Wie erzählt man Neunjährigen vom Holocaust? Moritz Verlag: Ein Abend mit Rose und Rebecka Lagercrantz in Berlin

Gestern Abend hatte der Moritz Verlag Berliner Buchhändlerinnen und Buchhändler zu einem Abend mit Rose Lagercrantz ins Kaffeehaus KuchenRausch in Friedrichshain geladen. Im Mittelpunkt stand ihre Neuerscheinung Zwei von jedem. Die schwedische Autorin war zusammen mit ihrer Tochter Rebecka Lagercrantz angereist. Sie ist Kinderärztin und Künstlerin und hat das Buch mit feinen Aquarellen illustriert.

Verleger Markus Weber mit Rose und Rebekka Lagercrantz

Beide hatten ihr berührendes Buch, das von einer Kinderfreundschaft im Holocaust erzählt und tief in Rose Lagercrantz’ Familiengeschichte verwurzelt ist, bereits am Vorabend im Rahmen der „Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus“ im Anne Frank Zentrum vorgestellt und sie absolvierten außerdem mehrere Lesungen in Schulen in Kreuzberg und Neukölln. Finanziell unterstützt wurde die Reise vom Schwedischen Kulturrat.

Rose Lagercrantz las abends nicht nur aus Zwei von jedem, im Gespräch mit Verleger Markus Weber erzählten sie und ihre Tochter lebhaft von der Entstehungsgeschichte des Buches. Kann man schon Neunjährigen vom Holocaust erzählen? Und wie macht man das? Das sind Fragen, die sich auch Rose Lagercrantz stellte. „Ich will, dass Kinder glücklich sind“, sagte sie. Deshalb habe sie lange gezögert, als der schwedische Rundfunk sie bat, anlässlich des Gedenkens an die Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren über das Schicksal von Juden zu schreiben. Als Gegengewicht zu dem Schrecken habe sie dann aber sehr viel Liebe in die Geschichte gepackt und so sei schließlich ein Märchen entstanden. Davon erzählt sie auch im lesenswerten Nachwort.

Gespräch über „Zwei von jedem“ im Kaffeehaus KuchenRausch

Rose Lagercrantz hat ein feines Gespür für die Grenzen des Zumutbaren. Das Thema Konzentrationslager beschränke sich auf gerade einmal drei Seiten, im Vordergrund stehe die liebevoll erzählte Freundschaftsgeschichte zwischen Eli und Luli, so Markus Weber. Und Rose Lagercrantz berichtete, wie die Geschichte bei ihrer Schullesung am Morgen zwölfjährige Schüler gepackt habe, die zunächst gar keine Lust auf eine Autorenlesung hatten. Angesichts des wachsenden Antisemitismus versteht sie ihr Buch auch als Hilfestellung für Lehrkräfte. „Manchmal muss man über Trauriges schreiben, um dem Faschismus keine Chance zu geben“, sagte die Autorin, die selbst Spaß beim Schreiben haben will und daher auch das ernste Thema mit Humor angegangen sei. In schwedischen Schulen sei der Titel beliebt und werde fächerübergreifend eingesetzt, berichtete die Autorin. Überhaupt machte sie immer wieder klar, wie sehr sie an die Wirkmacht von Büchern glaubt. „Ich habe das Buch geschrieben, damit Kinder diese Zeit verstehen.“

Die Gäste waren begeistert von den beiden charmanten Schwedinnen und lobten einhellig die behutsame, meisterhaft erzählte Geschichte und die aussagekräftigen, klaren Illustrationen.

ml

 

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