Rechte Verlage in Onlineshops unabhängiger Buchhandlungen: Offener Brief an die Geschäftsführung der Libri GmbH und die Vorstände der eBuch e.G.

Sehr geehrte Frau Alyna Wnukoswky, sehr geehrter Herr Ulrich Vollmer,
Sehr geehrte Frau Angelika Siebrands, sehr geehrter Herr Bernhard Schäfer,

diverse Medien haben das Thema bereits aufgegriffen und über die Maßnahmen der Kolleg*innen von Kohsie und She said gegen die Präsenz rechtsradikaler Verlage in unseren Onlineshops berichtet. Unter anderem die Frankfurter Rundschau machte in ihrem Artikel vom 01.04.23 diese Kritik unter der Überschrift „Rechtsradikal und rassistisch – Der deutsche Buchhandel hat ein Problem“ (fr.de) öffentlich.

Das ist keine gute Presse, oder? Und ja, das sollte uns ärgern und zum Handeln veranlassen!

Es entspricht ganz und gar nicht den Werten unserer Buchhandlungen, der menschenfeindlichen Literatur der Verlage, die u.a. von der Bundeszentrale für politische Bildung dem rechten Spektrum zugeordnet werden, Sichtbarkeit in unseren Verkaufsräumen zu geben. Dort lehnen wir den Handel mit dieser Art von Literatur konsequent ab. Das gleiche Prinzip wollen wir auch in unseren Webshops widerspiegeln und durchgängig anwenden. Diesem Anspruch steht die derzeitige Praxis der von Libri und eBuch (mit „genialokal“) in Dienstleistung angebotenen White-Label Webshoplösung entgegen, welche derzeit von rund 1.300 Buchhandlungen zur Teilnahme am Onlineverkauf in Anspruch genommen wird.

Die aktuelle technische Ausgestaltung des Shopsystems führt dazu, dass alle Literatur, der mit Libri in Geschäftsbeziehung stehenden Verlage, automatisch auch in allen Webshops jener Buchhandlungen angeboten werden, die mit der Libri und bzw. mit der genialokal Shoplösung von eBuch am Onlinehandel teilnehmen. Bedauerlicherweise umfasst dies auch rechte Verlage, mit denen Libri bzw. eBuch Geschäftsbeziehungen unterhalten.

Es ist die freie unternehmerische Entscheidung von Libri und eBuch (mit „genialokal“) welche Verlage, Autor*innen und Titel sie listen. Als Barsortiment fällen Sie die Entscheidungen auf anderer Basis als wir Buchhändler*innen. Gleiches Recht der Sortimentshoheit nehmen wir für uns aber auch in Anspruch und entscheiden selbst darüber, welche Titel, Autor*innen und Verlage wir in unserem Namen in unseren Shops anbieten – so, wie wir es auch in unseren Ladenlokalen tun. Es geht um unseren Ruf und unsere Seriosität. Doch vor allem geht es um unsere ethischen Grundsätze und um die Sicherheit von Mitarbeiter*innen und Kund*innen, die von Rassismus, Antisemitismus und jeglicher Art rechter Gewalt betroffen sind. Und es geht um die Solidarität mit all denen, deren Existenz durch die Inhalte rechter Bücher angegriffen wird.

Und wir finden es zunehmend ärgerlich, wenn Kritik aus unseren Reihen immer wieder weggewischt wird und wir Buchhändler*innen mit Anfragen bei Libri und eBuch wieder und wieder ins Leere laufen. Der ewige Verweis auf Meinungsfreiheit, den sich auch Libri und eBuch immer wieder zu eigen macht, ist billig. Und in der inflationären Nutzung in unserer Branche, um sich mit Kritik einfach nicht auseinandersetzen zu müssen, unverschämt und sogar schädlich für die Meinungsfreiheit, weil dann z.B. echte Angriffe darauf nicht mehr erkannt werden.

Mit Zensur hat dies alles im Übrigen nichts zu tun, auch wenn die Debatten immer wieder in diese Richtung weisen. Zensur ist eine Kategorie staatlicher Institutionen aber nicht von Unternehmen der Privatwirtschaft, wozu die Buchbranche wohl zweifelsfrei gehört.

Die derzeit bereitgestellte Sperrmöglichkeit bei Libri auf Titelebene muss von jeder einzelnen Buchhandlung in Eigenarbeit der Recherche und Überwachung der entsprechenden Verlage durchgeführt werden, wenn der eigene Webshop frei von Literatur rechter Verlage bleiben soll. Der regelmäßige Zeitaufwand dafür verursacht redundante Kosten, da ein und dieselbe Arbeit kontinuierlich in jeder Buchhandlung jeweils im eigenen Webshop ausgeführt werden muss. Dass es nicht einmal eine einfach zu handhabende Exportfunktion aus Quimus gibt, um entsprechende Verlage oder Themen gebündelt mit Angabe der EAN in Excel übertragen zu können, erschwert den Prozess zusätzlich.

In den ca. 700 Genialokal-Webshops der eBuch, welche ebenfalls das Libri Shopsystem nutzen, ist es überhaupt nicht möglich einzelne Titel zu sperren. Das heißt, diese Buchhandlungen werden in der technischen Ausgestaltung auf die Darstellung der Verkaufsabsicht von Literatur rechter Verlage verpflichtet.
wir fordern hiermit von Libri zeitnah die technische Verwaltung des Online-Shopsystems dahingehend bereitzustellen, dass das geführte Sortiment rechter Verlage mühelos mit einem Mausklick gesperrt werden kann. Zeitfracht ermöglicht seinen Kund*innen den Ausschluss von Verlagen in deren White Label-Shops. Eine technische Lösung ist also definitiv möglich. Die Möglichkeit des Ausschlusses von Verlagen z.B. über das ISBN-Präfix scheint keine große Programmierleistung zu erfordern.

Auch wenn Sie für sich das zweifelhafte Argument der Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen, um die eigene Geschäftstätigkeit mit rechten Verlagen zu rechtfertigen, es sollte für in einer Demokratie tätige Unternehmen der Literaturbranche eine Selbstverständlichkeit sein, sich daran zu beteiligen den Marktzugang für jene, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, zu erschweren, statt zu vereinfachen.

Wir als Verantwortliche, die wir mit unseren Namen für das Sortiment in unseren Webshops stehen, fordern von Libri eine Artikel-Shopverwaltung mit Zustimmungsverfahren (Opt-In) auf Verlagsebene. Nicht wir als Buchhandlungen sollten multiplen Aufwand haben, rechte Verlage von unseren digitalen Verkaufsstellen fernzuhalten. Darüber hinaus fordern wir eine technische Lösung für den einfachen Export von EANs und Titellisten aus der Quimus-Bibliographie zur weiteren Verarbeitung in gängigen Dateiformaten.

Für eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung der nötigen Maßnahmen und Anfragen, welche Bedürfnisse Buchhandlungen haben, stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Die Erstunterzeichnenden:
Sarah Miriam und Danny Lutzemann, Kohsie Diversity Buchhandlung, Halle (Saale)
Frauke Prayon, Buchhandlung Andere Seiten, Frankfurt a.M.
Büchergilde Buchhandlung & Galerie, Frankfurt a.M.
Elvira und Walter Hanemann, Buchhandlung Thaer, Berlin
She said – bookshop for female and queer authors, Berlin

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