Random House-Justiziar Rainer Dresen über die Hintergründe des Vertriebsstopps vom Wirecard-Buch "Bad Company" von Jörn Leogrande „Uns war klar, dass ein derart brisantes Buch nicht allen Protagonisten gefallen wird“

Wie die FAZ am Freitag berichtet, „haben nahezu alle großen Buchhändler aufgrund eines sogenannten Presserechtlichen Informationsschreibens“ das Buch Bad Company (Penguin) von Jörn Leogrande aus dem Vertrieb genommen. Rainer Dresen, Justiziar bei Penguin Random House, stellt klar: „Gegen das Buch gibt es zwar Verbotsbemühungen interessierter Kreise, aber bislang noch kein Verbot, und gegen den Handel nichts außer Informationsschreiben des Inhalts, dass der Verlag abgemahnt wurde und man doch schon deshalb den Vertrieb einstellen soll.“

Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was es mit dem Schreiben auf sich hat, wie der Verlag mit den Vorwürfen umgeht und wie der Handel sich rechtssicher verhält.

BuchMarkt: Herr Dresen, heute berichtet die FAZ , dass es gegen „Bad Company – Meine denkwürdige Karriere bei der Wirecard AG“ von Jörn Leogrande, erschienen bei Penguin, zwar noch keine gerichtlichen Verbote gibt, aber etliche Händler haben dennoch den Titel aus dem Vertrieb genommen, nachdem die Anwaltskanzlei eines im Buch genannten Wirecard-Mitarbeiters sogenannte presserechtliche Informationsschreiben verschickt hat. Was ist da los?
Rainer Dresen: Uns war klar, dass ein derart brisantes Buch nicht allen Protagonisten gefallen wird, von denen derzeit nicht wenige aus guten Gründen auch Staatsanwälten Rede und Antwort stehen müssen. Aber dass es dann einzelne große Händler selbst sind, die das Buch in vorauseilendem Gehorsam vom Markt nehmen, das hat uns dann doch überrascht. Wir haben das Buch deshalb besonders sorgfältig geprüft, wohlwissend, dass es trotzdem Versuche geben wird, das Buch zu stoppen. Da gab es etwa den ehemaligen Wirecard-Mitarbeiter der schon vor Publikation einen Anwalt mit der etwas naiven Bitte vorschickte, ein „Leseexemplar“ zu erhalten, garniert mit der Ankündigung, dass nur so „Weiterungen“ vermieden werden können. Andere drohten eher allgemein rechtliche Schritte an, wenn wir die „Unschuldsvermutung“ ihrer honorigen Mandanten nicht beachteten, wieder andere monierten vermeintliche Ungenauigkeiten der zeitlichen Abläufe. Eine Anwaltskanzlei schickte uns Mittwoch letzter Woche eine konkrete Unterlassungsaufforderung. Wir lehnten auch in jenem Fall eine Änderungsverpflichtung ab, boten aber zur Streitvermeidung eine freiwillige Änderung für künftige Auflagen an. Das wiederum lehnten die Anwälte ab, was wir durch Einlegung einer sogenannten Schutzschrift bei Gericht erwiderten. Seitdem sind knapp zehn Tag vergangen und wir haben nichts von den Gerichten gehört.

Und welches Vorgehen gab es gegen den Handel?
Rainer Dresen: Die letztgenannte Anwaltskanzlei wählte parallel eine Methode, die unter Juristen eigentlich verpönt ist. Sie informierten ausgewählte Händler, dass der Verlag zur Unterlassung aufgefordert sei und dass der Handel sich doch schleunigst überlegen solle, den Titel aus dem Vertrieb zu nehmen. Eine Unterlassungsaufforderung an den Handel gab es bewusst nicht. Einzelne Händler haben daraufhin trotzdem sofort gesperrt, ein großes Barsortiment immerhin hat bei uns nachgefragt. Nachdem wir geantwortet haben, dass wir uns gegen das Unterlassungsverlangen wehren werden und deshalb baten, nicht zu sperren, solange es kein Verbot gibt, wurde trotz unserer Zusicherung, die etwaig später entstehenden Rechtskosten zu erstatten, ebenfalls gesperrt. Da in Corona-Zeiten nahezu alle Händler nicht direkt, sondern über das Barsortiment beziehen, hat uns das schon sehr getroffen.

Das Buch ist also weiterhin lieferbar, niemand muss es Stand heute aus dem Vertrieb nehmen. Verstehen Sie trotzdem die Händler, die gesperrt haben?
Rainer Dresen: Ich habe durchaus Verständnis, dass der in diesen Wochen vielfach gebeutelte Handel neben der fast schon heroischen Aufrechterhaltung der generellen Lieferfähigkeit keine große Lust auf die Befassung mit juristischen Sachverhalten hat. Ich hätte mir aber etwas mehr Elan und Einsatz für das zarte Pflänzchen „Freiheit des Wortes“ und gegen durchsichtige Versuche von Anwälten gewünscht, den Handel gerade in diesen Zeiten bewusst zu verunsichern und somit ein missliebiges Buch vom Markt zu drängen. Mit Wehmut etwa denke ich an die Tage zurück, als etwa Osiander und eBuch einen durchaus vergleichbaren Einschüchterungsversuch mit einer Plakat-Kampagne „Buchhandel kuscht – wir nicht“ erfolgreich und öffentlichkeitswirksam – die FAS berichtete auf Seite 1! – zurückwiesen. Wie sagte ein Verantwortlicher damals so schön: „Natürlich kann ich als Buchhändler kein abschließendes Urteil abgeben, das ist Aufgabe des Gerichts, dessen Entscheidung wir, ob wir sie für richtig oder falsch halten, selbstverständlich achten werden. Aber das Buch wurde von einem seriösen Autor geschrieben […] und es ist in einem seriösen Verlag erschienen“. Auch der Verband der deutschen Journalisten und Journalistinnen kritisierte damals:  „Anstatt das Ergebnis einer rechtsstaatlichen Prüfung seiner Gegenvorwürfe abzuwarten, werden Vertriebsfirmen […] aufgefordert, [die] Weiterverbreitung zu unterlassen“, so die Journalistenvereinigung in einer Pressemitteilung und kritisiert: „Auf die Einschüchterung […] reagieren die Vertriebsfirmen mit voraus eilendem Gehorsam […]“. Immerhin, bei Amazon ist das Buch weiterhin lieferbar …

Kommentare (5)
  1. In Sachen ‚Bad Company‘:
    Es ist immer wieder erstaunlich, dass sich Juristen und ganze honorige Kanzleien finden, die das Grundrecht auf Freiheit des Wortes zu unterlaufen versuchen – immer darauf vertrauend, dass die Juristerei auch 75 Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur auf dem rechten Auge blind ist. Im Falle der WIRECARD-Mafia und der Reaktion auf das Buch von Jörn Leogrande werden schlimme Erinnerungen an die wütenden Ausfälle des Strauß-Clans gegen das Buch von Wilhelm Schlötterer „Wahn und Willkür – Strauß und seine Erben oder Wie man ein Land in die Tasche steckt“ wach. Oder das Buch von Heribert Schwan und Tilman Jens „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“, das 2014 bei Heyne erschien und das wütende Auseinandersetzungen nicht zuletzt mit der Kohl-Witwe nach sich zog. Mich wunderte, dass gegen das Buch von Uwe Ritzer und Olaf Przybilla „Die Affäre Mollath – Der Mann, der zu viel wusste“ nicht vehementer von den unsäglichen Juristen vorgegangen wurde. Hut ab vor allen, die sich wehren, sich nicht einschüchtern lassen und Flagge zeigen!

    • Das ist doch Quatsch. Im Buch werden einige Leute namentlich als komplette Volltrottel dargestellt. Natürlich kann dagegen eine der Personen vorgehen. Das hat nix mit Nazis oder böse Juristen zu tun.

      • Interessanterweise sind von diesen angeblichen „Volltrotteln“ aber bisher noch keine Anwaltsschreiben eingegangen.

        Kann daran liegen, dass zutrifft, was über sie im Buch steht. Da die Beschreibungen sie auch nicht als Person herabwürdigen, sondern nur deren in der Tat mehr ungewöhnliches berufliches Verhalten schildern, sind die Betroffenen gut beraten, sich auch weiterhin nicht selbst zu melden. Sondern statt dessen andere vorzuschicken und auf weit verbreiteten „Furcht & Schrecken“ im Handel zu hoffen.

      • Nicht auszudenken, falls sich vor Gericht dann herausstellen sollte, dass sie komplette Volltrottel waren.

  2. Zitat „Im Buch werden einige Leute namentlich als komplette Volltrottel dargestellt. Natürlich kann dagegen eine der Personen vorgehen.“
    Die Wirecard-Sache hat diese Leute nicht gezwungen, sich als kriminelle Volltrottel zu verhalten. Das war deren eigene Entscheidung. Jetzt auf Korruption der Justiz und der Medien zu bauen um die eigene Entlarvung zu erschweren- so ist das halt in unserem System, das systemisch korrupt ist aber als moralisch rein gesehen werden möchte.

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