlich, denn irgendwo müssen die 250.000 Exemplare Platz finden, die von dem Nachfolgebuch bestellt werden, dessen Vorgänger 150.000 Stück verkauft hat und für das der Verlag eine sechsstellige Summe an Werbekostenzuschüssen springen lässt. Der Algorithmus macht’s möglich! Weshalb man der Fairness halber feststellen muss, er ist nicht nur ein Killer, er hat auch noch einen Zweitjob als Geburtshelfer. Von Megasellern. Was schon gigantisch läuft, läuft dank künstlicher Intelligenz galaktisch!

Nur eben: Was noch nicht so toll lief, geht den Bach runter. Denn KI ist halt vor allem K und wenig I. Inhalte, Qualität oder Originalität sind ihr völlig egal. Sie erkennt nur, was sie schon kennt. Und sie merkt sich leider nur die erfolgreichen Titel. Einen hochverkäuflichen Bestsellerautor noch erfolgreicher machen? Kein Problem! Das kann jeder Verlag mit Geld und mit links. Eine unbekannte Autorin gegen den Algorithmus aufzubauen? Das wird leider zunehmend zur mission impossible.

Wider- oder Zuspruch:

An  thmontasser(at)montassermedia.de.

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