Wie Amazon mit einem skandalösen Missbrauch des Remissionsrechts deutsche Verlage an den Rand des Ruins treibt „Totales Desaster“ für die gesamte Buchbranche

Gerhard Beckmann: „Sollte Amazon tatsächlich als Mitglied im Börsenverein des Deutschen Buchhandels aufgenommen werden, wäre dessen Ende als Dachverband für alle Sparten der Branche besiegelt.“

Warum der Börsenverein des deutschen Buchhandels sich unbedingt gegen eine Mitgliedschaft des Online-Giganten entscheiden muss – Gerhard Beckmann kommentiert das aktuelle Branchengeschehen (aus BuchMarkt 8/2022)

Hat irgendein Buchhändler, haben irgendwelche Buchhändlerinnen schon mal den Versuch unternommen, die „Bestseller“ zu zählen, die ihnen die Verlage Saison für Saison anpreisen? Die „Bestseller“ von Autorinnen und Autoren, deren Namen nicht einmal der Wind kennt?
Da ist heute, insgesamt, Leerlauf üblich, der eine gründliche Überprüfung des Bestsellertreibens ratsam macht.

Die meisten – sind es neun von zehn oder 19 von 20? – der von Verlagen als „Bestseller“ angekündigten Romane und Sachbücher enden als Flops. Die Mehrzahl der Werbe-Legenden aus Marketing und Vertriebsabteilungen entpuppen sich als „Bullshit“.

Nichts gegen Bestsellerlisten an und für sich. Mir ist auch kein einziger unabhängiger Sortimenter bekannt, der sie für überflüssig hielte. Aber so, wie sie – bei uns in den 1970ern durch Bodo Harenberg mit seinem Buchreport und dem Spiegel – konzipiert und als systematisches Marketing- und Steuerinstrument gedacht wurden, funktionieren sie schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Sie spiegeln nicht mehr die Realitäten des Marktes. Darum bieten sie auch zunehmend weniger Kauf- und Lese-Anreize. Es braucht eine Rückbesinnung auf ihre Funktion, damit ihr Potenzial beim Publikum wieder zur Geltung kommen kann.

Jede neue Generation erfordert eine Rückbesinnung auf Grundvoraussetzungen: eine Re-Generation

Bleiben wir beim Beispiel der Bestsellerliste. Klar, sie stammt aus den USA. Sie ist dort 1895 aber keineswegs, wie heute durchgängig kolportiert wird, als Instrument zur Steuerung des Marktes und zur Absatzförderung – als Werbemittel – von Vertriebsleuten erdacht worden.

Am Anfang stand die Idee eines Literaturkritikers namens Harry Thurston Peck, als dieser die Leitung der Bücherzeitschrift The Bookman übernommen hatte. Damals zeichneten amerikanische Verleger sich durch eine hochentwickelte Abneigung gegen das Zahlen von Honoraren an Buchautoren aus. Sie schwiegen sich deshalb möglichst über Absätze von Erfolgstiteln aus. Und sie hatten es zu wahrer Meisterschaft gebracht im Geschäft mit Raubdrucken von Werken britischer und kontinentaleuropäischer Autoren. (Eine eigenständige
amerikanische Literatur befand sich dazumal noch in den Anfängen.) Weder holten sie bei den Originalverlagen Lizenzen ein, noch rechneten sie mit ihnen oder mit den Autoren ab.

Es war also ein Freundschaftsdienst für Autoren, dass Harry Thurston Peck die Idee der Bestsellerliste entwickelte – um Fälle offenzulegen, in denen sich dieses Raubrittertum der US-Verleger manifestierte.

Ich weiß das von Michael Korda, einem alten Freund, dem langjährigen Cheflektor von Simon & Schuster. (Er hat auch ein Buch zu dem Thema geschrieben: Making the List. A Cultural History of the American Bestseller; 2001) .

Autoren und Leser, Bücher, Buchhändler und (ausländische) Verleger, ja, sogar Jesus und Winnetou waren in den USA unter die Räuber gefallen. Es lässt sich an einer Anekdote illustrieren. Sie handelt von Karl May und dem amerikanischen Ableger eines der angesehensten deutschsprachigen katholischen Verlagshäuser, vom – zwischenzeitlich mein eigener Arbeitgeber – Benziger aus Einsiedeln in der Innerschweiz, der wegen seiner immensen Bedeutung für die Kirche vom Vatikan offiziell als „Drucker des Heiligen Apostolischen Stuhls“ anerkannt wurde: von den „Benziger Brothers“ in New York, Cincinnatti und Chicago.

Die US-Benzigers hatten in den 1880er Jahren die Schriftstellerin Marion Ames Taggart mit der Übersetzung, Kürzung und Überarbeitung einer Winnetou- und Mahdi-Trilogie von Karl May beauftragt. Sie wurde ein Raubdruck, der mit etlichen Auflagen bis in die 1920er Jahre erfolgreich blieb. Zu seinem Erfolg hat beigetragen, dass Taggart Karl Mays Ich-Erzähler Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi in „Jack Hildred“ ummodelte, d.h. ihn zum Landsmann der amerikanischen Leser machte. Dabei half aber wohl auch die Pointe, dass dieser US-Old Shatterhand im frommen Amerika den sterbenden Winnetou per Nottaufe mit einem ewigen Leben im Himmelreich der Weißen religiös nobilitierte. Ironisch gesehen, wurde Winnetou auch noch das Opfer eines literarisch-kulturell-religiösen Missbrauchs im engsten Umkreis der römisch-katholischen Kirche, die sich mit diesem Trick selbst adelte.

Der Fall stellt den Gipfel dieses ganzen unlizenzierten Literaturbetriebs dar: ein sentimentales Paradestück gesellschaftlicher, kultureller, politischer und religiöser Verfälschung und Verlogenheit.

Und heute bedarf es in der Bundesrepublik eines entschiedenen, konsequenten Vorgehens der Verlage und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gegen Amazon, gegen ein sich selbst als „Technologie“-Konzern adelndes US-Handelsunternehmen: zum Schutz von Autoren und Lesern, von Büchern, Bildung, Kultur und Unterhaltung, gegen Amazons skrupellosem Missbrauch von Gesetzen, Regeln, historisch gewachsenen und sinnvollen Usancen unseres Buchmarkts.

Es hat eines neuen internationalen Gesetzes und einer neuen Rechtsprechung bedurft – des Internationalen Urheber- und Vertragsrechts von 1891 –, um den verlegerischen Missbräuchen in den Vereinigten Staaten ein Ende zu bereiten.

Und auch hier ist erst mal – wie bei den Bestsellern – eine Revision fällig, eine Korrektur der Firmen-PR, der sattsam propagierten Entstehungsgeschichte der auch in unserer Branche herumgeisternden Amazon-Legende. Keine Frage, Jeff Bezos ist ein genialer Geschäftsmann. Sein einzigartiger globaler Erfolgskonzern hat jedoch nicht als Technologie-Unternehmen begonnen. Es hat keineswegs als isoliertes Start-up in der legendären Garage angefangen. Jeff Bezos ist kein Innovator gewesen, der im Alleingang etwas erfunden und auf die Beine gestellt hat. Jeff Bezos stand auf den Schultern von Riesen, die ein halbes Jahrtausend zuvor eine völlig neue Technologie entwickelt und in Schwung gebracht haben. Es sind die Schultern von Druckern und Verlegern, die – wie die British Encyclopedia von 1960 ausführt – eine industrielle und mediale Revolution lostraten, die im 20. Jahrhundert – durch Henry Ford in der Automobil-Industrie und die Mogule der Massenkommunikation – zur Entfaltung kam. Anders gesagt:

Das Buch ist kein überholtes Medium einer veralteten, verstaubten „Kultur“. Es ist vielmehr der lebendige Corpus einer, wenn nicht sogar der Gründungstechnologie der westlichen Welt.

Amazon ist 1994/95 einfach in die ausgereifte Technologie der modernen Buchbranche eingestiegen – und die Verleger haben gemeint, mit Amazon einen neuen „Vertriebskanal“ für Bücher gefunden zu haben.

Nicht genug damit: Die Buchindustrie hat seit dem Inkrafttreten des Internationalen Urheberrechts (1891) einen umfassenden Patentschutz für ihre Produkte geschaffen wie auch – mit den ISB-Nummern etc. – die Grundlagen eines hocheffizienten globalen Handels- und Logistiksystems, in das Jeff Bezos – der geniale Geschäftsmann – sich nur einzuschleusen brauchte, um ein Geschäft mit Büchern machen zu können. Er ist im Kostüm des Buchhändlers in einen gut funktionierenden Buchmarkt eingetreten.

Vergegenwärtigen wir uns zweierlei: Jeff Bezos hat Amazon, erstens, nur mit dem Buch, einzig und allein über das Buch aufbauen können: mit einem haltbaren, wertbeständigen, weltweit vertrieblich nutzbaren Produkt. Zweitens hat Jeff Bezos ein ebenso einmaliges, über viele Wirtschaftskrisen ausgereiftes Modell wechselseitiger Solidarität zwischen Herstellern und Händlern genutzt. Dazu zählt – zentral – ein Branchenspezifikum: das Remissionsrecht.

Hätte es das Rabatt-/Konditionensystem, hätte es die Remittenden-Praxis der Buchbranche, hätte es die Möglichkeit einer unbefristeten Rückgabe unverkaufter Bestellungen zum ursprünglichen Einkaufspreis des Produkts an die Hersteller nicht gegeben, wäre Jeff Bezos nicht mal im Traum auf die Idee eines Online-Handels mit Büchern gekommen. Die Buchbranche hat ihm, respektlos ausgedrückt, ein perfekt ausgestattetes, ein gemachtes Bett angeboten. Bezos hatte den Sinn und Verstand, in dieses Bett zu klettern und sich der Branche mit der Tarnkappe eines Buchhändlers als einen der ihren anzudienen.

Und die Verlage haben in Amazon tatsächlich einen neuen Buchhändler gesehen, der wie gerufen kam: Denn die Großfilialen und Kettenläden, die in den USA ab den 1960er Jahren größer und größer geworden waren, zeigten keine weiteren Wachstumschancen mehr.

Inzwischen ist wieder die nächste Generation am Werkeln. Und wieder ist die entsprechende, von Honnefelder apostrophierte Zeitwende eingetreten – diesmal freilich „with a vengeance“, wie man in England zu sagen pflegt, wenn etwas, mit dem man eigentlich hätten rechnen können oder müssen, völlig unerwartet einschlägt, und Dimensionen annimmt, dass man Gefahr läuft, den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Herbert Ohrlinger von Zsolnay in Wien hat die Initiative ergriffen, als er hörte, dass ich seit Monaten für eine kritische Analyse von Amazon recherchiere. Er hat, bisher als einziger Verlagsmann, den Mut gehabt, offen über die böse Sache zu sprechen.

„Es hat immer wieder mal Branchenkrisen gegeben. Bisher ist es so gewesen, dass wir sie durchstanden und meinten, Krisen gehörten nun mal zu unserem Geschäft dazu. Dass es schon irgendwie weitergeht“, sagt er.

„Die Krise, die wir heuer erleben, ist jedoch beispiellos. So etwas wie das, was jetzt im deutschsprachigen Raum seit Mai dieses Jahres vor sich geht, haben wir noch nie erlebt. Seit Wochen ist es so, dass es keinen Tag ohne Remissionen gibt. Dass wir, beinahe Tag für Tag, Negativ-Umsätze machen. Die Remissionsquoten sind dermaßen drastisch in die Höhe geschossen, dass sie wertmäßig über den Einnahmen aus Verkäufen liegen.“

Ohrlinger nennt als Erster auch Ross und Reiter für die Ursache dieses „totalen Desasters“: „Mit den Remissionen ist es in Folge der Corona-Krise generell nach oben gegangen. Beim unabhängigen Buchhandel liegen sie, je nachdem, zwischen zehn und fünfzehn Prozent. Das ist nicht schön, befindet sich aber noch im Bereich des Normalen, das ja von Jahr zu Jahr, von Verlag zu Verlag eine gewisse Variationsbreite hat. Beim Großfilialisten kommen die Remissionen dann allerdings schon bis auf 25 Prozent – und drüber.

„Das ist so auch noch nie vorgekommen. Und das ist nicht mehr so einfach zu verkraften. Das eigentliche Problem, das Problem, das uns und unsere Branche bis ins Mark erschüttert, ist jedoch ein anderes. Und für dieses Problem steht ursächlich Amazon. Das kann nicht mehr hingenommen werden“, führt Ohrlinger aus. „Darüber darf nicht länger geschwiegen werden. Dagegen muss die ganze Buchbranche aufstehen und aktiv werden. Es kann nicht toleriert werden, dass ein Handelsgigant die Existenz unserer Branche und Kultur untergräbt.“

Von mehreren Seiten sind mir inzwischen Zahlen von 30 Prozent und mehr für die aktuellen Amazon-Remissionen genannt worden. Ich habe auch mit einer großen Literaturagentur gesprochen, die stets besonders gut über Dinge informiert ist, welche Verlage und Autoren in Not bringen. Von ihr weiß ich, dass – je nach Beschaffenheit der Programme, der Jahreskonjunktur etc. unterschiedlich – von Amazon Remissionen „zwischen 25 und 50 Prozent“ anfallen.

Was ist geschehen, dass es dazu kommen konnte? Seinen Anfang nahm das alles mit Corona, und dann mit der chaotischen Politik zur Bekämpfung dieser Pandemie. Aus den Ein- und Beschränkungen des Einzelhandels zogen die großen Online-Händler den Schluss, dass ihr Geschäftsanteil gewaltig in die Höhe schießen müsste – was, generell gesehen, dann ja auch der Fall war. Nur ist es bei Büchern eben nicht eingetroffen.

Amazon hat, je länger die Pandemie sich hinzog – auch um konditionenmäßig Profite zu maximieren – immer wieder gigantische Mengen bestellt, auf die es mit seinen Algorithmen und elektronischen Hochrechnungsmodellen kam. Amazon war davon seitens der Verlage, die solche Mengen für völlig unrealistisch hielten, partout nicht abzubringen. In keinem der 25 Amazon-Verteilungszentren sitzt nämlich ein Mensch – ein Geschäftspartner –, mit dem sie darüber zu reden vermocht hätten. Dort läuft alles automatisch ab, vor- und endprogrammiert. Und wenn ein Verlag die Höhe solcher Bestellungen von sich aus reduzierte, kam die Lieferung prompt zurück, sogar mit in Rechnung gestellten Kosten für die Rück-Spedition. Und als Verlage die Auslieferung solcher Orders verweigerten, hat Amazon sich bei den Barsortimenten und Zwischenhändlern bedient – was für die Verlage übrigens uneinsehbar blieb.

Die von Amazon für die erwartete Online-Bonanza besorgten Riesenmengen sind dann aber nicht abgeflossen. Sie kehren nun – „palettenweise“ – als Remittenden an die Verlagsauslieferungen zurück. Denn nach herrschendem Remissionsrecht müssen für vom Händler nicht verkaufte Exemplare die Verlage finanziell geradestehen. Und darum haften nun unsere Verlage für rein spekulative, fehlgeschlagene Großaktionen von Amazon.

Wer den Schaden trägt, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Dafür sorgt in diesem Fall schon der „Hammer“ der neuesten Information, die mich von einer glaubhaften, bisher noch immer als verlässlich erwiesenen Quelle aus dem Umkreis des Branchenverbandes erreicht hat. Demzufolge ist Folgendes geschehen:

Mit Amazon sind Gespräche über eine Mitgliedschaft im Börsenverein des Deutschen Buchhandels eingeleitet worden.

Es dürfte sich um mehr als nur ein bloßes Branchengerücht handeln: „In Anbetracht der Wahrscheinlichkeit eines neuen Ausbruchs der Corona-Pandemie“, sagt ein prominenter Branchenintimus, der namentlich nicht genannt werden möchte, „muss durchaus damit gerechnet werden, dass die Frankfurter Buchmesse auch in diesem Jahr ausfällt, und solch ein Event müsste wohl bedeuten: Der Börsenverein wäre bankrott. Denn es ist mehr als fraglich, dass die Stadt Frankfurt und das Land Hessen noch einmal einspringen würden, um die damit ausfallenden Einkünfte zu kompensieren.“ Spekuliert der Börsenverein also auch auf hohe Mitgliedsbeiträge von Amazon?

Es wäre kurzsichtig. Es käme einem Verzweiflungsakt gleich. „Der Börsenverein ist während der vergangenen anderthalb Jahrzehnte einer Strategie gefolgt, die dazu führte, dass er in entscheidenden Punkten von einem Dutzend von Großunternehmen dominiert wird“, sagt ein prominenter Barsortimenter. „Der Verband hat Schlagseite. Er vertritt eigentlich nicht mehr die gesamte Buchbranche.

Sollte Amazon tatsächlich als Mitglied im Börsenverein des Deutschen Buchhandels aufgenommen werden, wäre dessen Ende als Dachverband für alle Sparten der Branche besiegelt. Und als Lobbyist für die Interessen insbesondere der unabhängigen Verleger und Sortimenter wäre er bei der Politik völlig chancenlos.
Denn Amazon kann sich heute nicht mehr als Buchhandelsunternehmen oder auch nur als Technologie-Konzern deklarieren.
Es ist der größte und erfolgreichste Repräsentant eines neuartigen Kapitalismus, eines mit allen Mitteln und auf allen Ebenen globale politische Macht anstrebenden Mega-Konzerns mit totalitären Zügen, die in ihrer erschreckenden Konsequenz an Zustände in der Volksrepublik China erinnern.
Gerhard Beckmann

Kommentare (22)
  1. Ja. Vielen Dank, Herr Beckmann – wieder mal – fürs Alarm schlagen, für die hartnäckige berechtigte Empörung und die hübschen Hintergrundgeschichten, fürs behände Führen der Diskursklinge, aber vor allem für die entschiedene Weigerung, der kurzsichtigen Erfolgshörigkeit in der Branche das Wort zu reden und das dann auch noch Vernunft zu nennen. Wir bräuchten dringend ein paar Dutzend von Ihrer Sorte.

  2. Ganz großes Kino.
    Erst wirft amazon im Februar/März 2020 Bücher und Hörbücher wegen Corona aus dem Lager bzw. verweigert die Warenannahme und retourniert , um dort Platz für Hygieneartikel zu schaffen, dann erhofft man sich große Geschäfte und stockt auf Remi Basis das Lager auf, um dem klassischen Handel wieder einmal das Wasser abzugraben.
    Aber das amazon mit seiner „Hörbuch-Tochter“ audible noch ganz andere Spielchen spielt (den Produzenten gegenüber wird ein fiktiver Downloadpreis als Abrechnungsbasis aufgezwungen = 1/3 Abzug vom HAP // Whispersync for Voice = eBook als Kindle-Version kaufen und Hörbuch zum Sonderpreis dazu) , darüber schweigt der Chronist…

  3. Die Behauptungen über den Börsenverein in diesem Artikel sind nicht korrekt. Eine Mitgliedschaft von Amazon im Börsenverein des Deutschen Buchhandels steht nicht im Raum. Sie ist auch nicht erforderlich für die Solvenz des Börsenvereins – selbst falls die Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr nicht stattfinden könnte, wovon wir alle nicht ausgehen.

    • Auch wenn es der Börsenverein und auch die Treuhänder immer wieder verdrängen — aus langjähriger, zurückliegender Praxis die Frage bzw. Feststellung: über den Weg als KüMä, von den Vertriebsleuten unter der Hand eingeführte Bezeichnung für „Künstliche Mängelexemplare“, werden diese Remissionsberge frisch gestempelt erneut über amazon als die Preisbindung unterlaufende Offerten im market-place provisionspflichtig verwertet, eine Fülle von sog. Kleinanbietern wird zentral aus Köln und Vierkirchen und gerionger auch aus Münster damit beliefert, Sie werden wissen wen ich meine. Diese Praxis existiert schon seit Jahrzehnten ist ist überaus lukrativ.

    • Zwei Gegenfragen an aktuell prominenter, offener und transparenter Stelle:

      • Kann und mag der Börsenverein des Deutschen Buchhandels glaubhaft versichern, dass es mit dem Unternehmen Amazon bislang KEINE Gespräche in Sachen eventueller Mitgliedschaft gab?
      • Kann und mag der Börsenverein des Deutschen Buchhandels stellvertretend für einzelne Landesverbände glaubhaft versichern, dass es mit dem Unternehmen Amazon auch von dortiger Seite aus bislang KEINE Gespräche in Sachen eventueller Mitgliedschaft gab?

      Es freut sich auf Antwort und grüßt
      Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln

  4. Ich mutmaße mal, dass sich an dieser Stelle kaum jemand aus dem Verlagswesen trauen wird, Herrn Beckmanns Gedanken offen die absolut gerechtfertigte Zustimmung zu zollen. Ich hoffe allerdings, dass dieser Warnruf an die Branche gerade bei den Verlagen intern endlich für DIE Diskussionen sorgt, die wichtig sind. Denn wie gehabt, so geht es in der Tat nicht weiter. Zwei Mitbewerber, einer ziemlich arg fußlahm und bei dem anderen funktioniert das Versandgeschäft auch nicht wirklich kostendeckend, werden von ALLEN andern an der Branche beteiligten in ihren nicht wirklich funktionierenden Geschäftsmodellen schlicht subventioniert. Und zusätzlich gefährden sie durch ihr Gebaren die bestehenden Branchenstrukturen sogar ganz vehement.

    Als unabhängige Buchhandlung weisen wir seit vielen Jahren schon auf die in diesem brillanten Beitrag formulierten Probleme, Schieflagen und die Wichtigkeit derer Regelungen hin. Man ahnt es, aus der Branche gibt es fleißiges Kopfnicken, denn um die Knackpunkte weiß beim Fußvolk wie auch in der Chefetage jeder und jede. Geändert hat sich über die letzten Jahre allerdings nichts, weil von oben, also aus den Chefetagen, ebenso fleißig alles ignoriert wird – der Fisch von oben, Sie wissen, was ich meine.

    Auch wenn der Börsenverein Amazons Anlauf zur Mitgliedschaft soeben sofort bestreitet (gehört hatte ich davon aus sehr glaubhaften Quellen auch schon), so steht er doch vor dem ganz großen Problem, die Dreigliedrigkeit der beteiligten Sparten und deren Interessen in der Ära Skipis (und auch jetzt noch) ziemlich einseitig beachtet zu haben. Die Existenz des runden Tischs wird immer noch so geheimnisvoll behandelt und offen NICHT diskutiert, dass man sich an die vergangenen Zeiten des untergegangenen Sowjetimperiums erinnert fühlt. Die Worte Rabattspreizung oder Überrabattierung kommen wenn, dann nur in den Kommentarspalten des Börsenblattes vor, im Gegenzug darf Thalia vom Verband unkommentiert an dortiger Stelle von zwei ausgesuchten Menschen der Rechtskunde behaupten lassen, dass die Grenze der 50% ja eigentlich gar nicht existiere. Wir leben also in sehr wirren Zeiten, in denen sich zum Beispiel LIBRI versus MairDumont gegen Ungleichbehandlungen juristisch wehrt, vom in diesen Dingen sehr schweigsamen Verband hört man dazu – NICHTS!

    Ich behaupte mal, dass über kurz oder lang diese Dreifaltigkeit wegen der Interessenaufspaltung und unterschiedlichen Anforderungsprofile zwischen dem großen Sortimenter (sic!) und den kleineren Sortimenten sowieso implodieren wird – dafür braucht es noch nicht einmal Amazon.

    Sehr geehrter Herr Beckmann,
    bitte weiter so, denn Sie sprechen offen aus, was alle eigentlich wissen und denken. Nur ein paar Flöten in einigen oberen Etagen haben, obwohl durchs Studium der BWL gestärkt, offensichtlich einen enormen Nachholbedarf in Sachen der praktischen Umsetzung der BWL und im Umgang mit dem Produkt Buch, viele andere Mitläufer aus unserer Branche leider auch. Mit dem Spruch „Books are different“ hat der Verleger Klaus Wagenbach geworben und damit einen recht erfolgreichen Verlag aufgebaut, weil u.a. auch er erkannte, dass es in unserem Metier eben 2, in Worten zwei, Dinge zu vereinigen gilt, die direkt miteinander zu tun haben. Das haben leider einige der erwähnten Zahlenfiffis offenbar nie gelernt und denen gilt es, weiterhin kräftig auf deren extrem dünne Fußstapfen zu treten – ich zähle auf Sie!

    Ein großer Dank und ein herzlicher Gruß aus der Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
    Jens Bartsch

    • danke Herr Bartsch, aus langjähriger, zurückliegender Praxis die Frage bzw. Feststellung: über den Weg als KüMä, von den Vertriebsleuten unter der Hand eingeführte Bezeichnung für „Künstliche Mängelexemplare“, werden diese Remissionsberge frisch gestempelt erneut über amazon als die Preisbindung unterlaufende Offerten im market-place provisionspflichtig verwertet, eine Fülle von sog. Kleinanbietern wird zentral aus Köln und Vierkirchen damit beliefert, Sie werden wissen wen ich meine. Diese Praxis existiert schon seit Jahrzehnten ist ist überaus lukrativ.

      • Hallo Herr Zerfaß,
        mögen Sie mich bei Gelegenheit mal kurz unter 0221 / 3400717 anrufen?
        Dank und Gruß aus Köln
        Jens Bartsch

    • Hallo,

      wir haben als Kleinverlag ganz andere Erfahrungen gemacht, kein Buchhändler**innen, war bereit mit Kleinverlag eine Kooperation einzugehen. Selbst wenn sie keinen Cent ausgeben müssen, aber dabei großzügig verdienen, dass verursacht ein großes Kopfschütteln bei uns. Dabei hätte man zusammen wachsen können und Großkonzerne die Stirn bieten.

      Kleinverlag sind auch nicht besser, bei diesen haben wir versucht gemeinsam ein Popupstore regelmäßig auf zubauen, wir hätten einen Raum im Kulturhaus gehabt. Die Mehrheit hat es nicht interessiert oder hatte keine Lust gehabt.

      Wenn das deutschlandweit so ist, wem wundert es dann das die Situation so ist und Großunternehmen ihre Chance sehen.

      Wir sind jetzt soweit mehr uns auf das Ausland zu konzentrieren, da Deutschland allgemein immer mehr wirtschaftlich uninteressant wird.

      Liebe Grüße

  5. Danke für diesen Artikel, Herr Beckmann.
    Ich versuche seit Monaten, meinen deutschen Taschenbuchvertrieb davon zu überzeugen, nicht wahllos und unkontrolliert jede Forderung von Amazon an weiteren Taschenbüchern in Kommission zu erfüllen.
    Als Italienerin habe ich leider keine Wahl, muss meine deutschsprachigen Romane im Ausland drucken und vertreiben lassen, da die Kosten und Lieferzeiten aus dem Ausland prohibitiv sind. Und wir alle wissen, was es – vor allem jetzt, aufgrund der rundum und alles betreffenden gestiegenen Kosten – bedeutet, in Vorkasse gehen zu müssen und dann auf Auflagen sitzenzubleiben.
    Nicht nur aus diesem Grund gehe ich absolut mit Ihnen konform: Es ist an der Zeit, dass sich der deutsche Buchmarkt in seiner Gesamtheit gegen dieses Vorgehen von Amazon auflehnt, bevor es zu spät ist!
    Danke für Ihre – wie immer – klare Analyse und Ihre eindringlichen Worte.
    Viele Grüße aus Rom,
    Lisa Torberg

    PS: Bei uns in Italien sind mir und meinen Verleger-Kollegen derartige Zustände nahezu unbekannt, für den englischsprachigen Markt vergeben wir Lizenzen, weshalb uns das Problem nicht direkt trifft.

  6. Das Remissionsproblem ist bekannt und trotz vieler guter Ansätze waren wir, alle drei Sparten, nicht in der Lage, das zu lösen. Wenn wir den Buchhandel nach Art von Supermärkten betreiben, dann wird das dazu gehören, wie das Wegwerfen von Lebensmitteln. Ob das dem Produkt Buch und dem Kern unseres Berufs angemessen ist, wird selten diskutiert.
    Das Problem bei Amazon sind die Bearbeitungsgebühren und das Geschäftsgebaren. Das war schon vor einigen Jahren für viele Verlage am Rande der Erträglichkeit. Und je höher die Remissionsquoten sind, desto katastrophaler wird das. Das hat also nur indirekt mit den Remissionen zu tun.
    Woher kommt das? In meinen Augen liegt das daran, dass es kein Kräftegleichgewicht gibt. Jeder Verlag ist Amazon als Lieferant machtlos ausgeliefert. Das müsste so aber nicht sein. Denn die Barsortimente könnten die Belieferung von Amazon bündeln und dann gäbe es drei Verhandlungspartner und Amazon müsste die meisten der Zumutungen zurücknehmen. Da aber die Verlage dachten, dass sie mit der Direktbelieferung ihren Umsatz ausweiten, haben sie sich in die Abhängigkeit begeben. Davor hat der Verband immer gewarnt, dass Unternehmen wie Google oder Amazon langfristig auch für Verlage und Autoren zum Problem werden, nicht nur für Sortimente.
    Am Ende ist es wieder die Gier, die den Supermarkt, die Bestsellerliste und auch die Belieferung von Amazon verursacht. Die Verlage könnten das Problem in wenigen Wochen lösen. Sie werden es aber nicht tun, aus Angst vor Umsatzverlust. Den werden sie aber so der so verlieren.
    Die Wendung gegen den Börsenverein am Ende finde ich unseriös. Schade, der Beitrag war bis dahin sehr gut. Der maximale Beitrag des Verbandes war in meiner Erinnerung 90.000 Euro. Warum ist das im Beitrag nicht erwähnt? Weil es zu offensichtlich ist, dass der Verband mit 90.000 Euro kein Messeloch stopfen könnte?

    • Danke Herr Ulmer für diese Einordnung.

      Also mal wieder der gute Herr Beckmann. Ein ellenlanger Artikel über die Geschichte von Amazon und die Remissionsquoten in der CoronaZeit der großen Ketten und der von Amazon. Soweit so gut. Am Schluss wird es dann aber leider zur Räuberpistole:

      Da hat man ihm angeblich aus Verbandskreisen gesteckt, dass die Messe nicht stattfindet bei einer neuen Coronawelle und der Börsenverein dann pleite wäre, wenn das Land Hessen die Messe nicht erneut rettete. Dann hat ihm ein weiterer jemand, der angeblich schon oft Recht hatte, angeblich gesteckt, dass der BÖV mit Amazon über eine Mitgliedschaft verhandelt. Belege = Null. Spekulationen 100 %.

      Herr Beckmann sollte sein offensichtlich vorhandenes Problem mit dem BÖV mal klären. Der Artikel hat am Schluss eher das Niveau eines anderen Mediums mit B.

    • Sehr geehrter Herr Ulmer,

      in Sachen Börsenverein eine kleine Anmerkung. Die Gerüchteküche ist das eine und selten habe ich den Börsenverein so schnell mit einem offiziellen Statement wie dem obigen Dementi erlebt. Das andere sind aber schon länger angedachte Bestrebungen und Ideen in Sachen Mitgliedsbeiträge, die durchaus ein wenig stutzig machen dürfen und (unabhängig ganz aktuell mir nur in mündlicher Form bekannter Aussagen) auch tatsächlich schriftlich vorliegen:

      Zitat Börsenblatt vom 15. November 2021 unter der Überschrift Reformpläne für Beitragsstaffel:
      „Bisher endet die Koppelung der Beiträge an Umsätze in einem bestimmten Bereich. Diese Grenze wollen wir aufheben und eine Formel einführen, die alle Umsätze an die Beiträge koppelt“, so Schatzmeister Klaus Gravemann in einem ausführlichen Interview zur Finanzlage des Börsenvereins (…)„. Das würde sich in näherer oder fernerer Zukunft bei größeren Fusionen oder bei Eintritten ganz großer Mitglieder in den Verband einnahmesteigernd auswirken können. Heute ist davon noch kein Mitglied betroffen.“

      Der Börsenverein hat mit einem Teil seiner Mitglieder ein sehr großes Problem, denn dieser Teil traut dem Dachverband schlicht und ergreifend nicht mehr über den Weg. Es ist furchtbar, aber wir haben eben das Gefühl, das sehr viel gemauschelt wird, dass zu vieles extrem intransparent abläuft und bei der Berücksichtigung der Interessen der verschiedenen Sparten schon seit sehr langer Zeit ein sehr großes Ungleichgewicht herrscht. Fragt man nach, so heißt es, dass offizielle Statements kartellrechtlich höchst problematisch seien – uuuuh und ganz gefährlich, also besser nicht nachfragen. Exakt dies ist die falsche Politik!

      Da führt zum Beispiel im Jahr 2020 in einem Beitrag des Schweizer Fernsehens ein Verleger öffentlich vor, wie Thalia mit ihm umgeht und geht eben nicht auf deren Forderungskatalog ein, er verweigert sich und wird ausgelistet. Auf die meinerseits an den Verband gestellte Nachfrage, was man da zu tun gedenke, bekomme ich vom Börsenverein wie auch von der Ombudsstelle die Aussage, dass man nichts unternehmen könne, da der Rechtsbruch ja noch nicht vollzogen sei. Der Rechtsbruch muss also erst begangen werden, um ihn ahnden zu können – eine verkehrte Welt.

      Ein Verband, der solche Spitzfindigkeiten einfach akzeptiert, der macht keinen guten Job. Denn es ist seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, hier tätig zu werden und alle Energien darauf zu verwenden, dass solche abstrusen Dinge nicht geschehen können und zum Beispiel die mit großem Getöse eingerichtete Ombudsstelle eben nicht als zahnloser Tiger und Bettvorleger endet.

      Nun hat der Börsenverein Teile von Beckmanns Artikel dementiert, bemerkenswerterweise aber nicht direkt den Satz „Mit Amazon sind Gespräche über eine Mitgliedschaft im Börsenverein des Deutschen Buchhandels eingeleitet worden“. Eventuell werden wir irgendwann erfahren, was an dieser Geschichte tatsächlich dran ist, aber ich kann dennoch in Herrn Beckmanns Worten und der von Ihnen bemängelten Wendung am Ende seines Beitrags gegen den Börsenverein absolut nichts Unseriöses entdecken.

      Ein herzlicher Gruß aus Köln
      Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln

  7. Lieber Herr Beckmann,

    danke für den Artikel.

    Das Problem gibt es nicht nur bei Büchern, gesetzlich ist die Rückgabe von Waren im Online-Handel geregelt. Ursprünglich zum Schutz der Kunden und um den Online Händlern keine Vorteile zu verschaffen gegenüber den Händlern vor Ort. Mittlerweile ist daraus ein Vorteil der Online Händler geworden.

    Und Amazon verwendet Rücksendungen sehr geschickt für verbilligte Angebote. Im Buchmarkt ist das besonders verhängnisvoll, weil es de facto die Preisbindung unterläuft.

    Und ja, Amazon bestellt nach den Regeln seiner KI. Und so intelligent sind KIs noch lange nicht. Das zeigt sich auch in anderen Bereichen, wenn Facebook und Co per KI entscheiden, welche Postings gestoppt werden sollen, weil angeblich Hatepostings.

    Da ist Amazon ein weiterer Beweis, dass KI alleine entscheiden zu lassen, extrem gefährlich sind.

    Herzliche Grüße, Hans Peter Roentgen

  8. Herr Beckmann spricht mir, einem Kleinverleger der Wert auf Seriösität legt, und auch weiterhin die Autorinnen und Autoren mit Wertschätzung behandeln möchte, aus der Seele. Oftmals wurden seitens Amazon viele Exemplare bestellt, aber immer schön aufgesplittet in diverse Amazon-Läger, sodass uns ordentliche Versandkosten entstanden sind, gefolgt von massiven Retouren, die dann auch noch mechanisch derart beschädigt waren, dass an eine Wiedervermarktung der Ware nicht mehr zu denken war. Wir senden als Konsequenz an Amazon nur noch Bücher aus, wenn deren Bestand gemäß Anzeige auf deren eigener Internetseite auf Null gefahren wurde. Seitdem ist eine beschauliche Ruhe eingekehrt, was die Retouren von Amazon angeht. Sozusagen unsere Retourkutsche.

  9. Nicht nur Amazon retourniert, auch der Großhandel. Eine derartige Retoure hat vor wenigen Jahren ausgereicht, seinerzeit das ganze Geschäftsjahr in rote Zahlen zu setzen. Dazu kommen Großhandelsrabatte, die längst nicht mehr bei höchtens 50% liegen, sondern bei mindestens 50%.
    Und die Tatsache, dass Bücher unrentabler Kleinverlage nicht nur im Großhandel meist nicht geführt werden, sondern auch noch fälschlich als „nicht lieferbar“ bezeichnet werden. Was dann auch die Buchhandlungen zu glauben scheinen, danach zu urteilen, wie oft ich das von Kunden gesagt kriege, wenn die dann endlich direkt beim Verlag bestellen.
    Amazon beliefere ich nicht direkt. Amazon holt sich aber meine Bücher von Libri. Und Amazon hat die nette Angewohnheit, Neuerscheinungen erst mal wochenlang als „nicht lieferbar“ zu bezeichnen, bis anscheinend dort genügend Bestellungen aufgelaufen sind, dass die KI entscheidet, das Buch doch in den Verkauf zu nehmen.
    Alles in allem finde ich sowohl bei den Großhandlungen als auch bei Amazon mehr Haare in der Suppe, als ich verdauen kann.
    Und die Retourenbedingungen (die ich normalen Buchhandlungen gerne zugestehe) dürfte es in dieser Form bei den großen Spielern überhaupt nicht geben. Daran werden wir Kleinen zugrunde gehen. Oder wir verzichten in Zukunft auf den Buchdruck und machen nur noch Ebooks – mit entsprechend noch größerer Abhängigkeit von einigen wenigen Internet-Giganten. (Wobei auch dort inzwischen die Amazon-Retouren etliche Selfpublisher Autoren und vermutlich demnächst auch Verlage und Verlagsautoren in den finanziellen Ruin treiben, da Amazon für Ebooks 14 Tage Rückgaberecht gibt. Vielleser haben in der Zeit locker mehrere Bücher geschafft. Sie werden also gelesen und dann zurückgegeben und der Autor bzw. der Verlag haben das Nachsehen.)

  10. Auch ohne Amazon haben die Großverlage für viele ihrer Probleme selbst gesorgt. Wie von Beckmann angesprochen: der Marketing-Fetischismus z. Bsp. Diesem wurde und wird das Programm, zumindest teilweise, untergeordnet. Das ist so, als würde die Logistik das Kriegsziel bestimmen.

  11. Der Herr Beckmann hat einen wirklich, wirklich großen Hammer. Er trifft manchmal den Nagel auf den Kopf, und manchmal auch voll daneben. Eine interessante Mischung, aber eben in der Summe nicht ganz korrekt.

    „(…) die Verleger haben gemeint, mit Amazon einen neuen „Vertriebskanal“ für Bücher gefunden zu haben.“

    Das ist komplett falsch, ich war als Verleger damals als junger Mann dabei. Zutreffend ist: Die Filialisten haben das Internet in ihrem Größenwahn ignoriert („das ist nur eine Phase, Hase!“), um den eigenen Filialen keine Konkurrenz zu machen.

    Bertelsmann kam mit BOL zu spät, weil zu langsam, eben Bertelsmann. Der Börsenverein kam mit seinen Angeboten für den unabhängigen Buchhandel auch zu spät, und hat es wie immer technologisch versemmelt, wenn es was technologisch zu versemmeln gab.

    Es gab damals einfach online nur Amazon als Käufer von Telebuch, und dann war der Keks gegessen. Wer jetzt jammert, kommt zu spät. Heul leise, Chantal!

    „Amazon hat (…) immer wieder gigantische Mengen bestellt“

    Ja, und? Bestellen kann jeder Computer, und Amazon ist vor allem ein großer Computer. Aber jeder Verlag kann Bestellungen auf ein realistisches Maß kürzen. Das haben wir als kleiner Verlag vielfach gemacht. Es ist möglich, wenn man bereit ist, mit Amazon auch mal in den Clinch zu gehen.

    Online einen „Fall eröffnen“, wie es bei denen heißt. „Hallo Amazon, wir liefern nicht die drei Trillionen Bücher, die ihr gerade absurderweise bestellt, weil euer Computer heißläuft. Wir glauben nämlich nicht, dass die verkauft werden. Wir liefern euch deshalb nur einhundert Exemplare, und bestellt gern nochmal neu, wenn die wirklich verkauft sind. Aber bitte erst dann. Und wenn ihr Fragen habt, meldet euch gern, aber bitte mit einem Ansprechpartner, der auch erreichbar ist und kein Computer.“

    Ein Wunder, es funktioniert! Nein, man wird auch nicht ausgelistet! Aber so lange Vertriebsabteilungen daran gemessen werden, was sie „reinverkaufen“, und nicht an den tatsächlichen Verkäufen nach den Remissionen, ist das alles Augenwischerei, wenn der Kollege Beckmann jetzt beckmessert.

    Und bitte beim nächsten Mal vor dem Artikel jemanden aus der Praxis fragen. Recherche hilft, selbst bei Journalisten!

  12. Neben der schon gewöhnlichen Kritik: „Ein Bestseller ist ein Buch, das nur wenigen gefällt, das viele kaufen und die meisten nicht zu Ende lesen. [© Ernst R. Hauschka] – ist die moderne, top-aktuelle Verwendungn der Verlagswerbung ein irreführener Blödsinn. – Buchhandlungen[*innen], die das heute, ja, h e u t e kapieren, haben Glück, sich zu verändern; der ganze Wahnsinn an „Kriminalliteratur“ [Jeder Kirchturm wird mit kriminller Geste apostrophiert] … ist dafür nur das naheliegenden Bspl.

  13. Was mich -und vermutlich etliche andere Leute auch – an Ihrer Darstellung besonders
    fasziniert: Natürlich sind es vordergründig die Remissionen, die immer
    mehr Verlagshäuser strangulieren. Aber verantwortlich dafür ist doch – wie Sie
    das genial formuliert haben – die inflationäre Bücherschwemme mit Titeln
    und Autoren, „deren Namen nicht einmal der Wind kennt“.

    Die horrenden – und in Zukunft vermutlich sprunghaft weiter wachsenden –
    Remissionen sind tatsächlich nicht das einzige Untergangs-Kriterium.
    Doch mit schweren Säbeln ist gegen diese Krake Amazon m.E. kaum
    etwas auszurichten. In der Auseinandersetzung mit computergesteuerten
    Globalplayern sind intelligent geführte Strategien mit dem Florett vermutlich
    wirkungsvoller. Und Erfolg versprechender dazu. Gegen ein virtuos geführtes
    Skalpell zieht ein Vorschlaghammer über kurz oder lang wahrscheinlich
    ebenso den Kürzeren – wie wir das womöglich schon bald in der gegenwärtigen
    Auseinandersetzung zwischen der russischen Dampfwalze und der in
    meinen Augen ungleich geistreicheren Taktik der Ukrainer erleben werden.

    Doch genau an diesem Punkt haben wir hierzulande – und bedauerlicherweise
    nicht nur im Verlags- und Buchhandelssektor – die eklatantesten Lücken zu
    verzeichnen: Mangel an Kreativität und Phantasiereichtum. Man sollte sich
    vor allem daran erinnern, was heutzutage schon in manchen weiterführenden
    Schulen zu hören ist: Probleme können nicht von denjenigen Menschen gelöst
    werden, die für das Zustandekommen dieser Probleme verantwortlich sind.

    „Die Mehrzahl der Werbe-Legenden aus Marketing und Vertriebsabteilungen“,
    schreiben Sie, „entpuppen sich als ‚Bullshit‘.“ Ich möchte diesen Blickwinkel
    um einen Aspekt erweitern: Die zuweilen ebenso peinliche wie dummdreiste
    Überproduktion von Nonsens-Büchern, verantwortet von wichtigtuerischen
    Einfaltspinseln, die sich an schierer Masse statt an Qualität ergötzen – das
    vor allem muss zwangsläufig zum Offenbarungseid des deutschen Geisteslebens
    führen.

    Mit einer Wahnsinnsproduktion von Nieten und Luschen – beim Skat sind das
    bekanntlich Spielkarten, die nichts zählen und beim Zusammenrechnen keine Punkte
    einbringen – kann man Monstern wie Amazon nicht auf Augenhöhe begegnen.
    Zwar waren Nuggets schon immer selten, aber jetzt führt diese von Angst
    getriebene Lemming-Politik geradewegs in den Abgrund. Wenn der vermeintlich
    Stärkere mit Masse klotzt (wie derzeit etwa auch dieser Putin), sollte der auf
    den ersten Blick Schwächere keinesfalls den Versuch unternehmen, mit ähnlichen
    Dino-Manieren gegenzuhalten.

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