Bekenntnis zu Vielfalt und kultiviertem Diskurs Wien: Anton Wildgans Preis an Sabine Scholl verliehen

Am Dienstagabend wurde der in Berlin lebenden österreichischen Schriftstellerin Sabine Scholl in Wien der Literaturpreis der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans verliehen. Die Auszeichnung ist mit 15.000 Euro dotiert.

Sabine Scholl erzähle in klarer Sprache von Menschen, denen die Sicherheit verloren ging, heißt es in der Begründung der Jury. „In präzisen, verknappten Bildern spricht sie über andere Kulturen und betrachtet kritisch die eigene.“ Scholls Werk umfasst Romane, Essays, Gedichte, Theaterstücke und Hörspiele. Zuletzt erschien in diesem Frühjahr Das Gesetz des Dschungels (Secession Verlag).

Sabine Scholl, Christoph Neumayer (©Industriellenvereinigung – Elisabeth Kessler)

„Wir feiern heute die Literatur. Und stellvertretend für die Literatur feiern wir ein ganz besonderes Werk – jenes von Sabine Scholl“, erklärte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, bei der Preisverleihung im Haus der Industrie. „Sie ist keine, die lautstark hinausschreit. Sie differenziert und verlässt sich auf die Kraft ihrer Sprache.“ In Zeiten, in denen „Debatten in der Öffentlichkeit schon einmal kultvierter ausgefallen sind“, mute dies fast schon ein wenig unzeitgemäß an. Umso mehr werde durch die Auszeichnung Sabine Scholls aber die Natur des „Wildgans-Preises“ als Bekenntnis zur Vielfalt, zu einem kultivierten Diskurs und als fachlich fundiertes Korrektiv offenbar.

Sabine Scholl beschreibe Menschen, welche die Sicherheit in ihrem Leben verloren haben. Man könne sie als „engagierte, politische Autorin bezeichnen, wäre eine solche Bezeichnung nicht zu eng“, so Prof. Marianne Gruber, die Ehrenpräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, in ihrer Laudatio. „Wie unsere Welt bewältigen, die Fluchtbewegungen, die Fremde, die Fremdheit? Und die Sehnsucht, sie zu überwinden? Was bedeutet heute das Wort Zuhause? Gibt es das überhaupt noch in einer globalisierten Welt, in der viele Wege offen zu stehen scheinen, die sich rasch verengen und den Raum der Möglichkeiten eingrenzen und Gewissheiten rar werden lassen, nach den inneren Anliegen“, umfasste Gruber einige der großen Fragen im Werk der Preisträgerin. Sabine Scholl erzähle engagiert, aber unaufgeregt – „eine literarisch wie menschlich selten vorhandene Tugend in einer mehr und mehr zu Hysterie neigenden Zeit. Die Aufregung entsteht in den Lesenden, nun aber nicht mehr hysterisch, sondern voll Empathie, vielleicht auch beschämt. Und eine Toleranz tritt in den Texten zutage, die nicht von Gleichgültigkeit gespeist wird oder von Unwissen.“

Der Anton-Wildgans-Preis wird bereits seit 1962 von einer unabhängigen Jury vergeben, die sich aus Prof. Marianne Gruber (Ehrenpräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Literatur), Univ.-Prof. Dr. Johann Holzner (vorm. Leiter des Brenner-Archivs an der Universität Innsbruck) und Barbara Neuwirth (Schriftstellerin) zusammensetzt. Er wird einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerin der jüngeren oder mittleren Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft verliehen, „dessen oder deren Werk von hervorragender Relevanz für die literarische und gesellschaftliche Korrelation unserer Zeit ist.“. Zu den Preisträgerinnen und Preisträgern gehören unter anderem Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Michael Köhlmeier, Arno Geiger, Sabine Gruber, Olga Flor, Norbert Gstrein, Robert Seethaler, Erich Hackl und Margit Schreiner.

 

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