Nachtrag zur IG BellSa von Sandra Thoms „Warum die Branche aufpassen sollte, kleine und unabhängige Verlage nicht zu verlieren“

Sandra Thoms (Verlegerin Bedey & Thoms Media) meldet sich heute mit einem Nachtrag zur Jahrestagung der IG Belletristik und Sachbuch, die letzte Woche in München stattgefunden hat. Sie schreibt uns:

Diversität und Vielfalt wird in der Buchbranche gerne als Ziel genannt. Noch ist die Branche auch sehr vielfältig, 70 % der Mitgliedsunternehmen des Börsenvereins sind kleine, oft sehr spezielle Verlage oder Buchhandlungen mit einem Jahresumsatz von unter 600.000 €.

Eine Zahl, die der Hautgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Herr Kraus vom Cleff, anlässlich der Jahrestagung der Interessengemeinschaft Belletristik und Sachbuch, in den Raum stellte. Doch waren bei dieser Veranstaltung, die eigentlich alle Belletristik und Sachbuchverlage Deutschlands anspricht denn Unternehmen, die zu diesen 70% gehören dabei? Die konnte man an den Fingern einer Hand abzählen. Deutlich besser vertreten als diese 70% waren einzeln große Häuser, deren Personenzahl deutlich die der kleinen, unabhängigen Unternehmen vor Ort überschritten hat.

Warum das so war, wird sich niemand fragen, der die Preise alleine für die Teilnahme am Abendessen dieser Veranstaltung kennt. Aber diese Jahrestagung war ja schon immer eher ein Treffen der 30% des Börsenvereins, anstatt der 70%. Was den Großen der Branche durchaus bewusst ist.

Warum ist das Verschwinden kleiner Verlage für die großen Häuser ein Problem?

Nun wird in der Branche schon lange für den Bestand kleiner, unabhängiger Buchhandlungen gekämpft, damit die Vielfalt der Buchbranche sichtbar bleibt. Doch was ist mit den kleinen, unabhängigen Verlagen? Irgendwie konnten diese sich immer noch querfinanzieren oder über Wasser halten, aber nach zwei Jahren Corona ohne Messen und einem Jahr Kaufzurückhaltung ist dies nicht mehr möglich und ein kleiner, unabhängiger Verlag nach dem anderen schließt. Unbemerkt von der Branchenöffentlichkeit, denn die meisten dieser Verlage gehen nicht insolvent oder geben eine Pressemitteilung raus, sie geben einfach auf und publizieren keine neuen Bücher mehr.

In vielen großen Unternehmen wird das schlichtweg nicht als Problem wahrgenommen. Weniger Konkurrenz für die großen Verlage. Große Buchhandlungen haben mit kleinen, unabhängigen Verlagen ohnehin in der Regel keine direkte Geschäftsverbindung, bemerken die Schließungen also gar nicht.

Doch: Woher kommen denn die Themen-Innovationen in der Branche? Wer entdeckt denn neue Autor*innen und nimmt sie oft jahrelang an der Hand, um mit Ihnen Texte zu entwickeln? Sehr selten die großen Verlage. Im Gegenteil, es ist und war schon immer Usus in der Branche, dass große Verlagshäuser Themen und Autor*innen kleiner Verlage übernommen und abgeworben haben, sobald sie „marktreif” waren.

Doch bei der Geschwindigkeit, mit der kleine Verlage die Pforten schließen, wird es sie einfach bald nicht mehr geben. Dann werden die neuen Themen und Autor*innen ins Selfpublishing abwandern, was sie ja schon tun. Und dann werden die großen Häuser Ihre Themen dort suchen – was sie ja auch schon tun. Aber: Wer im Selfpublishing gelernt hat, dass er keinen Verlag braucht, wird das in vielen Fällen auch in Zukunft nicht tun. Aber viele Autor*innen, die sich aus finanziellen oder zeitlichen Gründen das Selfpublishing nicht leisten können, werden gar nicht auf den Markt kommen, da Ihnen das Engagement kleiner, unabhängiger Verlage fehlt.

Wenn somit große Verlage und auch große Buchhandlungen weiterhin eine Vielfalt in der Branche proklamieren möchten, wäre es gut, auch mal einen Blick auf die kleinen, unabhängigen Verlage und nicht nur die kleinen, unabhängigen Buchhandlungen zu werfen. Und auch Ihnen vielleicht eine Möglichkeit eines Marktzugangs zu schaffen. Denn oft weiß man ja erst, was man verloren hat, wenn es weg ist.

Kommentare (1)
  1. Die Indie Branche wächst (und da wir nicht alles „selbst“ machen, sondern jene Indie AutorInnen, die es ernst meinen, sehr wohl professionelle Cover Designer, Lektoren etc beauftragen, bevorzugen wir das Wort Indie gegenüber Selfpublishing) und es mag kleine Verlage vielleicht erstaunen, aber Indie Autoren verdienen oft weitaus besser als Verlagsautoren. Und viele AutorInnen wandern nicht ins Indie-Publishing ab, weil es keine kleinen Verlage mehr gibt, die sie an der Hand nehmen, sondern weil sie im Indie Publishing schlicht und einfach mehr verdienen können und auch selbst die Kontrolle über Cover etc haben — vor allem aber auch darüber, wie lange ihr Buch auf dem Markt ist oder wie viele Bände einer Serie sie herausbringen, selbst wenn sich Band 3 noch immer nicht pricklend verkauft. Natürlich gibt es AutorInnen, denen Zeit und Engagement fehlen, um im Indie Publishing zu bestehen, aber ehrlich gestanden werden diese AutorInnen es auch nur selten mit Verlag „zu etwas bringen“, denn in der heutigen Verlagskultur kommt kein/e AutorIn darum herum, sich selbst um Marketing zu kümmern. Ich kenne genügend Verlagskollegen, die sich von ihren kleinen und großen Verlagen alleine gelassen fühlen, wenn es um die Vermarktung ihres Buches nach den ersten 3-4 Wochen geht.
    Dennoch finde auch ich, dass es eine diverse Verlagslandschaft braucht, wobei wir AutorInnen oft vor dem Problem stehen, dass die großen Verlage schlechte Konditionen bieten und oft schon ähnlich den Drehbuchschreibern in Hollywood ihren AutorInnen genau vorgeben, was diese zu liefern haben, während es unter den kleinen Verlagen leider auch viele schwarze Schafe gibt (Zuschußverlage etc), letzters gerade für Neulinge ein Problem.
    Persönlich fände ich wichtiger als kleine Verlage noch kleine Buchhandlungen, die unabhängig agieren und ein Buchsortiment führen, das nicht nur die 08/15 Bestsellerlisten Bücher bedient (oder jene, die eben von den großen Verlagsvertretern progagiert wurden), sondern durchaus jene Bücher, die dem Buchhändler selbst am Herzen liegen. Ich denke, es würde dann mehr „Spezialitäten-Buchhandlungen“ geben und das könnte doch durchaus etwas Feines sein. Als AutorIn weiß man, dass man nicht mit jedem Buch Genre-hoppen sollte, um sich eine beständige Leserschaft aufbauen zu können. Vielleicht wäre es ja sogar ein Geschäftsmodell für kleine Buchhandlungen, zB eine reine Krimibuchhandlung zu sein, wo man als Kunde dann aber auch wirklich ausgefallene Krimis auch bekommen kann, oder eine reine Romance Buchhandlung etc. (oder gar ein reiner Indie Bookstore?) Der Trend überall geht doch dahin, entweder groß zu sein und alles zu bieten, oder klein und spezialisiert, sodass man der wahre Experte ist, an den sich die Kunden wenden.
    Eine Öffnung der Buchhandlungen gegenüber Indie-AutorInnen wäre natürlich auch etwas, das wir Indies uns sehr wünschen würden, hier liegt das Problem aber zumeist an den Distributoren wie BoD etc. Amazon (ja, wir hassen es alle und sind doch abhängig davon als AutorInnen) bietet inzwischen im englischen Markt auch Indies die Möglichkeit, dass Buchhandlungen ihre Bücher zu wirklich günstigen Konditionen beziehen können, wenn der Autor das will. Vielleicht bietet sich ja auch hier eine Möglichkeit, dass Buchhandlungen an den oft durchaus guten Büchern und Verkaufszahlen mancher Indies mitverdienen können.
    Dem Leser ist es zumeist egal, von welchem Verlag oder ob von einem Verlag sein Lesestoff kommt.

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