Personalia Werner Köhler im Talk mit dem Sonntag-Express

„Jerry Cotton brachte mir das Lesen bei“ verriet Autor („Crinelli“), Moderator (west.art – Bücher) und LitCologne-Organisator Werner Köhler im Gespräch mit dem Sonntag-Express am vergangenen Wochenende. Und auch, was er jedes Jahr zu seinem Geburtstag auf den Teller kommt …

Hier das Interview:

Sonntag-EXPRESS: Ermittlungen mitten in Italien – ein ungewöhnlicher Fall für eine Krimireihe, die eigentlich im Rheinland angesiedelt ist …
Werner Köhler: Ich mag diese Romane nicht, die nicht mehr sind als ein Stadtführer in Buchform. Ich erfinde Straßennamen und Gebäude, wie es mir gefällt, und wenn ich am Kölner Chlodwigplatz ein Haus mit einer Marmorfassade brauche, dann stelle ich es einfach dahin. Das ist das tolle am Romane schreiben, man muss nicht die Realität abbilden, das ist nicht wichtig.

Was ist bei „Crinelli“ für Sie wichtig?
Die Geschichte muss glaubhaft, wahrhaft und spannend sein. Und es sollte in einem Krimi um ein gesellschaftlich relevantes Thema gehen. Köln nehme ich als Beispiel für alle Großstädte: Menschen aus allen Kulturkreisen, unübersichtliche Machtverhältnisse, Baustellen, Schmutz, heilige Orte und vor allem ein Fluss – ich liebe Wasser, Crinelli auch.

Im neuen „Crinelli“ geht es um eine Mafia-Geschichte – haben Sie vor Ort lange recherchiert?
Das geht bei mir anders. Ich habe im Vorfeld viel über die Mafia gelesen, habe eine Weile gewartet, bin dann an einen Ort an der französischern Nordseeküste bei Calais gefahren und habe geschaut, was in meinem Gehirn noch hängen geblieben ist. Das ist der Nährboden. Ich brauche eine Art innerer Atmosphäre, der Rest, die Geschichte und die Figuren, entspringen dann meiner Fantasie.

Sie haben mal gesagt, dass der Name Ihres Helden – Jerôme Crinelli – eine Verbeugung vor zwei Personen ist. Was steckt dahinter?
Der Nachname ist eine Erinnerung an einen Jugendfreund aus Südfrankreich, den ich leider aus den Augen verloren habe. Und Jerôme heißt er, weil er so in den Roman-Dialogen „Jerry“ genannt werden kann. Dahinter steckt mein Jugendheld Jerry Cotton, durch den ich ans Lesen gekommen bin.

Jerry Cotton, Held der sogenannten „Heftchen“, ist ein ungewöhnliches Vorbild für den jetzigen LitCologne-Chef, der es mit „richtiger“ Literatur zu tun hat.
Ich habe keine Berührungsängste. Im Gegenteil haben wir seinerzeit einen großen Jerry-Cotton-Abend ins Programm genommen. Bei uns zu Hause gab es Bücher nur, wenn man krank war. Mein Vater schleppte dann Karl-May-Bücher an, die er gut fand, die mich aber schrecklich langweilten. Ich habe die ganze Zeit nur auf die Szenen gewartet, in denen gekämpft wurde: Indianer gegen Weiße. Aber dazwischen lagen endlose Naturbeschreibungen – sehr langweilig für einen Jungen, der mit Fieber im Bett liegt.

Schreiben Sie mit Computer, mit Schreibmaschine oder mit der Hand?
Auf dem Computer. Sonst würde ich wahnsinnig. Nach zwei Stunden kann ich meine eigene Handschrift eh nicht mehr lesen.

Es gibt die Theorie, die behauptet, die Bücher sind seit der Ausbreitung des Computers um 30 Prozent dicker geworden …
Könnte stimmen, Crinelli bringt es immerhin auch auf 470 Seiten. Aber ich habe auch die Theorie, warum sie demnächst wieder dünner werden: Wir sehen, wie die Sprache verroht, weil man sich über die SMS-Schreiberei sehr kurz fasst und weglässt, was nur wegzulassen ist. Wenn sich das festsetzt, wird die nächste Generation von Schriftstellern deutlich dünnere Bücher vorlegen.

Ehe Sie Krimis schufen, hatten Sie Kochbücher veröffentlicht, den Koch-Roman-Bestseller „Cookys“ geschrieben und im WDR-TV eine eigene wöchentliche Kochsendung. Was war da los mit Ihnen?
Kochen war und ist meine Leidenschaft. Ich koche seit meinem 12. Lebensjahr. Mein Vater war früh gestorben, meine Mutter musste arbeiten. Da gab es mittags nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich taute mir etwas auf, aber das, was da rauskam, aß ich ungern. Oder ich sagte: Ich übernehme die Küche, denn dann kann man kochen, was man mag. So wurde aus einer Rettungstat eine Leidenschaft.

Was gab‘s damals am häufigsten?
Immer wieder Wiener Schnitzel mit Erbsen und Fritten, das gibt es bis heute an meinem Geburtstag. Und dann kam mit 15 die Offenbarung: Ich war erstmals in Italien, und es gab Sachen, die ich vorher noch nie gesehen oder gegessen hatte. Ich aß meine erste Pizza, die bei uns noch „Mafiakuchen“ genannt wurde, lernte Scaloppine und Bruschetta kennen. Und ich aß erstmals eine Lasagne! Das war wie eine Erweckung. Ich besorgte mir das Rezept und danach gabs kein Halten mehr.

Wäre es damals nicht naheliegend gewesen, dass Sie Koch gelernt hätten?
Es gab diesen Moment in meinem Leben, da hätte es passieren können. Gottseidank kam es anders. Ich weiß inzwischen, dass Koch ein sehr harter Beruf ist, vielleicht einer der härteste Beruf, den es gibt.

Sie wurden stattdessen Buchhändler, Verleger, Festivalmacher, Autor, Kritiker. Wie kam es zu den Büchern?
Mit 22, 23 wollte ich ans Theater, hatte auch schon in Aachen und Paris gearbeitet. Aber es war ziemlich brotlos – viel Arbeit, wenig Geld. Ich wollte Regisseur werden, hätte dafür aber an eine Schauspielschule gemusst – schon wieder Schule, dachte ich mir, nein Danke. Also hab ich mich hingehockt und überlegt: Was kannst du? Und wusste: Ich kann Dinge verkaufen. Meine Eltern hatten eine Bäckerei. Da habe ich schon als Fünfjähriger meine ersten Brötchen verkauft. Und weil ich mich zu der Zeit fast nur noch für Bücher interessiert habe, brachte ich die beiden Dinge zusammen und machte eine Buchhändlerlehre. Der Rest ergab sich irgendwie.

Jetzt sind Sie Bestseller-Autor. Hat sich ein Traum erfüllt?
Bestseller-Autor? Na ja, ich glaube Sie verwechseln mich mit einem anderen Kölner. Ehrlich gesagt, in meiner Generation wollte man Rockgitarrist werden. Ich habe nie davon geträumt, ein Romanautor zu sein. Aber es stimmt schon, im Augenblick habe ich das Gefühl eines kleinen Jungen, der immer eine kleine Eisenbahn wollte und jetzt die schönste von allen bekommen hat. Schriftsteller zu sein habe ich für mich immer als außerhalb meiner Möglichkeiten liegend angesehen. Für mich waren Menschen, die Bücher schreiben können, immer überirdische Wesen, Heilige irgendwie. Deshalb kommt mir mein eigenes Schreiben wohl immer noch entweihend vor.

Ihr Crinelli ist ein mutiger Held mit einer Schwäche – er hat keine Lust auf Urlaub, bleibt lieber im Lande. Hat er das von Ihnen?
Nein, das nicht. Ich mache eigentlich immer noch ganz gerne Urlaub, solange ich meinen Computer dabei haben kann, mein Handy Empfang hat, und es auch sonst so schön und angenehm ist wie Zuhause. Im Ernst, früher bin ich viel gereist, aber jetzt fürchte ich mich davor, in die Luft zu gehen. Crinelli mag Fliegen auch nicht, aber er ist mutiger als ich. Flugangst habe ich übrigens seit ich denken kann. Wenn meine Mutter früher mit meiner Schwester in Urlaub flog, bin ich lieber zur Oma gegangen.

Und ihr erster Flug?
Ich bin mit 17 nach Marokko getrampt und dort krank geworden. Ich habe meiner Mutter ein Hilfe-Telegramm geschrieben: „Holt mich irgendwie zurück – aber weiter als Barcelona fliege ich nicht.“

Und danach waren sie nie mehr in der Luft?
Im Gegenteil, ich bin danach sehr viel geflogen, oft mit abenteuerlichen Airlines, zu noch abentäuerlicheren Zielen, aber immer mit nassen Händen. Vor zehn Jahren erlitt ich im Urlaub auf Mallorca den Zusammenbruch, der mein Leben veränderte. Ich schmiss meinen Job als Geschäftsführer einer Buchhandlung und gründete mit meinen Freunden den LKO-Verlag und die lit.COLOGNE. Aus dieser Zeit rührt meine absolute Flugverweigerung, denn der Rückflug aus Mallorca wurde zur Hölle. Ich bin 10 000 Tode gestorben, es war die reine Lebensangst! Seither verfolgt mich die fixe Idee, in einem Flugzeug zu sterben. Ich bin wohl nicht dafür geschaffen, die Bodenhaftung freiwillig aufzugeben. Und um mich zu trösten, dass ich jetzt all die schönen Länder nicht mehr sehen kann, sage ich mir: Wenn du niemals ein Flugzeug betrittst, wirst du auch niemals sterben. Ewiges Leben statt ein paar Wochen in der Fremde. Ist doch ein super Plan, oder?

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