Für ihren Roman "Die Dame mit der bemalten Hand" ( Berenberg Verlag) Christine Wunnicke erhält den Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2020

Der von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk gestiftete und mit 30.000 Euro dotierte Wilhelm Raabe-Literaturpreis geht in diesem Jahr an Christine Wunnicke für ihren Roman Die Dame mit der bemalten Hand (erschienen 2020 im Berenberg Verlag).

Christine Wunnicke (c) privat

Zur Begründung erklärte die Jury: „Christine Wunnicke hat über Jahrzehnte hinweg ein eigenständiges Werk geschaffen, in dem sich die Gattungen mischen. Gelehrte Groteske. Historischer Miniaturroman. Wissenschaftssatire. Sie beherrscht die Wissensjargons verschiedener Zeiten, mythologische und religiöse Idiomatiken und poetische Aufschwünge ebenso wie deren Parodien. Immer arbeitet sie auf der Grenze zwischen beiden. Am Kipppunkt von Wahn in Wissen und umgekehrt; von Bericht und Karikatur eines Berichts. Aus dem zufälligen Zusammentreffen einzelgängerischer Helden der Wissenschafts- und der Weltgeschichte schlägt sie helle Funken der Erkenntnis und der Komik. In ‚Missouri‘ wird der Erneuerer der englischen Dichtung von einem Cowboy entführt. In ‚Katie‘ versucht ein Experimentalwissenschaftler Messungen an einem spiritistischen Medium vorzunehmen. Auch ‚Die Dame mit der bemalten Hand‘ handelt von dem tragikomisch scheiternden Versuch, die Welt zu vermessen. Der persische Astrolabienbauer Musa al-Lahuri strandet auf einer struppigen Insel vor Bombay und trifft auf den deutschen Mathematiker Carsten Niebuhr. Ausgerechnet das Vermessungsgenie soll die Originalschauplätze der biblischen Heilsgeschichte studieren und ist vom Weg abgekommen. Der Perser und der Deutsche reden vielsprachig wortreich aneinander vorbei. Aus den Scherben eines Kommunikationsdesasters baut Christine Wunnicke neue bizarr-schöne Gebäude. Der clash of cultures ist hier ein Vergnügen für gebildete Zuschauer von Schiffbrüchen und sprachdionysische Aufklärungsskeptiker. Christine Wunnicke arbeitet den Wahnsinn am Grund unserer Erkenntnis und unseres Wissens heraus. Anschaulich, turbulent, komisch und deshalb schön.“

Der diesjährige Wilhelm Raabe-Literaturpreis wird coronabedingt nicht vor Ort im Braunschweiger Staatstheater verliehen, sondern in der Sendung „Studio LCB“ am 28. November 2020 im Deutschlandfunk und zusätzlich im Programm von Deutschlandfunk Kultur.

Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Ulrich Markurth, und Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue stimmten dem Vorschlag der Jury zu. Die Jury des Wilhelm Raabe-Literaturpreises, die am 21. September tagte, setzt sich in diesem Jahr zusammen aus Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel (Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.), Prof. Dr. Moritz Baßler (Germanistisches Institut, Westfälische Wilhelms-Universität, Abteilung Neuere deutsche Literatur), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Thomas Geiger (Literarisches Colloquium Berlin), Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig), Dr. Michael Schmitt (3sat), Prof. Dr. Renate Stauf (Germanistisches Institut, TU Braunschweig), Katharina Teutsch (u.a. FAZ und ZEIT) und Dr. Hubert Winkels (Deutschlandfunk).

Mit der Verleihung dieses Preises zeichnen die Stadt Braunschweig und Deutschlandfunk jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk aus. Mit der Auszeichnung soll exemplarisch das bis zum Zeitpunkt der Preisverleihung publizierte literarische Schaffen gewürdigt werden. Ein neues Buch des/der Preisträgers/Preisträgerin muss im laufenden Kalenderjahr der jeweils aktuellen Vergabe erschienen sein.

Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören Rainald Goetz, Jochen Missfeldt, Ralf Rothmann, Wolf Haas, Katja Lange-Müller, Andreas Maier, Sibylle Lewitscharoff, Christian Kracht, Marion Poschmann, Thomas Hettche und Clemens J. Setz, Heinz Strunk, Petra Morsbach, Judith Schalansky und Norbert Scheuer.

 

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